Erfahrungswissen

«Die 9 häufigsten Fragen zum Einsatz älterer Mitarbeiter»

Schauen wir uns das durchschnittliche Pensionierungsalter in der Schweiz etwas genauer an, so fällt auf, dass es im Dienstleistungssektor zum Teil deutlich tiefer ist als in produzierenden Betrieben. Dabei könnten alle Branchen vom Einsatz erfahrener älterer Mitarbeitender nur profitieren.

1. Muss man ältere Mitarbeitende wirklich anders einsetzen?

Nein, grundsätzlich nicht, doch auch hier gilt das Motto «Der fairste Mensch ist mein Herrenschneider: er nimmt jedes Mal neu Mass!» Mit zunehmendem Alter verschiebt sich das Kompetenzprofil, und wer seine Leute richtig einsetzen will muss den Einsatz darauf abstimmen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Kenntnisse der älteren Mitarbeitenden bezüglich Markt und Kunden verkörpern häufig ein äusserst wertvolles «soziales Kapital» der Firma, das in einem sich ständig wandelnden Markt sachgerecht in die laufende Pflege der Kundenbeziehungen und damit in die nachhaltige Kundenbindung investiert werden kann.

2. Und wie macht man das?

Zuerst sind die aktuellen Interessen und Möglichkeiten sowie der Erfahrungsschatz der älteren Person im Dialog auszuloten. Gegebenenfalls kann auch auf zusätzliche Erkenntnisse aus einer klassischen Standortbestimmung zurückgegriffen werden. Anschliessend soll die Gestaltung des Einsatzes primär auf den jeweiligen Stärken des Mitarbeiters basieren und nicht, wie es häufig geschieht, auf dem Ausmerzen seiner Schwächen. Häufig sind wir in solchen Überlegungen unglaublich defizit-orientiert. 

3. Der Einsatz älterer Mitarbeitender kann sich doch nicht auf das jahrelange Ausschöpfen dessen, was sie schon gut können, beschränken?

Nein, natürlich nicht: die Erfahrung behält ihren Wert nur, wenn sie laufend durch neues Wissen ergänzt wird, welches durch erneute Anwendung wiederum zu wertvoller Erfahrung wird. Das bedeutet aber auch, dass wir älteren Mitarbeitenden gerade in Sachen Weiterbildung durchaus etwas zumuten und vor allem zutrauen dürfen.

4. Einfach Erfahrung anhäufen, wenn sich die Dinge laufend wandeln, was bringt das?

Ganz viel: Wir dürfen den älteren Mitarbeitenden auch zumuten, diese Erfahrung zusammen mit anderen zu reflektieren, um sie so in Kompetenz gerade für unsichere Zeiten zu verwandeln und einen wesentlichen Beitrag zur lernenden Organisation zu leisten. Um eine Erfahrung reicher zu sein bedeutet ja gerade, um eine Gewissheit ärmer zu sein, und das ist die beste Vorbereitung für unsichere Zeiten!

5. Sind noch andere Zumutungen angebracht?

Selbstverständlich! Wir dürfen ihnen auch zumuten, ihre Sozialkompetenz unter Beweis zu stellen und laufend weiter zu entwickeln, als Mentoren, in altersgemischten Teams, als natürliche Mediatoren, in der Kundenpflege, in der Bedienung/Beratung der Kundschaft, die ja auch immer älter wird,  usw. Gerade letzteres wird von einigen Unternehmen bereits erfolgreich praktiziert bis hin auf Call-Center-Ebene, zum Beispiel von der Swisscom.

6. Wie stellen wir sicher, dass diese «Zumutungen» akzeptiert werden?

Die Mitarbeitenden haben ein feines Gespür für Fairness und ausgewogene Deals zwischen ihrem Arbeitgeber und der Belegschaft. Wenn sie realisieren, dass sie nicht einfach stehen gelassen werden und damit über kurz oder lang gegenüber jüngeren Kollegen zurückfallen, sondern dass ihnen auch Entwicklungswege geöffnet werden und ihre Erfahrung etwas gilt, sind sie gerne bereit, solche «Zumutungen» in Kauf zu nehmen.

7. Sind noch andere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen?

Ja, aber die betreffen die gesamte Belegschaft ungeachtet des Alters. Es handelt sich um alle Massnahmen, die Einfluss haben auf die Motivation, die Qualifikation und die Gesundheit der Mitarbeitenden. Zu nennen sind hier die Arbeitsgestaltung (Prozesse, Arbeitsplatz, lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle usw.), dann die Beeinflussung des Gesundheitsverhaltens im Rahmen eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements, die Laufbahngestaltung, und schliesslich das Thema Wertschätzung/Anerkennung insbesondere in der Führungsarbeit.

8. Welche Vorteile erwachsen uns daraus?

Enorm viele: von einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung, die den vorhandenen Ressourcen Sorge trägt und damit dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel ein Schnippchen schlägt, über eine sichergestellte Kontinuität in den Kundenbeziehungen, bis hin zu einem erfolgreichen «Employer Branding», das heute in aller Munde ist.

9. Und was ist die Schattenseite dieser Strategie?

Da sollten wir uns nichts vormachen: Wer das konsequent umsetzen will, braucht einen langen Atem! Dies zeigen Beispiele von Firmen, die einen solchen Weg unter die Füsse genommen haben. Wir alle haben in Sachen «ältere Mitarbeitende» noch viele Wände im Kopf, aber auch hier gilt letztlich: Es gibt viel zu tun, packen wir es an!

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André Leuzinger ist Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und hat langjährige Erfahrung als Personalchef, Ausbildungsleiter, Coach und Outplacement-Berater. Heute leitet er AvantAge, die Fachstelle Alter und Arbeit von Pro Senectute Kantone Zürich und Bern. AvantAge ist selbsttragend und bietet Seminare für Menschen in der zweiten Berufshälfte zu den Themen «Standortbestimmung», «Altersgemischte Teams führen» und «Pensionsvorbereitung».
www.avantage.ch  

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