Wertschätzung als Erfolgsfaktor
Es gibt erfolgreiche und weniger erfolgreiche Menschen. Was aber macht Menschen in ihrem Tun erfolgreich? Und was haben Wertschätzung und Empathie mit Erfolg zu tun? Business-Coach Bettina Spichiger geht diesen Fragen in ihrem Buch «Wertschätzung als Erfolgsfaktor» auf den Grund.
Bettina Spichiger hat ein Buch über Wertschätzung veröffentlicht. (Bildmontage: HR Today)
Frau Spichiger, Sie haben vor kurzem das Buch «Wertschätzung als Erfolgsfaktor» veröffentlicht. Was war der Auslöser, dieses Buch zu schreiben?
Bettina Spichiger: In den letzten Jahren war das Thema Wertschätzung in Verbindung mit «mangelnder» Wertschätzung omnipräsent und in meinen Workshops wurde intensiv darüber diskutiert. Für mich persönlich ist Wertschätzung ein Erfolgsfaktor, bei allem, was ich tue, wie ich denke, arbeite und lebe. Alle wünschen sich Wertschätzung, alle sind sich einig, dass diese sehr wichtig ist, dennoch erhalten viele Menschen zu wenig davon. Diesem Mysterium wollte ich auf den Grund gehen.
Wie definieren Sie «wertschätzendes Führen?»
Wertschätzende Führungskräfte denken immer wieder über sich selbst, über ihre Taten und Worte nach. Weil sie sich für ihr Umfeld interessieren, sind sie auch erfolgreich. Der Unternehmer Paul Gabriel, der in meinem Buch zu Wort kommt, ist für mich ein grosses Vorbild, was wertschätzende Führung angeht. Ich habe selten jemanden kennengelernt, der so klar, direkt, fordernd, eindeutig berechenbar und transparent führt. Kombiniert mit einer grossen Portion Menschlichkeit, Wertschätzung und Empathie. Der Erfolg seiner Unternehmung in der Automobilbranche spricht für sich und die positive Stimmung im Betrieb ist deutlich spürbar. Die Mitarbeitenden bewegen sich dynamisch, mit einer Portion Stolz, viel positiver Energie und mit einem Lächeln im Gesicht. Dass sich diese Verhaltensweisen auf den Kunden übertragen, ist leicht nachvollziehbar.
Weshalb ist Wertschätzung für Sie ein Erfolgsfaktor? Geht es denn nicht auch ohne?
Natürlich geht es kurzfristig auch ohne. Doch wer eine langfristige und glückliche Beziehung anstrebt, der kommt im beruflichen und privaten ohne Wertschätzung nicht klar. Für mich persönlich ist wertschätzendes und empathisches Verhalten so wichtig, da es mir Tür und Tor zu Menschen öffnet. Ich arbeite täglich mit neuen, mir unbekannten Menschen zusammen und für mich ist es elementar, innert kürzester Zeit einen guten Draht zu meinem Gegenüber aufzubauen. Nach acht Stunden trennen sich unsere Wege bereits wieder und am nächsten Tag kommt für die Teilnehmenden der wichtigste Tag überhaupt: Der Alltag. Dann sollten sie Erarbeitetes motiviert und voller Überzeugung umsetzen.
Was bewirkt gelebte Wertschätzung im Unternehmen?
Ganz einfach ausgedrückt: Wertschätzung ist für mich eine Grundvoraussetzung, dass Motivation überhaupt entstehen kann. Mitarbeitende, die sich wertgeschätzt fühlen, haben Spass an ihrer Arbeit, fühlen sich akzeptiert und identifizieren sich mit ihrem Arbeitgeber. Fehlende Wertschätzung hingegen führt zu Demotivation, zu weniger Effizienz, zu weniger Produktivität, zu Gleichgültigkeit und Desinteresse, zu Minimalismus, ja sogar auch zu Dienst nach Vorschrift und innerer Kündigung. Früher oder später suchen sich demotivierte Mitarbeitende ein neues Tätigkeitsfeld, wo sie geschätzt werden. Der Beginn einer neuen Arbeitsbeziehung ist oft wie eine Liebesbeziehung. Alles ist neu, interessant, spannend und abwechslungsreich. Irgendwann hält dann die Routine Einzug. Die hat zwar viele positive Aspekte, kann aber auch zu einer sich einschleichenden fehlenden Wertschätzung führen.
Kann man wertschätzendes Führen lernen oder gibt es «hoffnungslose» Persönlichkeiten, die das einfach nicht können?
Wertschätzung ist lernbar, sofern man psychisch als gesunder Mensch gilt, denn Psychopathen haben nachweislich kein Einfühlungsvermögen. Die meisten Menschen kommen jedoch mit einem «Wertschätzungsstarterkit» zur Welt. Natürlich hängt es auch davon ab, wie wir aufwachsen, welche Erziehung wir geniessen, welche Werte wir als Kinder vermittelt bekommen und was wir vor allem vorgelebt erhalten. Es gibt talentierte und weniger talentierte Wertschätzer. Jeder kann beispielsweise Tennisspielen lernen, doch die wenigsten schaffen es, so erfolgreich wie Roger Federer zu werden. Es ist jedenfalls ein «must», hart zu trainieren, um überhaupt – um bei diesem Beispiel zu bleiben – ein guter Tennisspieler zu werden. Es reicht also nicht, einmal im Jahr an einem neuen Führungsworkshop teilzunehmen. Auch Mitarbeitende, die in ihrem Auftritt vor Kunden geschult werden, brauchen ein intensives, regelmässiges Training. Ob wir eine Fremdsprache, eine Sportart oder ein Musikinstrument lernen wollen, nach dem Willen sind Fleiss und Training wichtige Erfolgsfaktoren.
Zur Autorin
Bettina Spichiger, Jahrgang 1974, arbeitet als selbständige Kommunikationstrainerin und als Coach und lebt in Küssnacht am Rigi. 2002 startete sie ihre Trainerkarriere in einem renommierten Beratungsunternehmen und gründete 2011 ihr eigenes Unternehmen «Trainings mit Click.» Die Themen Wertschätzung und Empathie sind ihre Kerngebiete.
Bettina Spichiger: Wertschätzung als Erfolgsfaktor, Knapp, 2015.