Sommerserie

«In den USA ist der administrative Aufwand zu hoch»

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch für das HR. In unserer Sommerserie stellen wir die Personalarbeit in den unterschiedlichsten Ländern vor. Lukas Schönwetter, Director Human Resources bei Buhler Aeroglide in North Carolina, gibt Insights in das HR in den USA.

Herr Schönwetter, was sind die aktuellen HR-Trends in den USA?

Lukas Schönwetter: Ich glaube, es sind die gleichen, wie in Europa. Generation Y und Z drängen in den Arbeitsmarkt und die Firmen müssen sich auf dies vorbereiten. Dieser «clash» von Mitarbeitern, die in einer hierarchischen Firmenkultur aufgewachsen sind, versus die neue Generation, welche sich in der schnellen Netzwerk-Struktur wohl fühlt, ist ein Trend, der alle Firmen vor eine grosse Herausforderung stellt.

Auf einen nicht unbedeutenden HR-Trend wurde ich kürzlich bei einer Future Work-Konferenz durch ein Referat von Dave Ulrich aufmerksam: Bis jetzt waren interne Ansprechpartner die Kunden von uns HRlern. Der nächste Schritt aber wird sein, dass wir vermehrt auf unsere externen Kunden fokussieren müssen. Was kann HR beitragen, dass die eigenen Mitarbeiter nicht nur zu unserer Kultur passen, sondern auch zur Kultur der effektiven Kunden? Wie sehen unsere Kunden unsere Mitarbeiter, unsere Firmen-Kultur, unsere Werte? Passt das zu den Werten, der Kultur des Kunden? Rekrutieren wir Talente, die auch zur Kultur unseres Kunden passen? Ein spannender Ansatz, den Ulrich «HR Outside/In» nennt. Ich bin gespannt, wie sich dies entwickeln wird.

Vor welchen Herausforderungen steht das HR in den USA langfristig?

Die grösste Herausforderung sehe ich im Spagat zwischen den vielen Arbeitsgesetzen und Vorschriften und der zukunftsorientierten, flexiblen, pragmatischen HR-Arbeit. Der administrative Aufwand ist teilweise nicht zu verantworten. Will man einen etwas risikoreichen Entscheid fällen, müssen zuerst alle Varianten berücksichtigt werden, bis die Umsetzung vonstattengehen kann. Dabei muss eigentlich immer ein Anwalt eingeschaltet werden, um auf der sicheren Seite zu sein. So kann sich das HR nicht auf die wichtigen strategischen Themen kümmern, sondern wälzt oft zu lang in diesen Policy-Themen.

Zur Person

Lukas Schönwetter arbeitet seit rund drei Jahren als Director of Human Resources bei Buhler Aeroglide in Raleigh, North Carolina. Lukas Schönwetter absolvierte eine Banklehre Ende der 80er Jahre bei der Schweizerischen Volksbank in St. Gallen. Nach einigen Jahren Berufserfahrung im Banken- sowie Personalberatungssektor absolvierte er ein Wirtschafts-Bachelor-Studium an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Baden, gefolgt von einem Nachdiplomstudium in Human Resources Management. 2001 startete er seine HR-Laufbahn als Leiter University Marketing bei ABB Schweiz und anschliessend als HR Business Partner bei ABB Turbo Systems. Anfang 2009 wechselte er zur Firma Bühler in Uzwil als Leiter Human Resources der weltweiten Division «Manufacturing & Logistics». Ende Juni 2012 folgte das International Assignment in den USA.

Wo hat das HR Nachholbedarf?

Ich habe das Gefühl, dass das HR in den USA immer noch ein wenig ein stiefmütterliches Dasein fristet. Man findet es «vordergründig» wichtig, jedoch beim ersten Windstoss ist es eine der ersten Abteilungen, die Kürzungen erfährt. Aufgrund meinen Beobachtungen erlangen viele HR-Manager nicht die Beachtung auf C-Stufe und verstecken sich dann oft hinter den Policies. Die Aussage «Ich habe es ihnen ja gesagt, aber sie machen es jetzt doch wieder anders!» höre ich oft. Hier muss das HR einen Weg finden, noch bestimmter und stärker aufzutreten, um im Management-Team wirklich eine wichtige Stimme zu haben und so auch gehört zu werden.

Meine US-Erfahrungen sind weitgehendst im Umfeld von mittelständischen Unternehmen. Als Chairman von NCTAP (North Carolina Triangle Apprenticeship Program, vierjährige Lehre basierend auf dem Schweizer/Deutschland-Modell) komme ich oft in Kontakt mit HR-Managern von KMUs. Im Gespräch mit ihnen fehlt mir oft der längerfristige Ausblick. Es gilt die jetzigen Probleme zu lösen, möglichst schnell, aber was nachher kommt, interessiert wenig. Das ist oft frustrierend. Hier sehe ich wenig Nachhaltigkeit in der HR-Arbeit.

Wie sieht das HR in den USA im Vergleich zur Schweiz aus?

Von den USA haben wir die Vorstellung des «Hire & Fire-Landes». Auf den ersten Blick stimmt das, aber beim näheren Hinschauen sieht die ganze Sache doch etwas anders aus. Ich arbeite in North Carolina, wo das Gesetz «Work at will» für beide Parteien gilt (Arbeitnehmer & Arbeitgeber). Das heisst, beide Parteien können entscheiden, dass sie nicht mehr mit der anderen Partei zusammen arbeiten möchten. Darum gibt es auch keinen offiziellen Arbeitsvertrag, sondern nur einen Offer-Letter. Um sich vor Klagen zu schützen, muss der Arbeitgeber bei der Aussprache von Kündigungen jedoch sehr vorsichtig sein. Wie in der Schweiz muss alles dokumentiert werden, die richtigen Schritte von mündlicher über schriftlicher Verwarnung bis zur Kündigung eingehalten werden. Am Besten zieht man bei schwierigen Fällen sofort einen Anwalt bei. Bei einer Kündigung seitens des Arbeitgebers wird der Mitarbeiter in 99 Prozent der Fälle noch am gleichen Tag freigestellt. Die Lohnzahlungen enden am Abend des entsprechenden Tages. Bei Kündigungen durch die Arbeitnehmer müssen wir froh sein, wenn sie uns noch zwei Wochen Kündigungsfrist gewähren.

Alle Regeln rund um das Angestellten-Verhältnis basieren hier auf einem «Employee Handbook». Dieses Regelwerk muss regelmässig (mit Hilfe eines Arbeitsrecht-Anwalts) überarbeitet werden. Dieses Handbuch bestimmt das Handeln des HR und ist somit unsere wichtigste Arbeitsgrundlage. Dann gibt es x verschiedene Gesetze, die zu beachten sind. Vor allem mit dem Diskriminierungs-Gesetz kommt das HR immer wieder in Berührung.

Und noch etwas, das für mich sehr schwer nachvollziehbar war: Bewirbt sich ein Mitarbeiter auf eine Stelle, wird oft keine Absage geschrieben, sondern er hört einfach nichts. Dies zum Schutz des Arbeitgebers vor einer möglichen Diskriminierungs-Klage. Auch habe ich schon erlebt, dass sich Leute vorstellten und auch dann keine Absage bekamen. Dies ist für mich schon sehr gewöhnungsbedürftig.

Worauf muss das HR im Umgang mit den Mitarbeitenden achten? Was ist den Mitarbeitenden in den USA wichtig?

Ich glaube, hier gibt es nicht so viele Unterschiede zur Schweiz. Die amerikanischen Mitarbeiter möchten auch stark involviert werden, sich einbringen können und Anerkennung erhalten. Gerade das «Danke-Sagen» hat hier eine grosse Bedeutung. Klar, den Leuten ist der Lohn wichtig. Trotzdem, gerade hier im Süden ist es etwas mehr «laid-back». Werte wie Familie oder Freiwilligen-Arbeit (vor allem auch in der Kirche) sind den Menschen sehr wichtig. Und dann habe ich auch schon gehört, dass für viele Amerikaner ein Einzelbüro das Ziel ist. Das zeigt dann den Status in der Hierarchie der Unternehmung. Generell wird mehr Freude gezeigt, wenn jemand etwas erreicht hat. Sie erzählen öffentlich von ihrer Beförderung, ihrem Erreichten. Ich sehe viel weniger Neid gegenüber anderen, die sich mit Arbeit und Fleiss hoch gearbeitet haben. So wird der «Amerikanische Traum» auch irgendwie täglich gelebt.

Wie wollen die Mitarbeitenden in den USA geführt werden?

Wie bereits oben erwähnt ist es wichtig, sie zu involvieren, mitreden lassen und nicht mit Anerkennung geizen. Auf der anderen Seite fällt mir auf, dass die Mitarbeiter den Hang haben, ein Thema manchmal fast zu zerreden: Es wird analysiert und nochmals analysiert, aber nachher passiert nichts. Dort sehe ich einen Punkt, den es insbesondere für uns Schweizer zu beachten gibt. Diskutieren und analysieren ist gut, aber nachher müssen Actions folgen und diese auch rigoros eingefordert werden. Ansonsten merkt man schnell, dass vieles versandet. Manchmal wird es wirklich mühsam, wenn man immer wieder nachfragen und einfordern muss. Das sind wir uns weniger gewohnt in der Schweiz. Der Amerikaner sagt auch oft nicht wirklich seine Meinung in einer Gruppen-Sitzung, vor allem wenn noch hierarchisch höher gestellte Mitarbeiter anwesend sind. Ich habe es selber erlebt, als wir unsere Ferien-Handhabung ändern wollten. Als ich um ihre Meinung fragte, erhielt ich immer die volle Zustimmung, nie eine echte Kritik. Die kam dann erst, als es wirklich daran ging, die Sache unmittelbar umzusetzen. So mussten wir wieder neue Runden drehen, um dann eine wirklich gute Lösung zu präsentieren. Das war für mich persönlich extrem frustrierend, aber sehr lehrrreich. Lesson learned für mich: Thema im Plenum vorstellen, dann einzeln mit den Entscheidungsträgern zusammen sitzen, um deren Zustimmung zu bekommen und mit dem gewonnenen Feedback das Konzept nochmals überarbeiten.

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