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Digitales Lernen: Von Push zu Pull

Schneller Wandel braucht schnelle Wissensvermittlung. Unternehmen setzen deshalb zunehmend auf Technologien, die selbstorganisiertes Lernen fördern und Mitarbeitende im Workflow am Arbeitsplatz unterstützen.

Die Weiterbildung hat in den Unternehmen in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung durchlaufen. Noch vor kurzer Zeit fristeten Schulungen häufig ein bescheidenes Dasein. Inzwischen ist jedem HR-Manager klar: Weiterbildung und Talentmanagement sind geschäftskritische Faktoren, die zum Kernbereich der strategischen Unternehmensführung gehören. Beides ist dafür verantwortlich, wie gut sich ein Unternehmen in Krisenzeiten bewährt und wie schnell es mit künstlicher Intelligenz (KI), Remote Work und datengetriebenem Business auf turbulente Veränderungen reagieren kann.

Nicht die Technologie macht den entscheidenden Unterschied im Wettbewerb. Es geht vielmehr darum, wie souverän und kreativ Mitarbeitende das damit verbundene Potenzial ausreizen. Die Voraussetzung dafür sind kontinuierliches Lernen und ein hohes Tempo beim Wissenstransfer, das vor allem digitale Schulungen versprechen. Doch nicht alle Lernformate werden diesem Anspruch gerecht.

1000 Antworten sind 999 zu viel

Auch in der Schweiz hat die Covid-19-Pandemie für einen beispiellosen Digitalisierungsschub in der Weiterbildung gesorgt. Wo vorher Frontalunterricht herrschte, gab es plötzlich webbasiertes E-Learning, Webinare, Peer-to-Peer Learning oder Virtual Classroom Trainings. Diese digitalen Lernformate sind in vielen Unternehmen seit Jahren etabliert. Sie sorgen für Abwechslung im internen Weiterbildungsangebot, fördern den ortsunabhängigen Austausch und berücksichtigen zumindest teilweise das individuelle Lerntempo bei der Wissensvermittlung sowie die Vorlieben der Mitarbeitenden für bestimmte Medienformate. Etwa, weil diese beim E-Learning selbst bestimmen, was und wann sie lernen wollen. Trotzdem gehen die meisten Lernformate im Unternehmen am täglichen Wissensbedarf der Beschäftigten vorbei. Wer einmal ein einstündiges YouTube-Video, einen Podcast oder eine seitenlange Dokumentation nach dem einen, entscheidenden Hinweis durchsucht hat, dürfte ahnen, worum es geht.

Viele digitale Lernformate orientieren sich an vordigitalen Methoden der Wissensvermittlung. Sie liefern zwar unverzichtbares Know-how zu bestimmten Themen oder Projekten, sind aber weder clever noch smart, weil sie zu viele Antworten auf unterschiedliche, oft sehr spezifische Fragestellungen der einzelnen Teilnehmenden geben. Die Folgen dürften die meisten aus eigener Erfahrung kennen: Information Overload, Langeweile, die Nebenbei-Beschäftigung mit anderen Dingen und gleichzeitig die Sorge, sich an das Gelernte nicht mehr erinnern zu können, wenn es ein oder zwei Wochen später gebraucht wird: allesamt klassische Fallstricke, wenn es darum geht, Digitalisierungsprojekte zum Erfolg zu führen.

Weniger ist mehr: kontextbasiertes Lernen am Arbeitsplatz

Die Schweizer Krankenkasse KPT hat Konsequenzen aus diesem Dilemma gezogen und sich für eine Lösung zur Förderung der «Digital Adoption» entschieden, die Mitarbeitenden hilft, die Digitalisierung von Prozessen zu verstehen sowie die Potenziale von neuer Software zu erkennen und zu nutzen. Das geschieht, indem die bei der KPT eingeführte Software das Wissen dorthin bringt, wo es täglich am dringendsten gebraucht wird: an den Arbeitsplatz. «Wir beobachten einen Paradigmenwechsel bei der Art, wie Wissen in Firmen vermittelt wird: Die Inhalte einer Schulung sind nicht mehr isoliert von der Arbeit der Mitarbeitenden zu betrachten», erklärt Remo Luzi, E-Learning-Spezialist bei der KPT.

Wie so viele Unternehmen arbeitet auch der Krankenversicherer mit Hochdruck an der Digitalisierung seiner Prozesse. Entsprechend ist vieles in Bewegung und der Lernbedarf im Unternehmen so gross, dass sich Remo Luzi und seine Kollegen bewusst für eine Software entschieden haben, die das kontextuelle Lernen im Workflow unterstützt. «Wir zeigen Mitarbeitenden wann immer möglich nur jene Funktionen, die sie für ihre Arbeit benötigen und für die sie eine Berechtigung haben», erklärt Luzi. «Wichtig sind uns zusätzliche Auswertungsmöglichkeiten des Lernverhaltens unserer Mitarbeitenden. Das hilft uns, ihre Bedürfnisse noch besser zu verstehen und diese Erkenntnisse in neue Schulungen einfliessen zu lassen.» Der entscheidende Punkt beim kontextbasierten Lernen bestünde darin, grosse Wissenseinheiten in schnell verdaubare Mikrolektionen zu zerteilen, welche die KPT-Mitarbeitenden passend zu ihrer aktuellen Aufgabe und Rolle im «Moment of Need» abrufen können, also genau dann, wenn sich ein akutes Know-how-Loch auftue.

Damit das funktioniere, laufe bei der KPT eine Support-Lösung im Hintergrund – sofern dies von den Mitarbeitenden gewünscht wird und sie diese aktivieren. Die Software erkennt, welches ­Programm die Mitarbeitenden gerade nutzen und welche Funktionalitäten sie bedienen möchten. Kommen die Beschäftigten an einer Stelle nicht weiter, erhalten sie mit einem Mausklick auf Wunsch die dazu passende Hilfestellung – von Schrittlisten über «How to»-Videos bis zu programm- und prozessübergreifenden E-Learnings, Dokumentationen, Animationen oder Quiz-Formaten.

Notfallhilfe

Auch Barry Callebaut hat erkannt, dass passgenaues Wissen eine erfolgskritische Rolle bei Digitalisierungsprojekten spielt. «Microlearning muss nicht nur im Moment of Need verfügbar, sondern auch hürdenfrei sein», sagt Stefan Weingärtner, der bei Barry Callebaut den Bereich Global HR Solutions and Digitalization verantwortet. Seit 2013 arbeitet der weltweit grösste Schokoladenhersteller mit SAP. Das Unternehmen setzt seit langem auf ein breites digitales Lernangebot. Dabei zeigte sich, dass die Mitarbeitenden von Barry Callebaut Dokumentationen, Trainingsmaterialien oder Tool Guides im Intranet oft nicht auf Anhieb fanden. Um die Mitarbeitenden bei der Dokumentsuche besser zu unterstützen, entschied sich Barry Callebaut deshalb für eine «Digital Adoption»-Lösung. «Aktuell arbeiten ausschliesslich die HR-Mitar­beitenden damit, in Zukunft ist jedoch ein Einsatz über SAP SuccessFactors hinaus geplant. So können sich die Mitarbeitenden bei Problemen jederzeit selbst helfen und Hilfsseiten konsultieren, bevor sie sich an den Support wenden.» Damit die Integration in die existierenden ­IT-Systeme reibungslos gelinge, bevorzuge das Unternehmen eine IT-Lösung, die mit jeder beliebigen Software funktioniere. Besonders im Onboarding spiele das Mikrolernen eine wichtige Rolle, sagt Stefan Weingärtner. «Digital Adoption Solutions können gerade in diesem Bereich noch viel Potenzial ausschöpfen.»

Alles auf die E-Learning-Karte setzen würde Weingärtner aber nicht. Bei Barry Callebaut gäbe es weiterhin einen persönlichen Wissensaustausch und virtuelle Teamsitzungen. Welches Mittel wann eingesetzt werde, sei situativ. «Um zu entscheiden, wie man Lerninhalte effizient vermittelt, braucht es viel Feingefühl.» Softwaregestütztes Lernen werde bei Barry Callebaut dabei immer wichtiger. Dennoch dürfe man den Menschen nicht vergessen: «Dessen Bedürfnis nach Interaktion mit anderen. Akzeptanz und Frustration liegen eng beieinander.»

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Matthias Langen­bacher ist seit 2014 Geschäftsführer und Key Account Manager der TTS Schweiz. Vor seinem Einstieg beim Full-Service-Anbieter für Performance Support, HR Consulting und Corporate Learning hat Langenbacher 20 Jahre im Verkauf von HR-Services und Weiterbildungen in der Schweiz gearbeitet.

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