HR Today Nr. 7&8/2021: Events – Arbeitsrechtstagung 2021, Marriott-Hotel Zürich

Die rechtliche Gratwanderung von Remote Work

Endlich wieder eine Präsenzveranstaltung, werden sich viele Teilnehmende gesagt haben. Doch nur 50 waren am 9. Juni 2021 im ­Millennium-Saal des Marriott-Hotels in Zürich zugelassen. Alle anderen konnten der Tagung per Video-Livestream ­folgen. Thematisch beschäftigten sich die Referierenden vor allem mit der Flexibilisierung der Arbeit – in Corona-Zeiten aktueller denn je.

Den Auftakt machte Marco Salvi. Er leitet den Bereich «Chancengesellschaft» der Denkfabrik Avenir Suisse und stellte von Anfang an klar, dass schon vor der Pandemie «das herkömmliche Bild des Vollzeitangestellten mit klassischem Werdegang, regelmässigen Beförderungen und Lohnerhöhungen» ins Wanken geraten sei. Der Bedarf nach Flexibilität steige nicht nur seitens der Arbeitnehmenden, sondern auch der Unternehmen. Letztere können damit ihre Arbeitgeberattraktivität erhöhen.

Um flexibles und mobiles Arbeiten unter dem sozialrechtlichen Aspekt ging es im nächsten Referat von Hans-Jakob Mosimann, Präsident des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich. Ein Thema, das verschiedene Fragen aufwirft, da Remote-Work-Angebote inklusive Ferienfeeling auf den Bahamas oder ähnlichen Orten boomen. «Die sozialrechtlichen Regelungen für Europa sind mehrheitlich klar definiert. Wer in einem anderen Land arbeitet, muss sich vorher zwingend und genau über die lokalen Begebenheiten informieren», betonte Mosimann. «Und zwar bevor man abreist.»

Arbeitsrechtliche Spannungsfelder bietet auch das Sujet «Flexible Arbeitszeiten». «Arbeitnehmende machen sich zu wenig Gedanken über mögliche rechtliche Folgen von flexibler Arbeit», stellte Corinne Platzer, Rechtsanwältin und Abteilungsleiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich fest. 2,5 Millionen Schweizerinnen und Schweizer arbeiten zumindest teilweise von zu Hause aus. «Das ist viel», sagte Platzer. Im Gegensatz zum Obligationenrecht decke das Schweizer Arbeitsrecht die damit einhergehenden Herausforderungen bereits recht gut ab. Doch die Arbeitszeitregelungen seien kaum mehr zeitgemäss – das hätten die Lockdowns gezeigt. «Die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit ist längst nicht mehr eindeutig. Beispielsweise bei einer Familie mit zwei Kindern.» Ausserdem sei die globale Vernetzung mit verschiedenen Zeitzonen gang und gäbe. Da stelle sich die Frage, wie ein Arbeitgebender überhaupt noch dafür sorgen könne, den Arbeitnehmenden – wie gesetzlich vorgeschrieben – zu schützen, insbesondere was psychosoziale Risiken (Burnout, Mobbing, Erschöpfung) angeht.

Die arbeitsrechtliche Theorie sei somit vielerorts klar, an der Umsetzung hapere es indes manchmal. Entsprechend steige die Verantwortung der Führungskräfte, führte Fachanwalt Arbeitsrecht und Sozialversicherungsexperte Alfred Blesi in seinem Referat aus. «Führungskräfte sind der verlängerte Arm der Arbeitgeberin.» Remote Work hat seine Tücken. Handhabt man es in Form von «aus den Augen, aus dem Sinn», kann es ungünstige Nebeneffekte haben. «Das wäre eine schädliche Entwicklung», sagte Hans Strittmacher, Geschäftsleiter des Arbeitgeberverbandes Zürich in der anschliessenden Podiumsdiskussion. «Insbesondere bei Konflikten oder der Kommunikation per se.»

Den Nachmittag eröffnete Andrea Rieger, Leiterin Recht & Compliance der Mobiliar. Ihr Thema: Geheimhaltung und Datenschutz bei flexiblen Arbeitsweisen. Die gesetzlichen Grundlagen seien gegeben, beispielsweise mit dem Datenschutzgesetz. Doch dazu gehöre noch mehr, erklärte Rieger. Es beginne bereits bei der technischen Ausrüstung: Blickdichte Folie für den Laptop für die Arbeit im Zug oder die Weisung, vertrauliche Gespräche nicht im öffentlichen Raum zu führen. «Es genügt nicht, solche Weisungen im Intranet zu veröffentlichen, sie müssen richtig kommuniziert und erklärt werden.»

Um die gesetzlichen Bestimmungen bei mobilen Arbeitsplätzen und Homeoffice ging es im Referat von Sabine Steiger-Sackmann, Dozentin für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht an der ZHAW. Sie stellte klar: «Schweizer Arbeitnehmende haben vertraglich gesehen kein grundsätzliches Recht auf Homeoffice.» In anderen Ländern wie den USA sei dies aber durchaus üblich. In der Schweiz  brauche es indes entsprechende Passagen im Arbeitsvertrag. Solche Anpassungen seien insbesondere nötig, wenn das Büro für die Arbeit vorgesehen sei, aber auf Homeoffice gewechselt werde. Die Rechte und Pflichten von Arbeit­gebenden und Arbeitnehmenden blieben im Grundsatz gleich – egal ob von zu Hause aus oder in den Büroräumlichkeiten gearbeitet würde: ­Einhaltung der Ruhezeiten, Nachtarbeitsverbot.

Das Fazit der Tagung: Flexible Arbeitsmethoden bergen zwar einige rechtliche Herausforderungen, haben richtig angewendet unter dem Strich aber vor allem Vorteile, für Arbeitnehmende wie für Arbeitgebende.

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Online-Redaktorin, HR Today. es@hrtoday.ch

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