Die neue Mixtur von Arbeit und Freizeit

Junge Talente möchten selbstbestimmt arbeiten und gestalterisch tätig sein. Betreutes Arbeiten und Dienst nach Vorschrift sind für sie uninteressant. Sie folgen anderen Lebensentwürfen als früher. Dazu zählt auch ihr Verhältnis zu Arbeit und Freizeit – ein Millennial erzählt.

Wir sollen alle zur gleichen Zeit zur Arbeit kommen, obwohl wir zu unterschiedlichen Zeiten produktiv sind. Wir sollen alle die gleichen Arbeitswerkzeuge verwenden, obwohl nahezu alles mit allem vernetzbar ist und jeder Mitarbeiter andere Präferenzen hat. Wir sollen alle dieselbe Führung erhalten, obwohl manche Menschen eher bei disziplinärer Führung und andere bei lockerer Führung zur Hochform auflaufen. Doch Bevormundung führt zur Verstümmelung des Selbstvertrauens und der Kreativität.

So mancher Manager bildet sich ein, dass über Drohungen und finanzielle Anreize alle Mitarbeiterprobleme gelöst werden können. Falsch gedacht! Heutzutage geht es darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich der Mitarbeiter wohl fühlt, um im Team sein Bestes zu geben und sich entwickeln zu können – das alles so lange, bis die Zeit gekommen ist, weiterzuziehen, um sich in einem anderen Umfeld neu zu entfalten.

Vielfach herrscht noch immer die Vorstellung, dass Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber auf lange Zeit treu bleiben müssen. Weil das aber zunehmend nicht mehr der Fall ist, hören sie auf, in ihre Mitarbeiter zu investieren.

Lebenslanges Lernen? Völlig normal!

Wir Millennials wünschen uns eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Sei es, um unsere Arbeit professioneller fertig zu bringen oder um für den nächsten Karriereschritt gewappnet zu sein. Wir begnügen uns nicht mit dem Kenntnisstand zu einem gegebenen Zeitpunkt. In Zeiten, in denen Wissen und Können schneller veralten als jemals zuvor, ist eine solche Einstellung ein Muss.

«Das ist anders in früheren Generationen», berichtet Carine Leroy, HR-Chefin bei der Investment-Firma Sofina. «Wir müssen unsere Baby Boomer und Angehörige der Generation X oft dazu zwingen, Fortbildungen zu besuchen. Sie bleiben fern, während sich die Millennials um solche Angebote geradezu reissen.»

Wer interne Fortbildungsprogramme unterstützt, verbessert nicht nur die Leistung der Mitarbeiter. Er stärkt auch seinen Ruf am Arbeitsmarkt und macht sich zu einem Magneten für Top-Talente.

Betreutes Arbeiten? Nein danke!

Wenn jeder zu seiner individuell passenden Zeit arbeiten, kreativ sein und schlafen könnte, wären die Ergebnisse ganz sicher besser. Stattdessen denken die meisten Arbeitgeber immer noch, ein Standardformat wie der Acht-Stunden-Tag zwischen neun und 17 Uhr sei für alle gleichermassen ein sinnvolles Modell.

Gut, dass der technologische Fortschritt uns hilft, präzise zu bestimmen, welche Arbeitsform, welche Arbeitszeit und welcher Arbeitsort am besten für eine bestimmte Person und Aufgabe ist. Digital Natives erkunden längst das Gebiet der körperlichen und geistigen Arbeitsproduktivität, zum Beispiel durch Selbstmessung am eigenen Leib.

So kann zugleich die Verantwortung übertragen und die Verpflichtung eingefordert werden, die besten Umstände für ein optimales Arbeitsergebnis frei zu wählen. Das stärkt die Selbständigkeit und fördert den Ehrgeiz.

Arbeit und Leben im Einklang? Geht!

Erwerbsarbeit kann heute auf zahlreiche Weise geschehen. Der Wechsel zwischen angestellter und selbständiger Arbeit ist relativ unkompliziert möglich. Die Auswirkungen dieser Entwicklung werden zunehmend deutlich. An die Stelle der klassischen, räumlich und zeitlich begrenzten Karrierebilder, tritt eine Vielzahl von Vollzeit-, Teilzeit- und Auszeit-Modellen, die Arbeit und Leben in Einklang bringen.

Besonders junge Mitarbeiter sind jederzeit und überall einsatzfähig. Der feste Büroarbeitsplatz wird von ihnen meist nicht mehr benötigt. Und: Für flexible Arbeitsmodelle sind wir bereit, härter zu arbeiten. Ein Beispiel ist die Berliner Agentur Frische Fische, bei der der Geschäftsführer die Vier-Tage-Arbeitswoche eingeführt hat. Die Mehrheit der Belegschaft arbeitet je zehn Stunden an vier Tagen, dann folgen drei freie Tage am Stück.

Daueranwesenheit? Wozu denn?

Wer unser ganzes Können will, sollte sich besser von altmodischen Arbeitsmustern trennen. Die mögen im Industriezeitalter sinnvoll gewesen sein, doch heute sind sie ein Rohrkrepierer. Kreativität und Hingabe gedeihen nun einmal nicht nach Stundenplan und auf Befehl. Pure Anwesenheit ist kein Garant für Leistung.

Studien zeigen zudem, dass die Verschmelzung von Arbeitszeit und Privatleben in den meisten Fällen zugunsten des Arbeitgebers ausfällt. Den berühmten «Feierabend» gibt es nicht mehr. Da nun die Mitarbeiter den Unternehmen Privatzeit schenken, müssen die Unternehmen ihren Mitarbeitern auch Eigenzeit während der Arbeit schenken. Eine perfekte Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit ist damit nah.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Alex T. Steffen (Jahrgang 1990) ist Unternehmensberater mit Fokus Innovation und Digitale Transformation. Zuvor war er Angestellter in analogen Unternehmen und digitalen Startups. Daher kennt er in Bezug auf die Arbeitswelt beide Seiten. Er hat einen Bachelor of Science in International Business. Durch seine Keynotes und Workshops hilft er Unternehmen dabei, in Zeiten des Wandels agiler und robuster zu werden. Alex Steffen wurde beim Verfassen des Textes von Anne M. Schüller unterstützt.

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