Der Kommunikative
Was es heisst, Menschen zu führen, weiss Markus Dieth aus eigener Erfahrung als Partner bei einer Anwaltskanzlei, Gemeindeammann von Wettingen und Departementsvorsteher beim Kanton Aargau. Wichtig ist ihm dabei vor allem eins: eine wertschätzende Kommunikation.
«Dass Mitarbeitende im Homeoffice oder Teilzeit arbeiten wollen, ist noch nicht bei allen Führungskräften angekommen.» Markus Dieth, Vorsteher des Departements Finanzen und Ressourcen, Kanton Aargau. (Fotos: HR Today)
Ein Politiker wie Markus Dieth steht oft im Scheinwerferlicht. Die Bodenhaftung hat der Vorsteher des Departements Finanzen und Ressourcen (DFR) und damit Verantwortlicher für das HR des Kantons Aargau mit rund 5000 Verwaltungsangestellten im Verlauf seiner politischen Karriere nicht verloren. Er ist volksnah und interessiert sich für seine Mitarbeitenden. «Ich will wissen, was sie leisten.» Nach seinem Amtsantritt als Gemeindeammann in Wettingen 2008 geht er in allen Abteilungen vorbei und steht schon mal als «Müllmann» hinten auf dem Wagen.
Auch in seiner Funktion als Regierungsrat des Kantons Aargau ist sich Dieth zehn Jahre später nicht zu schade, mit anzupacken. Er hilft einem Aargauer Bauern beim Kuhstallausmisten, wirkt im operationellen HR mit oder begleitet Applikationsentwickler beim Programmieren eines Steuererfassungstools. Mittlerweile hat er alle der rund 30 Sektionen des Departements besucht. Für die Arbeit der Kantonsmitarbeitenden findet er lobende Worte: «Sie erbringen mit grosser Bescheidenheit eine hervorragende Leistung. Darüber wird aber in der Öffentlichkeit nicht geredet.»
Keine Berührungsängste
Während er gegenüber seinen Mitarbeitenden keine Berührungsängste kennt, sind sich nicht alle gewohnt, mit einem Regierungschef so nah in Kontakt zu kommen: «An einer Lunch-Lotterie wurde mir einmal eine Mitarbeiterin zugeteilt. Sie war sehr nervös», erzählt Dieth mit einem Schmunzeln. «Das war für mich überraschend, ich sehe mich ja nicht so unnahbar.» Das von Dieth angebotene Duzis brach das Eis. «Es ist aus ihr dann nur so hervorgesprudelt.»
Sich alle vier Jahre zur Wahl zu stellen, ist nicht jedermanns Sache. Als Dieth seine langjährige Anwaltstätigkeit 2007 aufgibt und sich zum Gemeindeammann in Wettingen wählen lässt, stellt sein Umfeld diese Neuausrichtung infrage. Doch davon lässt sich Dieth nicht abhalten. Er folgt seinem Herzen und lässt sich auf das neue Abenteuer ein. «Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und mit der gesamten Gemeinde einfach noch etwas mehr ‹Klienten›», sagt er lachend.
In gänzlich unbekannte Gewässer begibt er sich damit nicht: Parallel zu seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits sechs Jahre politische Erfahrung gesammelt: als Einwohnerrat, als Präsident der Finanzkommission und als Gemeinderat in Wettingen. «Der Sprung vom Gemeinderat zum Gemeindeammann war nicht mehr gross.» Das Risiko bei einer Nichtwahl vor dem Nichts zu stehen, war für Dieth vernachlässigbar. «Ich konnte mich der Wahl unverkrampft stellen. Bei einer Nichtwahl hätte ich als Anwalt weitergearbeitet. Ich war ja nicht auf der Flucht.» Zudem habe man ja auch in einer Firma nicht die Sicherheit, vier Jahre lang bleiben zu können.
Als Gemeindeammann und Gemeinderat pendelt Markus Dieth zwischen einer Exekutivvertretung der Gemeinde und Parteivertretung im Parlament und vertritt damit verschiedene Funktionen und Perspektiven. Das ist nicht immer einfach: «Bin ich als Gemeindeammann aufgetreten, durfte ich nicht als Parlamentarier argumentieren. Ich musste mir stets bewusst sein, in welcher Funktion ich mich im Parlament befinde.» Seine Aufgabe? Die Gemeinde modernisieren und das in direktem Kontakt zu den Bürgern. Mit allen Vor- und Nachteilen: «Eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit war kaum zu bewerkstelligen. Auch beim Einkaufen wurde ich auf alle möglichen Dinge angesprochen. Etwa auf einen zu reparierenden Spielplatz im Quartier.»
Trotz der engen Verbundenheit mit seiner Wahlheimatgemeinde zieht er nach zehn Jahren weiter: «Ich wollte mit 50 Jahren nochmals etwas Neues machen. Dem Kanton Aargau zu dienen, hat mich gereizt.» Als er von der Kantonspartei angefragt wird, für das Amt des Regierungsrats zu kandidieren, ist sein Entscheid gefällt. Der Abschied von Wettingen ist nicht leicht: «Es ist rührend, wenn man merkt, dass man einen nicht gerne ziehen lässt.» Noch heute verfolgt er das Geschehen an seinem Wohnort: «Kürzlich wurde das Sportzentrum Tägi eingeweiht, ein Projekt, das ich über meine ganze politische Karriere in allen Hochs und Tiefs begleitet habe.» Deshalb freue er sich umso mehr darüber, als Altgemeindeammann zur Eröffnung eingeladen worden zu sein.
Kommunikation als A und O
Der Wechsel von der Gemeinde zum Kanton bringt für ihn neue Herausforderungen. Zunächst ein Haushaltsdefizit von 250 Millionen Franken. Das spornt ihn an. «Wir mussten Millionen sparen und gleichzeitig unseren Grundauftrag eines funktionierenden Staats erfüllen.» Innert zwei Jahren ist das fast schon Undenkbare geschafft: «Wir haben den Finanzhaushalt des Kantons merklich stabilisiert, Schulden von rund 400 Millionen Franken zurückgezahlt und 250 Millionen Franken für schlechte Zeiten in die Ausgleichsreserve gelegt.»
Sein Erfolgsrezept? «Eine klare Analyse, eine langfristige Planung und transparente Kommunikation. Wir haben Meilensteine gesetzt und dem Parlament regelmässig rapportiert, wo wir stehen und was wir unternehmen.» Dazu hätten alle Departemente Vorschläge gebracht, wo wiederkehrend gespart werden könne. «Wir haben Entwicklungsschwerpunkte fixiert, sie den Medien bekannt gemacht, auf der Website publiziert und in Newslettern den Bürgern aufgezeigt. «Das gab Vertrauen und Zuversicht. So konnte niemand sagen, dass wir nichts machen.»
Der neugewonnene finanzielle Handlungsspielraum soll die Digitalisierung der kantonalen Verwaltung mit dem Programm «SmartAargau» vorantreiben und damit die kantonalen Dienstleistungen für Bürger und die Wirtschaft vereinfachen – von der Abmeldung bei einem Umzug über eine Fristerstreckung bei den Steuern bis hin zur digitalen Schalteranlaufstelle für alle Standardbegehren. «Bis in fünf Jahren sollen keine Daten mehr von Hand übertragen werden», so Dieth. Von dieser Entwicklung sind nicht nur das HR und die 650 Mitarbeitenden von Dieths Departement betroffen, sondern alle 5000 Angestellten im Kanton. Für den Departementsvorsteher hat die neue HR-Strategie deshalb oberste Priorität.
Eine Verwaltung im Umbruch
Der Aufbruch der Verwaltung bedingt, die bisherigen HR-Prozesse zu überprüfen. Daneben wurden das strategische HR und die kantonseigene Immobilienverwaltung mit dem Projekt «Neue Arbeitswelten» betraut, um Bürokonzepte zu entwerfen, die den künftigen Anforderungen der Verwaltung in der Zusammenarbeit gerecht werden. Ausserdem sollen alle Mitarbeitenden mit Geräten wie Laptops oder Mobiltelefonen mobil arbeiten können. Um den Wandel zu bewältigen, ist aber vor allem eine Kulturveränderung nötig: «Dass Mitarbeitende im Homeoffice oder Teilzeit arbeiten wollen oder sollen, ist noch nicht bei allen Führungskräften angekommen», sagt Markus Dieth. Für die neuen Arbeitswelten brauche es deshalb ein neues Führungsverständnis und Vertrauen in die Mitarbeitenden.
Dabei stellen sich für Dieth viele rechtliche Fragen – etwa, ob Führungskräfte und Mitarbeitende selbst regeln können, wie und wo sie arbeiten, oder ob es hierzu Richtlinien oder sogar Verträge braucht. Um innovativer zu werden, möchte Dieth zudem hierarchische Mauern niederreissen: «Mitarbeitende an der Front wissen vielfach, was man verbessern könnte. Wir müssen ihren Mut wecken, damit sie ihre Vorschläge äussern und Vorgesetzte das auch zulassen.» Das fördere die Identifikation mit der Verwaltung. «Diesen Geist müssen wir nun in alle Departemente hinaustragen, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein.»
Markus Dieths Arbeitstage sind lang. Nebst seiner Tätigkeit als Departementsvorsteher vertritt er den Kanton Aargau in verschiedenen Angelegenheiten, beispielsweise als Mitglied des Verwaltungsratsausschusses der Schweizer Salinen AG, als Regierungsvertreter bei der Konferenz der Kantone, der Finanzdirektorenkonferenz oder der Konferenz der Landwirtschaftsdirektoren. Seine verschiedenen Tätigkeiten bringt Markus Dieth trotz Zeitknappheit dennoch alle unter einen Hut. «Man muss Prioritäten setzen und eine gute Planung haben.» Doch das hat seinen Preis. So erledigt er auch am Wochenende viele Arbeiten, die unter der Woche liegengeblieben sind. «Ich arbeite meist auch an den Wochenenden früh morgens, damit ich für meine zwei Töchter und meine Frau da sein kann, wenn sie wach sind.»
Zur Person
Seine juristische Karriere beginnt der 27-Jährige 1994 in einer Anwaltskanzlei in Baden, bevor er 1996 das Anwaltspatent ablegt und 1997 Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Zurzach wird. 1999 wird er Partner in einer Anwaltskanzlei in Baden. Nebenbei ist er politisch aktiv: 2001 wird er in Wettingen in den Einwohnerrat gewählt, 2002 wird er Präsident der Finanzkommission und 2006 Gemeinderat.
2007 gibt der mittlerweile 40-Jährige seine Anwaltstätigkeit auf und wird Gemeindepräsident in Wettingen, der grössten Gemeinde im Kanton Aargau. Es folgen weitere politische Ämter wie die Mitgliedschaft im Grossen Rat des Kantons Aargau und schliesslich das Amt des Grossratspräsidenten im Jahre 2015, als «höchster Aargauer».
Seit 2017 ist er Vorsteher des Departements Finanzen und Ressourcen des Kantons Aargau und Verantwortlicher für das HR der kantonalen Verwaltung. Um sich zu erholen, erkundet der 52-Jährige mit seiner Harley Road King in den Sommerwochen den Kanton Aargau und trainiert im Fitnesszentrum. Markus Dieth ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt mit seiner Familie in Wettingen.
Wie beginnen Sie Ihren Arbeitstag?
Zu Hause mit Kaffee und Müesli bei der Zeitungslektüre. Ich stehe um 5:30 Uhr auf und verlasse das Haus um 6:15 Uhr. Im Büro bin ich jeweils spätestens um 7 Uhr.
Ihre Mittagspause verbringen Sie …
Idealerweise zwei- bis dreimal die Woche im Fitness, dann esse ich meist nur eine Banane. Sonst gehe ich gerne mit Mitarbeitenden in unser Personalrestaurant. Öfters auch Zmittag bei Sitzungen mit einem Sandwich.
Wie viele Stunden arbeiten Sie täglich?
Meine Arbeitsstunden zähle ich nicht. Ich bin meist um 7 Uhr im Büro und abends um 20 Uhr wieder zu Hause. Bei Abendveranstaltungen kann es auch mal 23:00 Uhr werden.
Ihre letzte Tat des Tages?
Ich wünsche meiner Frau eine gute Nacht.
Ein Tag im Leben von Markus Dieth:
- 5:30 Uhr: Tagwache.
- 7:00 Uhr: Arbeitsbeginn im Büro, anschliessend Rapporte, Sitzungen, Steuerungsgruppen, Sektionsbesuche, auch mal ein Tag als Landwirtschaftsdirektor draussen auf dem Feld.
- 12:00 Uhr: Mittagspause – im Fitness oder bei einem Mittagessen mit Mitarbeitenden oder aber bei Sitzungen.
- 13:15 Uhr: Je nach Wochentag Kommissionssitzungen, Grossratsdebatten, Regierungsratssitzungen oder an einer Direktorenkonferenz in Bern.
- 16:00 Uhr: Beispielsweise der Besuch eines Unternehmens oder eines Landwirtschaftsbetriebs.
- 18:00 Uhr: Verbandssitzung oder Referat an einem Anlass.