In KMUs sieht die Lage etwas anders aus. Die fehlende Vertretung auf Stufe Geschäftsleitung liege weniger in der mangelnden Akzeptanz des HR als daran, dass ein zusätzliches Geschäftsleitungsmitglied «Mehrkosten» verursache, erläutert Jörg Frei. «Meist ist das HR in KMUs jedoch in der erweiterten Geschäftsleitung eingebunden und kann sich durch die kurzen Entscheidungswege im Unternehmen einbringen.»
«Viele Ohnmachtsgefühle des HR sind auch hausgemacht», so die Einschätzung von Georg Lange. Er sieht deshalb erheblichen Weiterbildungsbedarf im HR. «Um mitreden zu können, müssen sich HR-Verantwortliche unbedingt betriebswirtschaftliches Wissen und unternehmerische Fähigkeiten aneignen.» Auch Yves Birchmeier betont, dass betriebswirtschaftliches Wissen auf oberster Stufe des HR wichtig sei, um strategische Zusammenhänge zu verstehen und Mehrwert für die Organisation zu generieren.
«Agieren statt reagieren»
Dass das HR allzu oft noch nicht gelernt hat aufzuzeigen, inwiefern es einen Beitrag zum unternehmerischen Erfolg leistet, davon ist auch Georg Lange überzeugt: «Das HR muss agieren, statt zu reagieren, und nachweisen, dass sich das, was getan wird, auch auszahlt. Erst damit verschafft sich das HR die Chance zur Einflussnahme auf die Entscheidungsträger.» Die wichtigsten Kompetenzen des HR sieht Yves Birchmeier in der Fähigkeit, Visionen und Strategien mit zu entwickeln, mit der «Fahne voran in die Schlacht zu ziehen» und diese Visionen und Strategien auch vor der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat zu vertreten. Aus seiner Sicht ist die Mitarbeit des HR an strategischen Fragen zwingend. Dazu müssen jedoch auch HR-Prozesse sichtbar gemacht werden und das HR muss erkennen, wo es andere in ihren Prozessen unterstützen kann, um die Organisation weiterzuentwickeln.
In der ganzen Diskussion um Kostenfragen und Effizienzsteigerungen droht die langfristige Planung in den Hintergrund zu geraten. Die Krux dabei: Die Wirksamkeit von HR-Massnahmen zeigt sich oft erst in einem grösseren Zeitrahmen. «HR ist kein kurzfristiges Business», gibt Walter Jenny zu bedenken. «Eine Unternehmenskultur zu verändern, bedeutet, ein grosses Schiff zu lenken. Bei häufigen Wechseln im HR sind die Leute jedoch wieder weg, bevor sie Erfahrungen sammeln und diese einbringen konnten. Hier gilt es, sich zu fragen, wie geduldig und hartnäckig Personalfachleute selbst sind.»
Solange alles funktioniert, wird das HR nicht wahrgenommen, so lautet eine weit verbreitete Meinung. Doch stimmt das? Und wie erfahren HR-Fachleute Wertschätzung?
«Durch die Neupositionierung meiner Funktion bei der Kistler Group fühle ich mich in meiner Position gestärkt. Mit der direkten Unterstellung unter den CEO wurde bei uns bewusst eine Möglichkeit geschaffen, dem HR mehr Einfluss in der Geschäftsleitung zu verschaffen», sagt Yves Birchmeier. Und ergänzt: «Wertschätzung im HR erhält man vor allem dann, wenn der Linienvorgesetzte die geleistete Arbeit schätzt und er sich auf seine tägliche Arbeit konzentrieren kann. Die Qualität der HR-Arbeit überzeugt dann, wenn ein Prozess sauber läuft und von allen verstanden wird.»
Für Jörg Frei zeigt sich die Wertschätzung seiner Arbeit vor allem darin, dass das HR bei der Sulser Group als «Anlaufstelle» für alle Fragen rund ums HR betrachtet wird. Je weiter jemand vom HR «entfernt» sei – zum Beispiel Mitarbeitende an einem anderen Standort –, desto häufiger sei jedoch die Frage zu vernehmen: «Was machen die überhaupt?»
Weniger, aber besser qualifiziertes HR
Wenn sich die Tendenz zur verstärkten Beschäftigung mit strategischen Themen fortsetzt, wird dem HR vermehrt der Rücken gestärkt und dessen Arbeit aufgewertet. Doch werden die Zeichen der Zeit in der Praxis auch erkannt oder droht dem HR doch eine Abwertung?
«Abwertung entsteht aus meiner Sicht nur dann, wenn der Eindruck besteht, jemand anders könne einen Prozess besser machen, wenn sich das HR im Unternehmen nicht einbringt und auch keine Akzeptanz hat», so die Einschätzung von Yves Birchmeier. «Die gesellschaftlichen Veränderungen bedingen, dass auf Konzern- und VR-Stufe HR-Kompetenzen integriert werden müssen. Administrative Arbeiten werden auch in Zukunft durch das HR erledigt werden. Nicht alles lässt sich automatisieren, sämtliche HR-Prozesse sollten jedoch möglichst ‹lean› geführt und auf ihren Nutzen geprüft werden.»
Jörg Frei von der Sulser Group kommt zu einem ähnlichen Schluss: «Aufgrund der heutigen Arbeitsmarktlage müsste das HR höher eingestuft werden. Das HR muss in der Geschäftsleitung vertreten sein, denn oft fehlt gerade dort das Fachwissen, wenn es beispielsweise darum geht, den Aufwand für die Rekrutierung von Fachleuten oder die Folgen von anderen personellen Entscheiden abzuschätzen. HR soll das Mauerblümchendasein hinter sich lassen, mit Enthusiasmus eigene Ideen vertreten und Fachkompetenz zeigen. Ob das HR gehört wird, hängt jedoch entscheidend von der Unternehmenskultur ab.»
Nach Georg Langes Ansicht wird sich die Rolle des HR in Zukunft bedeutend verändern. In den Unternehmen wird das HR eine deutlich «hochwertigere» Rolle in beratender und begleitender Funktion einnehmen und sich im Wesentlichen um die «menschliche Komponente» kümmern, wie zum Beispiel die Ausgestaltung der Unternehmenskultur, das Talentmanagement und die interne Kommunikation. Administrative HR-Prozesse werden hingegen vermehrt standardisiert, automatisiert oder gar in andere Länder verlagert. Die verbleibenden HR-Kernprozesse erfordern demnach weniger, jedoch hoch qualifizierte Mitarbeiter.
Strukturen sind das eine, persönliche Komponenten das andere, das entscheidet, in welchem Grad sich das HR einbringen kann. Strukturen mögen zwar die Einflussnahme des HR auf die Geschäftsleitung oder den Verwaltungsrat fördern oder behindern, sie sind bei weitem aber nicht die einzige Erklärung für Macht oder Ohnmacht des HR. Vielmehr liegt es auch am HR selbst, sich im Unternehmen richtig zu positionieren. Das bedeutet, sich gezielt Wissen anzueignen, Fachwissen und Ideen aktiv in den Gremien einzubringen, aufzuzeigen, welchen Beitrag das HR zum Unternehmenserfolg leistet, und sich selbst noch besser zu vermarkten.