Konfliktmanagement

Die Kunst des fairen Streitens

In der Schweizer Streitschule können Einzelpersonen und Teams lernen, richtig zu streiten. Die Mediatorin und Kommunikationstrainerin Ann Bockslaff, eine der beiden Leiterinnen, erklärt, worauf es beim fairen Streiten ankommt.

Wie streitet man richtig?

Ann Bockslaff: Eine wichtige Voraussetzung ist, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und diese auch klar zu formulieren, und zwar in einer Ich-Botschaft. Es sollen dem Gegenüber weder Vorwürfe gemacht noch ihm Beschuldigungen entgegengeworfen werden, sonst wird er oder sie sich angegriffen fühlen, sich verteidigen oder zum Gegenangriff übergehen. Auf einer solchen emotionalen Basis entstehen keine Win-win-Lösungen. Aber genau das ist das Ziel: Ein guter Streit endet immer damit, dass es nur Gewinner gibt und die Beziehung zwischen den Parteien intakt bleibt. Ein nächster Schritt ist, der Gegenpartei die Möglichkeit zu geben, ihre Sichtweise darzulegen und dabei gut zuzuhören. Das aktive Zuhören ist eine hohe Kunst und deutlich schwieriger, als viele Leute denken.

Warum ist aktives Zuhören so schwierig?

Die meisten Menschen sind gefangen in ihren eigenen Wahrnehmungen. Sie haben nicht gelernt, sich wirklich auf andere einzulassen. Oft wird auch viel zu früh auf eine Lösung zugesteuert, ohne zu wissen, was 
die andere Partei wirklich will. Dazu ein 
Beispiel: Es gibt eine Orange, und zwei Personen wollen sie haben. Die einfache Lösung: Die Orange wird halbiert. Die Folge: Beide sind unzufrieden, weil sie sich nicht die Mühe gemacht haben zu klären, wofür der andere die Orange will. Der eine kann nämlich nur die Schale wollen, um einen Kuchen zu backen, der andere will den Saft trinken.

Wie kompromissbereit muss man bei einem Streit sein?

Kompromiss bedeutet nicht, dass man sich in der Mitte findet. Das würde der Win-win-Situation nicht entsprechen. Es geht vielmehr darum, dort Abstriche zu machen, wo man sich das leisten kann, und das durchzusetzen, was einem wirklich wichtig ist. Es kann nur jede Partei als Sieger aus einem Streit hervorgehen, wenn sie das, worauf sie am meisten Wert legt, auch erhält.

Die Streitschule Zürich ist Lizenznehmerin der Streitschule München. Mussten Sie ihre Konzepte den Schweizer Verhältnissen anpassen?

Wir haben die Konzepte übernommen, aber vieles weiterentwickelt und ergänzt. So fehlte etwa im Münchner Modell der Umgang mit Widerstand. Das ist aber ein zentrales Anliegen beim Streiten. Generell scheinen mir zwischen Bayern und der Schweiz die kulturellen Unterschiede nicht so markant. Nur die Bezeichnung «Streitschule» ist in der Schweiz schlecht angekommen. Wir hatten mit Vorurteilen und Widerständen zu kämpfen. Deshalb haben wir den Namen in «Dialogkultur» geändert, was unser Anliegen auch besser zum Ausdruck bringt.

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