«Die Generation Y ist weniger loyal zum Arbeitgeber – aber loyal zum Deal»
Jobhopper, fordernd, schnell frustriert – die Generation Y hat nicht den Ruf, eine besonders pflegeleichte zu sein. Wenn man aber weiss, was Berufseinsteiger erwarten, kann man sie bei der Stange halten. Zugegeben: Sie erwarten viel.
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Schon hat sich die Generation Y, also diejenigen, die nach 1980 geboren sind, einen Ruf als «Jobhopper-Generation» geschaffen. Es ist durchaus was dran, wenn man die Daten der «Millennials at work»-Studie 2011 von PricewaterhouseCoopers (PwC) ansieht. Von den über 4000 befragten Berufsanfängern mit Studium erwartet ein Viertel, im Leben sechs oder mehr Arbeitgeber zu haben. 2008 waren es nur zehn Prozent. Noch deutlicher sind folgende Zahlen: 38 Prozent aller Befragten sind bereits auf der Suche nach einer anderen Arbeit, 43 Prozent sagten, sie seien offen für Angebote. Hält man sich vor Augen, dass 2020 weltweit die Hälfte aller Arbeitnehmer aus der Generation Y stammt, werden manche HR-Fachleute dringend umdenken müssen, wenn sie Mitarbeitende längerfristig an die Firma binden wollen.
Was also ist der entscheidende Punkt, wenn sich Millennials dafür entscheiden sollen, in einer Firma zu bleiben? Charles Donkor, Partner bei PwC und Mitautor der Studie, fasst es in einfache Worte: «Die Generation Y ist weniger loyal zum Arbeitgeber als ihre Vorgänger. Aber sie ist loyal zum Deal.» Das heisst für den Arbeitgeber: Er darf nichts versprechen, was er nicht halten kann. Solch unrealistische Erwartungen werden gewöhnlich während des Rekrutierungsprozesses aufgebaut.
Sind besonders selbstbewusst: Die Schweizer Absolventen
Die Millennials sind geprägt vom Streben nach Individualität, Selbstverwirklichung und persönlichem Erfolg. Und sie erwarten den schnellen Aufstieg. Auf der anderen Seite haben sie nur eine beschränkte Frustrationstoleranz. Werden die Erwartungen nicht erfüllt, geht es ohne langes Zögern zum nächsten Job.
Natürlich kann man nicht alle über denselben Kamm scheren. Klaus Knoblauch, Senior Account Manager beim Trendence Institut, kennt die Unterschiede zwischen den verschiedenen Berufsgruppen: «Zwar haben Wirtschaftswissenschaftler und Techniker gemein, dass sie zuallererst auf attraktive Arbeitsaufgaben achten, auf persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, Kollegialität und die Wertschätzung der Mitarbeiter.» Doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich wesentliche Unterschiede in den Erwartungen und Karriereplänen. Knoblauch weiter: «Techniker legen unter anderem sehr viel mehr Wert auf die Innovationskraft ihres künftigen Arbeitgebers, während die Business-Absolventen stärker auf die Karriereperspektiven im Unternehmen achten.»
Peter Vogel, selbst Generation Y, ist Gründer der HR Matching AG und Partner beim Futurework Forum, das intensiv auf dem Gebiet forscht. Er kennt auch die andere Seite: «Es ist nicht unüblich, dass Berufseinsteiger heute selbstbewusst Lohnforderungen weit jenseits ihres eigentlichen Wertes stellen.»
Felizitas Janzen, PR- & Marketing-Manager beim Trendence Institut, bestätigt das: «Während Einsteiger in technischen und IT-Berufen im europaweiten Durchschnitt mit einem Gehalt von 25 000 Euro rechnen, erwarten die Schweizer 53 000 Euro.» Das mag man auch mit höheren Lebenshaltungskosten begründen. «Schweizer Absolventen geben sich aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmarkt aber auch besonders selbstbewusst. Sie bemerken durchaus, dass sie teils stark umworben werden und dass Unternehmen beim Kampf um Talente unter einem gewissen Druck stehen», so Janzen weiter.
Klar, die Generation Y ist die erste, die die digitalen Medien selbstverständlich nutzt und damit ein technisches Wissen mitbringt, das sie im Job unmittelbar nutzen kann. Ein Startvorteil. Andererseits sind viele Studenten nach wie vor zu theoretisch ausgebildet und brauchen erst gründliches firmeninternes Training. Hier gilt es, die Erwartungen beider Seiten auszutarieren. Peter Vogel: «Für den Arbeitgeber ist das eine Gratwanderung: Die Arbeitnehmer müssen in kurzer Zeit wertschöpfend werden, wenn sich die Investition in ihre Ausbildung für das Unternehmen lohnen soll. Die durchschnittliche Dauer des Verbleibs sinkt nun einmal.»
Die Suche nach einer Lebensanstellung gibt es also nicht mehr. Was aber brauchen die Nachwuchskräfte, damit sie nicht bei der erstbesten Gelegenheit den Job wechseln? Vogel: «Sie müssen sehen, dass Visionen wirklich gelebt werden, dass sie authentisch sind und nicht nur auf der Website stehen.» Sie wollen wissen, was ihre Arbeit zum Grossen beiträgt, wie sie ins «grosse Puzzle» passt. Sie brauchen eine starke Vision und das Gefühl, einen Beitrag zu leisten.
Für alle gilt: Das Arbeitsumfeld muss inspirierend sein. An der Dauer ihrer Arbeitszeit gemessen zu werden, finden Millennials unsinnig. Sie sind bereit, für ein spannendes Projekt auch am Wochenende am Ball zu bleiben. Dafür haben sie keinerlei Verständnis, wenn ihnen der Zugang zu Facebook während der Arbeit verwehrt ist. Arbeit und Privatleben sind bei ihnen nicht klar getrennt. «Die Grundeinstellung ist: Wenn ich am Wochenende und spät abends meine E-Mails bearbeite, dann erwarte ich die Flexibilität, auch mal zwischendurch Privates machen zu können», so Peter Vogel.
Babyboomer und Generation Y: Wenn Welten aufeinanderprallen
Die Generation Y hat hierzulande den Ruf, sehr fordernd aufzutreten. Die Berufsanfänger wissen genau, was sie wollen, und sie wollen es sofort. Wenn sie, anders als in ihren virtuellen Netzwerken, vom Chef nicht regelmässig Feedback bekommen, sind sie schnell frustriert. Sie wollen ihre Leistung gewürdigt sehen. Und zwar regelmässig und fundiert. Institutionalisiertes à la Jahresendgespräch ist damit nicht gemeint.
Die Generation Y trifft häufig noch auf eine Führungsebene aus der Babyboomer-Generation. Da prallen nicht selten zwei Welten aufeinander. Junge Leute, die es gewohnt sind, dank Internet unbegrenzt und sofort Zugang zu Informationen zu haben, und weltweit Freundschaften in virtuellen Netzwerken pflegen. Daneben Chefs, die Loyalität zum Unternehmen und Hierarchien als grundlegend fürs Arbeitsleben empfinden und Wert auf den persönlichen Kontakt legen. Das geht nicht immer gut. Wenn der Chef etwa nicht sofort auf Instant Messages reagiert, finden Millennials das irritierend und ärgerlich. Auf die Idee, schnell über den Flur zu gehen und persönlich nachzufragen, kommen sie nicht unbedingt.
Mentoringprogramme können gegensteuern und die beiden Welten annähern helfen. Vogel: «Besonders bewährt haben sich Programme mit einem Junior-Mentor für die alltäglichen Themen im Unternehmen und einem erfahrenen Senior-Mentor für die langfristige Karriereplanung.»
Da müssen dann manchmal auch grundlegende Dinge erklärt werden, etwa welche Firmeninterna nicht einfach so herausgegeben werden können. Die Generation Y teilt ihr Privatleben so selbstverständlich mit virtuellen Freunden, dass sie sich oft gar nicht bewusst ist, dass es geistiges Eigentum der Firma gibt, das man keinesfalls nach aussen geben darf.
Das Management hat die fordernde Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Nachwuchs genügend spannende Aufgaben hat, und weiss, was dieser zum Gesamten beiträgt. Dann sind sie auch motivierte Mitarbeiter. Denn persönliches Lernen und Weiterentwicklung sind nach der PwC-Studie das Wichtigste für die Generation Y. Auf Platz zwei folgt flexible Arbeitszeit und erst danach ein gutes Gehalt. Millennials wollen ihre Zeit und die Arbeit frei einteilen können und nicht in einem Korsett aus Vorgaben stecken. Das bedeutet für Manager aber auch, den Rahmen klar abzustecken: Klare Ziele und konsequentes strukturiertes Feedback sind gefragt, nicht Kontrolle und strikte Vorgaben zum Weg dahin.
Den Auslandaufenthalt früh genug anbieten
Peter Vogel hat erfahren, dass man die nötige Abwechslung auch innerhalb des Unternehmens bieten kann: «Intrapreneurship kann eine spannende Alternative zum Jobwechsel sein. Google macht das beispielsweise sehr erfolgreich.» Wer will, sollte die Chance erhalten, innerhalb des Unternehmens in einen neuen Bereich zu wechseln oder in eine Filiale im Ausland zu gehen. Das wollen viele Nachwuchskräfte ohnehin, aber wenn möglich, bevor sie durch familiäre Verpflichtungen gebunden sind. Viele Austauschprogramme erlauben den Wechsel ins Ausland erst zu spät. Das kann eine vergebene Chance für beide Seiten sein.
Oder man kann die Leute bewusst für eine Zeit ziehen lassen. «Wenn ein Kunde dem Beratungsunternehmen einen Mitarbeiter für zwei Jahre abzieht – warum nicht? Man muss einfach den Kontakt halten und die Leute im passenden Moment zurückholen. Von den Erfahrungen profitieren beide Seiten. Wenn man Angst haben muss, dass die Leute nie mehr wiederkommen würden, dann hat man ein deutlich gravierenderes Problem», so Vogel.
Kein einfaches Geschäft also, die Berufsanfänger langfristig an das Unternehmen zu binden. Noch haben viele Unternehmen Mühe mit dem selbstbewussten Auftreten. Aber, so wendet Charles Donkor ein: «Die aktuelle Managergeneration ist auch diejenige, die die Kinder erzogen hat, die jetzt an der Schwelle zum Berufsleben stehen. Und sie waren die Eltern, die den Kindern immer wieder eingeimpft haben: Du kannst alles erreichen. Du musst es dir nur nehmen.»