Sommerserie

«In Grossbritannien sind Teilzeitverträge beliebt»

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch für das HR. In unserer Sommerserie stellen wir die Personalarbeit in den unterschiedlichsten Ländern vor. Nicolai Mikkelsen, Direktor bei Michael Page in Zürich, verrät Details aus Grossbritannien.

Herr Mikkelsen, was sind die aktuellen HR-Trends in Grossbritannien?

Nicolai Mikkelsen: Die Rolle des HR ändert sich sowohl in strategischer als auch in operativer Hinsicht. Generell positioniert sich das HR zunehmend als eigenständiger Geschäftspartner innerhalb der Unternehmen. Auf strategischer Ebene bedeutet dies auch den Wandel des HR zu einem Wissenszentrum, in welchem mit Software und Datenanalyse gearbeitet wird. Die Auslagerung hin zu Shared Service Centers, zunehmendes Outsourcing, sowie der Zuwachs von temporären und Interim-Verträgen sind weitere Trends, die auf eine optimale Ressourcenverteilung ausgerichtet sind.

Vor welchen Herausforderungen steht das HR in Grossbritannien langfristig?

Langfristig betrachtet, ist der Mangel an Talenten in Grossbritannien die grösste Herausforderung. Aus dieser Knappheit lassen sich fünf wichtige Trends ableiten:

  • Verlagerung von spezifischen Unternehmensbereichen (z.B. Shared Service Center, Produktion) hin zu Standorten im Ausland, um Zugang zu talentierten Arbeitskräften (z.B. in Indien) zu gewinnen.
  • Neue Aufgabenstellung an das HR, um den quantitativen und qualitativen Bedarf an Talenten in Anbetracht ihrer strategischen Anforderungen zu bewerten und sowohl eine gezielte Rekrutierung als auch die Einbindung von Mitarbeiterprogrammen rund um diese Bedürfnisse weltweit und lokal anzubieten.
  • HR-Experten sollen in Absprache mit der Geschäftsleitung Wertversprechen (value proposition) formulieren, um gezielt die richtigen Zielgruppen (ethnische Gruppen oder Nationalitäten) anzusprechen und die passenden Talente zu motivieren.
  • Vermehrte Rekrutierung von Senioren (z.B. Vorruhestand), um Wissens- und Fachkräftemangel zu kompensieren.
  • Steigender Einsatz von temporären und Interim-Verträgen.

Zur Person

Nicolai Mikkelsen ist Direktor bei Michael Page in Zürich. Zuvor leitete er das Michael Page-Team in Monaco und bekleidete HR-Führungspositionen in London, Singapur und Dänemark in weltweit bekannten Personalberatungen. Er verfügt über 15 Jahre internationale Erfahrung und spezialisiert sich in der Vermittlung von Managern und hochqualifizierten Fachkräften in den Bereichen Finanzdienstleistungen, IT, Marketing und Vertrieb.

Wo hat das HR in Grossbritannien Nachholbedarf?

Viele in Grossbritannien domizilierte Unternehmen wurden durch Akquisitionen gross. Im Verlauf solcher Übernahmen haben einige HR-Abteilungen ganze HR-Systeme übernommen, oder sie kombinierten verschiedene HR-Systeme. Heute stellt dies HR-Experten vor die Herausforderung, übernommene HR-Systeme zu überarbeiten und gleichzeitig zu aktualisieren. Speziell in der Optimierung und Erbringung ihrer Dienste einschliesslich Lohn, Teilzeit bzw. Interimsarbeit, Ausbildung, Bewertung, Talent Acquisition und HR-Analysen. Es überrascht nicht, dass das HR in solchen Situationen gezielt Softwaremassnahmen und Datenanalysen auslagert und diese anderen, auf diese Bereiche spezialisierten Unternehmen anvertraut (etwa die HR-Verwaltung, HR Data Analytics und Benchmarking).

Wie sieht das HR in Grossbritannien im Vergleich zur Schweiz aus?

Der grösste Unterschied liegt in der Stabilität und Flexibilität der Angestellten. In Grossbritannien sind Teilzeit- und Projektarbeitsverträge sehr beliebt und werden oft genutzt. Ausserdem gibt es eine etablierte Industrie, die auf diese Jobs ausgerichtet ist und solche Arbeitsverträge verwaltet und unterstützt – einschliesslich Unternehmen, die sich auf die Rekrutierung von Interim- und Teilzeitarbeitern spezialisiert haben. Dies war in der Schweiz bisher kaum der Fall. Der SNB-Entscheid vom Januar 2015 hat in der Schweiz jedoch zu bedeutenden Veränderungen geführt.

Ein besonders auffallender Unterschied zwischen den Einstellungsverfahren in der Schweiz und in Grossbritannien besteht in der Anzahl persönlicher Informationen, die im Laufe des Rekrutierungsverfahrens verlangt werden. So ist es beispielsweise in der Schweiz normal, Informationen zu Familienstand, Alter und Kinder der Kandidaten einzufordern. In Grossbritannien wäre dies illegal.

Worauf muss das HR im Umgang mit den Mitarbeitenden achten? Was ist den Mitarbeitenden in Grossbritannien wichtig?

Konsequente Integration und konkrete Karrierechancen sind sowohl für die Mitarbeiter als auch für das Management gleichermassen bedeutend. Aus unseren Studien geht hervor, dass die Mitarbeiterbindung ein zentraler Teil der Business- und HR-Strategien vieler Unternehmen ist. Folglich ist für das HR eine Reihe von Massnahmen zur Mitarbeiterbindung matchentscheidend: von der Karriereentwicklung über attraktive Löhne bis hin zu erhöhten Sozialleistungen und Work-Life-Balance (Home Office, Überstundenausgleich sowie Gesundheits-und Wellness-Programme).

Wie wollen die Mitarbeitenden in Grossbritannien geführt werden?

Aus Erfahrung weiss ich, dass Transparenz, verbunden mit echten Entwicklungsmöglichkeiten, sehr wichtig ist. Führungskräfte und Manager sollten daher nicht nur klar über Geschäftsstrategie und Business-Ziele kommunizieren; es braucht ebenso Prozesse, welche Raum für die Mitarbeiterentwicklung innerhalb des Unternehmens schaffen. In diesem Zusammenhang spielen persönliche Entwicklungspläne, konstruktive Gutachten sowie klare und zugängliche HR-Praktiken eine ausschlaggebende Rolle. Im Alltag hilft die zweite Führungsebene bei der Vermittlung von Wertschätzung und der Förderung des Engagements. Folglich sollte das HR sicherstellen, dass Informationen und Unternehmensinitiativen nicht nur aus der Führungsebene, sondern auch von der zweiten Linie verfolgt und umgesetzt werden.

Um Mitarbeitern das Gefühl zu vermitteln, ein massgeblicher Teil des Unternehmens zu sein, sollte das HR Prozesse aufbauen, um Ideen und Vorschläge von Mitarbeitern für Verbesserungs- und Innovationszwecke zu erfassen.

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