«In Israel geschieht vieles kurzfristig»
Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch für das HR. In unserer Sommerserie stellen wir die Personalarbeit in den unterschiedlichsten Ländern vor. Olivier Josefowitz sagt, worauf Personaler in Israel achten müssen.
Olivier Josefowitz lebt seit 2013 in Israel. (Bild: 123RF/Montage: jobindex media ag)
Herr Josefowitz, was sind die aktuellen HR-Trends in Israel?
Olivier Josefowitz: In Israel gibt es über 250 ausländische Forschungs- und Entwicklungszentren in Bereichen wie Hardware, Software, Internet, Medizintechnologie und Agrartechnik. Zahlreiche lokale Start-Ups, sowie auch internationale Firmen wie Intel, Cisco, HP und IBM haben bereits Ende der Neunziger Jahre einen regelechten «War for Talent» um Entwickler entfacht. Dieser hat sich in den letzten Jahren wieder intensiviert. Ein weiterer Trend ist, dass Gewerkschaften und Personalkommissionen auch in den nicht-traditionellen Sektoren an Wichtigkeit gewinnen. Ebenfalls wurde der gesetzliche Mindestlohn signifikant erhöht. Diese Entwicklung bedeutet einen besseren Schutz der Interessen und Rechte der Arbeitnehmenden, hat aber auch einen Einfluss auf die Produktionskosten. Da in Israel, besonders in Landwirtschaft und Technologie, viel Wert auf lokale Produktion gesetzt wird, wird dies sicherlich noch für Diskussionsstoff sorgen.
Vor welchen Herausforderungen steht das HR in Israel langfristig?
Die Entwicklung der Gewerkschaften und Personalkommissionen wird von HR-Profis beobachtet und häufig diskutiert. Es besteht Bedarf, die Zusammenarbeit zwischen den Parteien konstruktiver zu gestallten. Dabei könnte man einiges von der Schweiz lernen.
In Israel sagt man gerne: «Die Welt gehört der Jugend.» Dies hat nicht nur Sonnenseiten: Vermehrt fällt es Arbeitssuchenden in den Altersklassen über 40 schwer, Arbeit zu finden, auch wenn das Phänomen nicht in allen Sektoren gleich ausgeprägt ist. Das Thema wird mittlerweile grossflächig angesprochen, Lösungen sind jedoch noch ausstehend.
Eine weitere wichtige Herausforderung ist der Bedarf an Integration der Peripherie und Diversity. Israel ist ein Einwanderungsland, ein Schmelztiegel mit Menschen unterschiedlicher Bildung und Kultur. Die meisten Arbeitsplätze gibt es um die Wirtschaftsmetropole Tel Aviv herum, mit den entsprechenden sozioökonomischen Konsequenzen. Oftmals haben Firmen daher eher eine homogene Struktur, jedoch gibt es einige herausragende Beispiele von geographischer und gesellschaftlicher Diversität.
Zur Person
Olivier Josefowitz ist seit mehr als 10 Jahren im HR tätig. Der 33-Jährige hat in Genf Betriebswirtschaft studiert und war bei IBM in Genf und Zürich in unterschiedlichen HR-Funktionen tätig. Seit 2013 lebt er in Israel und arbeitet für RISCO Group als Global HR Business Partner.
Wo hat das HR in Israel Nachholbedarf?
Israelis sind stark in Innovation und Spontanität, jedoch weniger im langfristiges Denken und der Planung. HR kann sich zukünftig mehr darin engagieren, Mitarbeitende und das mittlere Management auf den Bedarf von Planung, insbesondere im internationalen Geschäft, aufmerksam zu machen.
Weiter fällt es vielen Firmen schwer, sich beim Talent Management auf die Top Talents zu konzentrieren und zum Beispiel einen gewissen Prozentsatz als Top Talents zu definieren. Dies aus Sorge darüber, wie sich dies auf den Rest der Mitarbeitenden auswirken würde. Konsequenterweise gibt es vor allem Events und Aktivitäten für das gesamte Team oder gar alle Mitarbeitenden einer Firma. Das HR sollte in Zukunft Wege finden, in Top Talents zu investieren, insbesondere um die Talentbindung zu fördern und um die nächste Generation der Führungskräfte zu entwickeln.
Wie sieht das HR in Israel im Vergleich zur Schweiz aus?
Die israelische Arbeitskultur, welche ein Spiegel der gesamten mediteranen/nahöstlichen Kultur ist, ist natürlich stark von der informellen und kontinuierlichen Interaktion geprägt. Einen Fortschritt in einem Projekt ereicht man insbesondere dann, wenn man sich persönlich in Arbeitsgruppen trifft oder kurz ans Pult des Kollegen geht. Deshalb glauben Arbeitgeber, und insbesondere das HR, stark an die Kraft der Präsenz. Zum Beispiel ist es nicht sehr üblich, dass Mitarbeitende regelmässig von zu Hause aus arbeiten. Ein weiterer Hauptunterschied ist sicherlich der Hang zur Kurzfristigkeit, Spontanität und Improvisation. Die Kurzfristigkeit spiegelt sich sogar in der Lohnberechnung wieder: So ist ausschliesslich vom Monatslohn die Rede und nicht vom Jahreseinkommen.
Worauf muss das HR im Umgang mit den Mitarbeitenden achten? Was ist den Mitarbeitenden in Israel wichtig?
Grundsätzlich ist HR sehr nahe an den Mitarbeitenden. Der Umgang ist sehr persönlich. In den letzten Jahren hat die Teuerung in Israel in einem sehr starken Ausmass zugeschlagen. Deshalb ist es vielen Mitarbeitern wichtig, zusätzliches Einkommen oder Sozialleistungen (wie Vergünstigungen, Lunch-Checks, Feiertagsgeschenke, Hotelübernachtungen, usw.) zu erhalten. Diese Sozialleistungen sind mittlerweile sehr beliebt und werden in zahlreichen Firmen entweder allen Mitarbeitenden oder leistungsbezogen angeboten.
Wie wollen die Mitarbeitenden in Israel geführt werden?
Israelis wollen gerne frei sein in der Umsetzung ihrer Arbeit. Während Methoden in verschiedenen Berufsgruppen existieren und bekannt sind, bevorzugen es die Israelis, diese Methoden nur dort einzusetzen, wo sie für den Projekterfolg wirklich als nützlich angesehen werden. Ansonsten gilt der schnellste Weg oft als der Beste.