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Der Aufstieg der Software zur Überwachung von Arbeitsplätzen

Die Digitalisierung von Organisationen verändert die Arbeitsweisen, aber auch die Art und Weise, wie sie überwacht werden. Mitarbeiterüberwachungs-Apps («Bossware») entfachen die Debatte zwischen Kontrolle und Vertrauen neu.

Unabhängig davon, ob es sich um die Überprüfung des Ergebnisses der ausgeführten Arbeit, der Anwesenheit am Arbeitsplatz oder der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen handelt, die Inspektion war immer ein integraler Bestandteil der Arbeit, in einer mehr oder weniger formalisierten Weise (von Vorgesetzten, die im Grossraumbüro herumlaufen, bis hin zur klassischen Stechuhr). Auch spielte die Technologie schon immer eine Rolle bei der Kontrolle am Arbeitsplatz, wie die Entwicklung von der Stempelkartenuhr zu einem vollständig digitalisierten Prozess zeigt. Die Digitalisierung führte zu neuen Überwachungsmethoden, die die veränderten Arbeitsweisen widerspiegeln. Zum einen wird zunehmend mit digitalen Werkzeugen gearbeitet, die es ermöglichen, kontinuierlich eine grosse Menge an Daten zu generieren, die zu Kontrollzwecken eingesehen und nachverfolgt werden können. Auf der anderen Seite wird zunehmend virtuell gearbeitet, was klassische Steuerungsmethoden wie das Herumlaufen im Grossraumbüro oder die Stechuhr obsolet machte. Beides zusammen erklärt den Aufstieg der Software zur Überwachung von Arbeitsplätzen.

Was ist «Bossware»?

Mitarbeiterüberwachungssoftware (auch «Bossware» genannt) ist ein Werkzeug, das von Organisationen eingesetzt wird, um die Aktivitäten und das Verhalten des Personals am Arbeitsplatz zu überwachen, um ihre Arbeit zu kontrollieren, den Vorschriften zu entsprechen und die Arbeitsprozesse kontinuierlich zu verbessern. Sie erlaubt es, zu überprüfen, ob die Mitarbeitenden ihre Arbeit tatsächlich in Übereinstimmung mit den vertraglichen und rechtlichen Bedingungen erledigen. In der Praxis kann «Bossware» für zwei Hauptaufgaben eingesetzt werden: die Erfassung der Arbeitszeit der Mitarbeitenden und die Überprüfung, ob sie ihre Arbeit tatsächlich erledigen. Es ist möglich, die Arbeitszeit der Mitarbeitenden zu kontrollieren, indem die Login-Daten mit den Nutzungsdaten der Software abgeglichen werden. Die Überprüfung, ob die Mitarbeitenden ihre Arbeit tatsächlich erledigen, kann durch den Vergleich von Software-Nutzungsdaten, das Erstellen zufälliger Screenshots, mit Tastatur-Logbüchern zur Zählung der Anzahl der pro Minute eingegebenen Zeichen oder durch die Überwachung der im Internet besuchten Websites erfolgen. «Bossware» kann daher sehr aufdringlich wirken.

Rechtliche und ethische Fragen

Auf rechtlicher Ebene wirft die Überwachung des Personals Fragen zum Datenschutz, zum Einverständnis der Mitarbeitenden und ganz allgemein zur Verhältnismässigkeit auf. Auf ethischer Ebene ist die Frage nach dem Schutz der Privatsphäre zentral, zumal «Bossware» im Kontext von Homeoffice weit verbreitet ist. Zudem stehen die Themen Autonomie und Vertrauensbruch (oder gar Kultur des Misstrauens) im Zentrum der Debatte. Hinzu kommen Risiken im Zusammenhang mit dem erhöhten Druck, ein hohes Produktivitätsniveau aufrechtzuerhalten, und den Folgen für die Gesundheit der Mitarbeitenden. All diese Fragen stellen sich bezüglich der Regulierung und der Ethik von Überwachungstechnologien am Arbeitsplatz.

Überwachung führt zu Widerstand

Wie jedes Kontrollwerkzeug führt auch «Bossware» zu Widerstandsmechanismen aufseiten der Mitarbeitenden, die dieser Überwachung kritisch gegenüberstehen. Das reicht vom Sticker, der die Webcam abdeckt, über Apps oder Geräte, die Mausbewegungen imitieren, bis hin zur Deaktivierung von Standortdaten auf den Devices oder der Verwendung des Flugmodus.

Im Zeitalter der Telearbeit und der zunehmenden Digitalisierung beruflicher Tätigkeiten befindet sich die Software zur Mitarbeiterüberwachung auf dem Vormarsch. Auch wenn ihre Implementierung als eine attraktive Lösung erscheinen mag, um Produktivität und Compliance sicherzustellen, ist es wichtig, sich der potenziellen Risiken bewusst zu sein, die sie in Bezug auf Vertrauensverlust und kontraproduktives Verhalten darstellen. Die Nutzung von «Bossware» erfordert deshalb einen ausgewogenen und durchdachten Ansatz.

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Justine Dima

Justine Dima ist ­Associate Professor an der Hochschule of Engineering and ­Management des Kantons Vaud (Heig-VD).

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Bertrand Audrin ist Assistenzprofessor an der EHL Hospitality Business School. Seine Forschungsthemen konzentrieren sich auf die Digitalisierung und die damit verbundenen Transformationen für Organisationen, die HR-Funktion und die Mitarbeitenden.

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