«Die 7 häufigsten Arbeitgeberfragen zum Wert der Erfahrung im Beruf»

Ältere Mitarbeitende verfügen über sehr viel Erfahrung, welche das Rückgrat der betrieblichen Handlungskompetenz gerade in Zeiten des permanenten Wandels bildet. Arbeitgeber sind gut beraten, diese Erfahrung in ihre Personalentwicklungskonzepte einzubauen.

1. Was ist eigentlich Erfahrung?

Erfahrung ist die Anwendung vorhandenen Wissens. Durch Anwendung wird Wissen erst in Kompetenz umgewandelt, also in die Fähigkeit, mit neuen Situationen und bisher unbekannten Handlungsanforderungen erfolgreich umgehen zu können.

2. Was macht Erfahrung wertvoll?

Die Menge der Anwendungen von Wissen, ihre Vielfalt, ihre Komplexität und die laufende Reflexion der Anwendungen und ihrer Resultate. Das muss natürlich auf aktuellstem Wissen basieren. Mitarbeitende ab einem gewissen Alter nicht mehr mit neuem Wissen zu versorgen (sie z.B. bei Weiterbildungen nicht mehr zu berücksichtigen) macht vorhandene Erfahrung wertlos, und bei wichtigen (und insbesondere bei gescheiterten) Projekten auf eine Nachbearbeitung zu verzichten heisst, vorhandene Chancen zum Erfahrungs- und Kompetenzaufbau nicht nutzen. 

3. Steht die Routine älterer Mitarbeitender nicht Neuerungen im Weg?

Nein, für Routine gilt grundsätzlich ebenfalls das oben Gesagte. Routine ist die Fokussierung auf eine bestimmte Art der Anwendung und Umsetzung von Wissen, die sich als «best practice» herauskristallisiert hat, in einer gegebenen Situation. Solche festgelegten Vorgehensweisen sind insbesondere in Tätigkeitsfeldern mit hohen Sicherheitsanforderungen unverzichtbar (Betrieb von Kernkraftwerken, Flugverkehr etc.). Und gerade hier sind die Berücksichtigung des aktuellsten Wissens und die Reflexion/Nachbearbeitung des Ablaufes und der Resultate von fundamentaler Bedeutung, da sich Situationen und Rahmenbedingungen immer ändern können.

4. Sind Erfahrung und Routine nicht vergangenheitsbezogen und damit in Zeiten permanenten Wandels unbrauchbar?

Das Gegenteil ist der Fall: richtig gepflegte Erfahrung macht handlungsfähig gerade in ungewohnten Situationen. Und: Erfahrung ist nicht kurzschlussartig mit dem Alter verknüpft. Ein mit dem Umgang mit neuen Technologien und Kommunikationsmitteln vertrauter, weil damit aufgewachsener, junger «Digital Native» leistet seinen Beitrag genauso wie ein älterer Mitarbeiter, der die möglichen Fallstricke in der vernetzten Umsetzung eines komplexen Grossprojektes schon aus mehrmaliger Erfahrung kennt.

5. Haben Erfahrung und Routine in der Hektik einer globalisierten Wirtschaft überhaupt noch Platz?

Dieser Einwand wird nicht wahrer dadurch, dass er häufig vorgebracht wird. Er verkennt, worauf die Handlungsfähigkeit der Akteure in der globalisierten Wirtschaft wirklich basiert: nicht auf Wissen allein, sondern auf dessen Anwendung in verschiedensten Situationen. MBA-Wissen allein macht noch keinen Erfolg, das haben einige Firmen zum Teil schmerzlich lernen müssen.

6. Wie können wir Erfahrung und damit Handlungskompetenz fördern?

Indem Sie dem Handlungslernen in Ihrer Personalpolitik den entsprechenden Platz einräumen und diese Massnahmen auch umsetzen: kein Projektabschluss oder –abbruch ohne Nachbearbeitung und Reflexion; Förderung von Qualitätszirkeln und Erfa-Gruppen jeglicher Art; Mentoring von jüngeren durch ältere Mitarbeitende, aber auch umgekehrt (so genanntes Reverse-Mentoring) usw. Personalentwicklungskonzepte und Weiterbildungs-Reglemente thematisieren noch viel zu oft lediglich das formale Lernen auf individueller Basis in Seminarform, intern oder extern, während das Lernen in Gruppen anhand realer Projekte und Herausforderungen zu kurz kommt.

7. Bevorzugen wir damit nicht die älteren Mitarbeitenden gegenüber den immer knapper werdenden jüngeren Fachkräften?

Zuerst einmal nutzen Sie effektiv die schon vorhandenen Ressourcen, die nicht erst eingekauft werden müssen: das kann schlicht nicht falsch sein. Darüber hinaus ist es keine Einbahnstrasse, wie das obenerwähnte Beispiel der neuen Technologien und  Kommunikationsmittel zeigt. Einmal mehr wird ersichtlich, dass betriebliche Alterspolitik auch betriebliche Jugendpolitik ist und umgekehrt. Wie ein Unternehmen mit Erfahrung umgeht, sagt entsprechend viel über dessen Qualitäten als Arbeitgeber aus. Ein guter, der Branche angemessener Altersmix in der gesamten Belegschaft und altersgemischte Teams als Antreiber von neuen Lösungen sind die besten Garanten betrieblicher Handlungsfähigkeit in turbulenten Zeiten. 

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André Leuzinger ist Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und hat langjährige Erfahrung als Personalchef, Ausbildungsleiter, Coach und Outplacement-Berater. Heute leitet er AvantAge, die Fachstelle Alter und Arbeit von Pro Senectute Kantone Zürich und Bern. AvantAge ist selbsttragend und bietet Seminare für Menschen in der zweiten Berufshälfte zu den Themen «Standortbestimmung», «Altersgemischte Teams führen» und «Pensionsvorbereitung».
www.avantage.ch  

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