Porträt

Der HR-Vernetzer

Bei rund 1900 Mitarbeitenden aus 65 Nationen muss Karsten Bugmann den Überblick behalten. Sein Arbeitgeber scheint geradezu ein Paradebeispiel für die täglich gelebte Diversität zu sein. Für den HR-Leiter des Paul Scherrer Instituts findet Mitarbeiterführung deshalb vor allem im emotionalen ­Bereich statt. Weil dies Vernetzung, Empathievermögen und Authentizität erfordert, sieht er sich auch als Trainer, Coach und Mentor.

Karsten Bugmann sieht täglich ein gestrandetes UFO – meist zur gleichen Zeit und am selben Ort. Der Personalchef des Paul Scherrer Instituts leidet nicht unter Wahrnehmungsstörungen – er ist lediglich an seinem Arbeitsort angelangt. Das vermeintliche UFO sei zwar eine architektonische Besonderheit, «aber trotzdem nur eine Forschungseinrichtung, die zum PSI gehört», erklärt er augenzwinkernd.

PSI – das ist die von der Belegschaft verwendete Kurzform, wenn vom Institut die Rede ist. Aber auch der vorletzte Buchstabe des griechischen Alphabets, der gemeinhin für die Umschreibung psychologischer Phänomene herangezogen wird. Und mit genau diesen beschäftigt sich Bugmann beruflich seit mehr als 20 Jahren. Zunächst als Lehrer: «Nach Abschluss des Lehrerseminars wollte ich mein frisch erworbenes Wissen weitergeben und mit Freude unterrichten.» Doch der heute dreifache Familienvater hatte nicht das Ziel, «40 Jahre ununterbrochen bis zur Pensionierung zu unterrichten».

So nahm er, 26-jährig, an der Universität Zürich ein Jura-Studium in Angriff und wagte nach dem Abschluss im Jahr 2000 den Einstieg ins HR. Als Leiter Personal und Recht ar­beitete er die folgenden sechs Jahre für das Kantonsspital in Baden: «Im KSB ging ich in die HR-Lehre», resümiert der leidenschaftliche Milizpolitiker, der für die sozialdemokratische Partei Einsitz in der Gemeindeexekutive seines Wohnorts hatte. Um sein HR-Know-how zu festigen, bildete er sich an der Fachhochschule Nordwestschweiz weiter und erlangte 2003 einen MBA im Bereich Personalmanagement.

Zur Person

Ursprünglich Primar-, Real- und Sportlehrer, hat der Aargauer Karsten Bugmann (46) an der Universität Zürich Jura studiert und sich 2003 an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten zum Executive Master of Human Resources Management weitergebildet. Hinzu kam die Coaching-Ausbildung bei Trigon und aktuell ist er beim Institut für Mensch und Organisation (IMO) für eine Ausbildung in Horizontal Leadership. Bugmann arbeitete bis 2006 sechs Jahre als Leiter Personal und Recht bei der Kantonsspital Baden AG, war danach rund anderthalb Jahre lang Leiter der Personaldienste bei der Solothurner Spitäler AG und leitete ­zuletzt das Personalmanagement Schweiz bei Georg Fischer Pipings Systems. Der Vater von drei Söhnen wohnt in der Region Brugg-Windisch, wo er sich stark im Non-Profit-Bereich engagiert.

Eine Schuhnummer zu gross

Nach den Lehrjahren folgen für gewöhnlich die Wanderjahre. Voller Elan nahm Bugmann ab 2006, während rund anderthalb Jahren, die Herausforderung in Angriff, den Personaldienst bei den damals frisch fusionierten Solothurner Spitälern aufzubauen – und brach das Experiment ab: «Diese Herausforderung war eine Schuhnummer zu gross für mich», gesteht der sportliche Mitvierziger selbstkritisch. «Umgebung und Unternehmenskultur haben mir nicht entsprochen – und mein Körper hat mich dann ausgebremst.» Bugmanns Motor war ausgebrannt und er musste die Weichen anders stellen, um wieder in Fahrt zu kommen. «Diese einschneidende Erfahrung hat mir klar gemacht, welches Umfeld und welche Kultur ich brauche, damit ich erfolgreich arbeiten kann.»

Bei Georg Fischer in Schaffhausen fand er beides vor. Als Leiter des Personalmanagements für die Schweiz und als Standortpersonalchef am Konzernsitz – in Personalunion. Im global tätigen Industriebetrieb lernte er, welchen Schub klare und optimierte Prozesse wie beispielsweise KVP und Kaizen einer Unternehmenskultur verleihen können. Als der Konzern aufgrund der Pleite von Lehmann Brothers jedoch fast 40 Prozent seines Umsatzes einbüsste, wurde Bugmann auch mit den weniger angenehmen Seiten der HR-Profession konfrontiert: «Ich ging durch das Stahlbad diverser Standortschlies­s­ungen, musste Kurzarbeit einführen und Massenentlassungen koordinieren.»

Ein richtiger Multikultibetrieb

Strukturen und Prozesse bilden für Karsten Bugmann auch heute noch die solide Basis für ein zeitgemässes HR-Management: «Aber HR-Profis müssen vor allem den Menschen hinter dem Mitarbeitenden sehen, gut zuhören und entsprechend reflektiert handeln können», schränkt er mit Nachdruck ein. «Erst durch gutes Zuhören finde ich heraus, wo der Schuh wirklich drückt – und kann dann den Hebel auch am richtigen Ort ansetzen.» Psyche und Seele dienen hier als Wegweiser und Indikatoren im Problemlösungsprozess.

Bei einer Belegschaft von rund 1900 Mitarbeitenden, verteilt auf 65 Nationen, ist Bugmann gefordert. Das Forschungszentrum bezeichnet er als «Schmelztiegel der Diversität auf kleinstem Raum». Aus der Landwirtschaft wisse man ja, dass Monokulturen wenig ökologisch und nachhaltig seien. Das Paul Scherrer Institut ist denn auch alles andere als eine ­Monokultur. Rund die Hälfte der Mitarbeitenden zählen zum wissenschaftlichen Personal. Dieses wiederum setzt sich zusammen aus Studenten, Doktorierenden, Postdoktorierenden, befristet und festangestellten Wissenschaftlern und Gastforschern aus dem In- und Ausland. Damit die komplexe Infrastruktur einer Forschungsstätte überhaupt funktioniere, kümmere sich die andere Hälfte der Belegschaft um die technische, logistische und administrative Infrastruktur. Dazu kommt das Miteinander der Generationen.

Doch damit ist das Thema Diversität noch längst nicht ausgeschöpft: «Ein Viertel unserer Mitarbeitenden sind Frauen, 46 Prozent der Angestellten ausländische Staatsbürger.» Von den Wissenschaftlern hätten gar über 80 Prozent keinen Schweizer Pass. «Wir sind ein richtiger Multikultibetrieb», so Bugmann. «Die Forschung und die englische Sprache bilden den gemeinsamen Nenner und die PSI-Kultur den Kitt, der alles zusammenhält.»

Gerade die unterschiedlichen heimatlichen Kulturen gestalten die tägliche Zusammenarbeit nicht immer problemlos: «Menschen werden je nach Herkunft und Kultur anders sozialisiert und gehen darum meist auch unterschiedlich mit Problemen um.» Ein Asiate habe im Gegensatz zu einem Schweizer in der Regel mehr Mühe, sich ein Versagen einzugestehen, «da das in seiner Kultur mit einem Gesichtsverlust einhergeht». Trotzdem ist der HR-Chef davon überzeugt, dass die Diversität dem PSI Vorteile bringt. Forschung sei dem von der Diversität lebenden Fussballgeschäft sehr ähnlich: «Auch in unserem Geschäft spielen nur die am besten aufgestellten Teams erfolgreich.»

In der Champions League mitspielen

«Wir wollen in der wissenschaftlichen Cham­pions League mitspielen. Unsere Forschungsmannschaft rekrutieren wir deshalb rund um den Globus», erklärt Bugmann. Auf der Suche nach vielversprechenden Forschenden spiele die Vernetzung der Wissenschaftler eine tragende Rolle: «Unsere Akademiker bilden mit anderen Forschern eine weltweite Community – und nutzen alle Kommunikationskanäle um geeignete Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen.» In Frage kommende Bewerber hätten dann vor einem Search Committee, bestehend aus internen und gegebenenfalls externen Experten sowie einem Personalverantwortlichen, über ihr Themen­gebiet zu referieren: «Geht es um die obersten Kaderpositionen, vertrete ich das HR.» Das Search Committee gibt dem künftigen Linienvorgesetzten eine Empfehlung ab. Kandidaten für Kaderpositionen durchlaufen zusätzlich ein externes Assessment.

Beim technischen Personal sehe die Lage anders aus: «Techniker rekrutieren wir regional, auch aus dem süddeutschen Raum. Doch hier haben wir im Kampf um die Talente im ­näheren geografischen Umkreis gewichtige Mitbewerber – wie beispielsweise die in Birr und Baden angesiedelten Technologiekonzerne ABB und Alstom.» Als Forschungsinstitut, das zum eidgenössisch finanzierten ETH-Bereich gehört, habe das PSI jedoch ein Ass im Ärmel: «Wir sind dem Markt weniger ausgesetzt, weil wir keine Produkte unmittelbar verkaufen oder exportieren müssen. So können wir längerfristig planen und eine höhere Arbeitsplatzsicherheit anbieten.»

Am PSI setzt man nicht nur auf Netzwerke, wenn vielversprechende Forschende rekrutiert werden sollen, sondern auch dann, wenn es darum geht, neue Mitarbeitende zu integrieren oder auf die Work-Life-Balance der Belegschaft zu achten. Dazu trage etwa der hauseigene Sportclub bei. Doch Bugmann hat noch weitere Pfeile im Köcher: «Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, haben wir auf dem Institutsgelände einen Kinderhort und einen Kindergarten errichtet, wo der Nachwuchs unserer Angestellten professionell betreut wird.» Für temporäre Mitarbeitende aus aller Welt habe es ein Gäste­haus, sowie diverse möblierte Wohnungen in der näheren Umgebung des PSI.

Damit das auch so bleibe, «vertreten diverse Kommissionen und Komitees die Interessen unserer Mitarbeitenden gegenüber der Geschäfts­leitung». Neben der üblichen Personalkommis­sion gebe es die «Women’s Group», die mithelfe, die Lebenspartner der ausländischen Mitarbeitenden möglichst schnell in der Schweiz zu integrieren. Nicht zu vergessen sei das Komitee für Chancengleichheit. Das PSI wolle unter anderem «jungen motivierten Frauen, die den Wieder­einstieg nach einer familienbedingten Pause suchen, gezielte Perspektiven und Qualifikationsmöglichkeiten anbieten». So schaffe man eine Möglichkeit, die Karrierechancen von Frauen in Forschung und Technik zu verbessern.

Von der Wiege bis zur Bahre

Um all das zu bewerkstelligen, steht Karsten Bugmann ein gut zwanzigköpfiges Team zur Verfügung, darunter fünf Personalleiterinnen, die mit ihren Assistentinnen die jeweiligen Bereiche betreuen: «Wir segregieren unsere Arbeit nicht. Die zuständigen Personalprofis begleiten Führungskräfte und Mitarbeitende sozusagen von der Wiege bis zur Bahre, sprich von der Rekrutierung bis zum Austritt nach dem Prinzip ‹one face to the customer›.» HR-Boss Bugmann ist «extrem stolz» darauf, dass «wir am PSI Kernprozesse, wie strategisches Personalmanagement, Personalgewinnung, aber auch Personalerhalt definiert haben – und so genau wissen, welchen Reifegrad wir in welchem Prozess haben». Es sei grundlegend, gut organisiert zu sein, aber auch die «richtigen» Leute zu haben und diese in Ruhe arbeiten zu lassen.

Seine eigene berufliche Wiege hat Karsten Bugmann übrigens nicht vergessen. Was er als junger Lehrer gerne gemacht hat, nämlich unterrichten, das tut er auch heute wieder regel­mässig – unter anderem als Dozent an der Führungsschule für Spitäler (H+) in Aarau.

Das in den aargauischen Gemeinden Würenlingen und ­Villigen angesiedelte Paul Scherrer Institut (PSI) ist nach dem Schweizer Physiker benannt und gehört zum ETH-Bereich. Es entwickelt, baut und betreibt Forschungsanlagen, die es auch der internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung stellt. Forschungsschwerpunkte sind Materie, Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Das grösste ­Forschungsinstitut der Schweiz für ­Natur- und Ingenieurwissenschaften ­beschäftigt 1900 ­Mitarbeitende. Das Jahresbudget betrug 2013 rund 350 ­Millionen Franken.

 

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