Fachkräftemangel

«Die 9 häufigsten Arbeitgeberfragen zur Weiterbildung älterer Mitarbeitender»

Ältere Mitarbeitende sind nicht nur lernfähig, sondern auch lernwillig und lernfreudig. Arbeitgeber, die sich das auf geschickte Art zunutze machen, haben gute Chancen, dem Fachkräftemangel durch starke Mitarbeiterbindung und Nutzung vorhandener Ressourcen erfolgreich zu begegnen.

Sind ältere Mitarbeitende wirklich noch lernfähig?

Selbstverständlich: Wir wissen aus der Hirnforschung schon länger, dass Lernfähigkeit und Beweglichkeit weit über das Pensionierungsalter hinaus erhalten bleiben. Allerdings gilt die Devise: use it or lose it! Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitenden nach 45 keine Schulungen mehr zumuten, schaffen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung und nehmen ihre Verantwortung für die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden nicht wirklich wahr.

Haben denn ältere Mitarbeitende andere Kompetenzen als jüngere?

Nicht fundamental, aber das Kompetenzprofil verschiebt sich tatsächlich im Verlauf der Jahre. Während in den jüngeren Jahren die so genannte Mechanik der Intelligenz im Vordergrund steht (Mehrfach-Problemlösungen unter Druck, komplexe Gedächtnisoperationen usw.), so wächst mit den Jahren auch die Pragmatik der Intelligenz an, also kulturgebundenes Wissen und Erfahrung. Dies schlägt sich insbesondere in einem besseren Gespür für die Realisier- und Umsetzbarkeit von Lösungen nieder. 

Warum ist Praxisnähe in der Weiterbildung älterer Mitarbeitender so wichtig?

Gerade wegen der eben dargelegten Pragmatik: dieser Zugewinn von Kompetenz hat einen Preis. Lerninhalte müssen sehr praxisnahe vermittelt werden, und dies nicht nur inhaltlich, sondern auch in Form und Didaktik. Altersgerechtes Lernen bezieht bestehendes Wissen und Erfahrung bereits mit ein beim Design von Schulungseinheiten und Modulen.

In welchen Punkten müssen wir ältere Mitarbeitende anders schulen und weiterentwickeln?

Durch Einbezug der Teilnehmenden und ihres Vorwissens  in die Kursgestaltung; durch aktivierende Methoden des Lernens und Lehrens anhand von Lernaufgaben mit hoher Realitätsnähe; indem Theorievermittlung gut strukturiert und durch viele konkrete Übungsmöglichkeiten durchbrochen wird; durch das Aufzeigen von Zusammenhängen in der Praxis; durch die Vermittlung von alltagstauglichen Lernstrategien; durch individuelle Beratung und Nachfragemöglichkeiten, eventuell auch im Nachgang zur eigentlichen Schulung.

Müssen wir unsere Weiterbildungsstrategie überarbeiten?

Eine Überprüfung ist in jedem Fall empfehlenswert, um sicherzustellen, dass die oben genannten Punkte aufgenommen und angemessen gewichtet werden.

Sollen wir eine 50-Jährige beim Erwerb eines für uns an sich nützlichen Master-Titels unterstützen?

Im Rahmen Ihrer Ausbildungspolitik sicher! Gerade verdiente Leute entwickelten sich im Beruf laufend weiter, übernahmen neue Aufgaben und sind aktuell nicht selten in einem Funktionsfeld tätig, für das sie ursprünglich gar nicht ausgebildet wurden. Neue, systematische Einblicke in dieses neue Feld können auf blinde Flecken aufmerksam machen und wichtige Innovationen auslösen. Zudem wird die Beschäftigungsfähigkeit der Betroffenen sichergestellt.

Mit welchen Widerständen gegenüber Weiterbildung ist bei älteren Mitarbeitenden zu rechnen?

Die häufigsten Killerargumente lauten: «Ich bin sowieso zu alt, das begreife ich nicht mehr!» Hier hat jemand schon kapituliert bevor er oder sie es versucht hat: Opfer einer auch in der Unternehmenskultur vielleicht noch verankerten sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Oder: «Eine solche Weiterbildung kann ich mir und meiner Familie nicht zumuten!» Natürlich ist eine grössere Weiterbildungsanstrengung eine Belastung auch für das familiäre Umfeld. Da stellt sich die Frage, ob der Betrieb mit flexiblen Arbeitszeitmodellen dem Mitarbeitenden temporär entgegenkommen kann: Auch das gehört zur Personalentwicklungs-Strategie!

Wie vermeidet ein Arbeitgeber solche Widerstände?

Durch konsequentes Einbeziehen auch älterer Mitarbeitender in die laufende Personalentwicklung. Durch eine erwachsenen- und alternsgerechte Aus- und Weiterbildungspolitik, die nicht nur das Thema im engeren Sinne abdeckt, sondern auch flankierende Massnahmen wie temporäre Arbeitszeitreduktion und Ähnliches regelt. Durch das demonstrative Entwickeln einer Kultur des lebenslangen Lernens.

Lohnt es sich, in die Weiterentwicklung älterer Mitarbeitender zu investieren?

Ja, denn es bringt direkten Nutzen in Form von altersgerecht eingesetzten Ressourcen und von Mitarbeiterbindung, aber auch indirekten Nutzen in Form des Arbeitgeber-Images. Arbeitgeber, die nicht nur dem zunehmenden Fachkräftemangel begegnen wollen, sondern auch ihre gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen wollen in einer Zeit, in der mit gutem Grund das Heraufsetzen des Rentenalters diskutiert wird, tun gut daran, sich auf diesen Weg zu begeben.
 

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André Leuzinger ist Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und hat langjährige Erfahrung als Personalchef, Ausbildungsleiter, Coach und Outplacement-Berater. Heute leitet er AvantAge, die Fachstelle Alter und Arbeit von Pro Senectute Kantone Zürich und Bern. AvantAge ist selbsttragend und bietet Seminare für Menschen in der zweiten Berufshälfte zu den Themen «Standortbestimmung», «Altersgemischte Teams führen» und «Pensionsvorbereitung».
www.avantage.ch  

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