Checkliste der Woche

Drohungen im Arbeitsalltag - so verhalten Sie sich richtig

Drohungen sind Vorboten möglicher Gewaltdelikte. Sie drücken die erklärte Absicht aus, einer Person Leid oder Schaden zuzufügen oder deren körperliche Unversehrtheit zu verletzen (Meloy 2001). Bei Drohungen werden keinerlei Bedingungen angeboten, weil die drohende Person oftmals keine Alternative und keinen Spielraum mehr sieht.


Eindeutige und unmissverständliche Ankündigungen einer Gewalthandlung (direkte Drohung) beinhalten keine Wörter wie falls, oder, aber, bis, wenn nicht. Aussagen, die diese Wörter enthalten, sind angedrohte Gewalthandlungen (konditionale Drohung), die an das Eintreten spezifischer Wünsche und Bedingungen geknüpft sind. Eine solche Aussage setzt die drohende Person aber unter Zugzwang und erhöht das Risiko für eine mögliche Ausführung. Drohungen sind immer ernst zu nehmen, weil mit einer Wahrscheinlichkeit von Gewaltanwendung stets zu rechnen ist. Die Wahrscheinlichkeit der Gewaltanwendung ist besonders dann sehr gross, wenn die Drohung am Ende einer Auseinandersetzung auftritt.

Zu Beginn eines Gesprächs sind Drohungen eher als emotionale Gefühlsäusserungen einzuordnen, während später auftretende Drohaussagen durchaus einen Entschluss zu Gewaltanwendung darstellen können. Expressive Drohungen werden zur Regulation von Emotionen ausgesprochen, beispielsweise aus einem Gefühl von Wut und Angst heraus. Instrumentelle Drohungen dagegen dienen oftmals dazu, auf das Verhalten einer Person Einfluss zu nehmen und diese entsprechend zu steuern.

Drohungen können direkt «…ich bringe dich um…» oder indirekt «…ich weiss, wo Sie arbeiten!...» sein und offen oder verdeckt (maskiert) geäussert werden. Drohungen signalisieren auch oft Verzweiflung und nicht unbedingt eine Absicht. Sie zeigen, dass der Sprecher darin versagt hat, das Geschehen auf andere Weise zu beeinflussen, weshalb sie gefährlicher als rein drohende Einschüchterungen sind.

Eine Drohung stellt immer eine Grenzüberschreitung dar und darf keinesfalls toleriert werden. Im Umgang mit Drohungen gibt es nie nur eine Handlungsvariante. Hören Sie in allen schwierigen Situationen auf Ihr Bauchgefühl und handeln Sie intuitiv. Drohungen sollten daher immer und in jedem Kontext zur Anzeige gebracht werden.

Unter Berücksichtigung verschiedener Erscheinungsformen und aufgrund des spezifischen Inhalts werden Drohungen in drei Risikokategorien überführt (O’Toole 2000). Vor allem Äusserungen zu spezifischen Details zu den Hintergründen und den Mitteln oder Absichten zur Tatumsetzung sind klare Hinweise auf eine eher stark risikobehaftete Drohung; allerdings nur, wenn die gemachten Angaben auch plausibel erscheinen, nicht komplett realitätsfremd und insofern auch nachvollziehbar sind.

Beurteilung des Risikopotentials der Drohung nach klaren Kriterien forensischer Experten:

•    Niedriges Risiko:


Die Drohung

... ist vage und indirekt formuliert

... ist inkonsistent, wenig plausibel, nicht detailliert

... das Drohungsszenario ist nicht realistisch

•    Moderates Risiko:


Die Drohung

... ist konkret und direkt formuliert

... enthält nähere Angaben zum Vorgehen bei der angedrohten Tat

... enthält Hinweise auf Ort und Zeitpunkt der Tat

... enthält mehrdeutige Anspielungen zu Vorbereitungsmassnahmen (zum Beispiel Anspielung auf einen Film oder grundsätzliche Möglichkeit, sich Waffen zu besorgen)

... enthält eine dezidierte Unterstreichung der Ernsthaftigkeit der Drohung

... enthält Andeutungen auf in der Vergangenheit erfolgte schwere Ereignisse (zum Beispiel Amoktaten)

•    Hohes Risiko:


Die Drohung

... ist direkt, plausibel und detailliert formuliert

... enthält Hinweise auf konkrete Vorbereitungshandlungen (Besorgen einer Waffe etc.)

... enthält Hinweise auf eine Beobachtung (Ausspähung) des potenziellen Opfers

... offenbart konkrete Kenntnisse über das Tatumfeld beziehungsweise Opfer

Strafrechtliche Verfolgung

Drohen ist strafbar und wird im Schweizerischen Strafgesetzbuch auf Antrag unter Strafe gestellt (vgl. Art. 180 StGB). In Ausnahmefällen wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. Der Täter muss dem Opfer einen schweren Nachteil in Aussicht stellen und dieses, damit die Tat vollendet ist, tatsächlich in Angst und Schrecken versetzen.

Die Klassifikation von Drohungen

Drohungen können unterschiedlich sein und von mehrdeutigen, bedrohlich interpretierbaren oder konkreten Aussagen bis hin zu konkreten und direkten Auseinandersetzungen reichen. Anhand von Erfahrungswerten und gestützt auf erarbeitete Ergebnisse von forensischen Fachpersonen lässt sich in formaler und inhaltlicher Hinsicht folgende Klassifikation hervorheben:

  • Direkte Drohung: eindeutige und unmissverständliche Ankündigung einer spezifischen Gewalthandlung gegen ein bestimmtes Ziel
  • Indirekte Drohung: weniger konkretisierte Gewaltandrohung, Details darüber oder über das angestrebte Ziel werden entweder nicht spezifiziert oder ausgelassen
  • Maskierte Drohung: Aussagen, die Gewalthandlungen andeuten; können, aber müssen nicht als Drohung interpretiert werden
  • Konditionale Drohung: Gewalthandlungen sind an das Eintreten spezifischer Wünsche und Bedingungen gekoppelt

Erfahrungen und polizeiliche Erkenntnisse aus Fallbearbeitungen lassen immer wieder erkennen, dass im Vorfeld von Gewalttaten Täter oftmals feststellbare Vorzeichen oder Signale angezeigt hatten. Solche Vorzeichen sind Warnsignale, die man bei genauem Hinsehen oder Hinhören unter Umständen erkennen und auch ansprechen kann. Auf folgende Punkte ist in diesem Zusammenhang sowie bei einer direkten Konfrontation mit Drohungen zu achten:

  • Ungute Gefühle nicht unterdrücken
  • Auf Bauchgefühl hören
  • Intuitives Handeln nicht unterdrücken
  • Innere Warnblinker nicht ausblenden
  • Ausgestossene Drohungen oder Warnungen ernst nehmen
  • Meldung an die nächste Polizeistelle oder den Dienst Gewaltschutz (Drohungen und/oder andere Gewalt konsequent anzeigen)
  • Gespräche im Zweifelsfall nicht alleine führen, eventuell in Polizeibegleitung
  • Nur eine Ansprechperson innerhalb des Betriebs bestimmen (Allenfalls besteht die Gefahr unterschiedlicher Auskünfte und Haltungen;  interne Abteilungen oder Stellen werden unter Umständen gegeneinander ausgespielt)
  • Günstige Örtlichkeit für allfällige Besprechung auswählen

Bedrohungssituationen im Arbeitsalltag

Verhalten bei Eskalationen


  • Ruhig bleiben
  • Hektik oder Panikzeichen vermeiden, die reflexartige Reaktionen auslösen können
  • Unterstützung beiziehen
  • Nicht lähmen lassen von aufkommenden Angstgefühlen
  • Aktiv bleiben, Aktionen verändern die Situation
  • Drohungen nicht einfach hinnehmen
  • Keine Opferrolle übernehmen
  • Klar kommunizieren
  • Drohungen nicht akzeptieren
  • Initiative übernehmen, Situation im eigenen Sinne prägen
  • Kontakt mit dem Gegenüber halten, Blickkontakt nicht abbrechen und sachliche Kommunikation ausbauen und möglichst aufrecht erhalten
  • Diskutieren statt polarisieren
  • Keine geringschätzigen Äusserungen über das Gegenüber oder dessen Verhalten
  • Keine Einschüchterungsversuche oder Drohgebärden, nicht Angst machen
  • Verhalten des Gegenübers nicht akzeptieren, keine abwertenden Äusserungen
  • Körperkontakt vermeiden, Distanz von ca. einer Armlänge sollte nicht unterschritten werden
  • Grenzüberschreitungen vermeiden
  • Gefährder auffordern, klar zu machen, weshalb seine Drohungen nicht ernst gemeint waren und niemand Angst haben müsse (setzt ihn unter Zugzwang)

Vorgehen bei Eskalationen

  • Attacke nicht stehen lassen
  • Nachbearbeitung initiieren (mildeste Form der Nachbearbeitung ist ein Gespräch mit der entgleisten Person unter Einbezug weiterer Personen, allenfalls auch unter Einbezug von Fachpersonen des Dienstes Gewaltschutz)
  • Maskierte oder versteckte Drohungen verifizieren (zum Beispiel «Sie werden mich schon noch kennen lernen…»)
  • Direkte Drohungen immer ernst nehmen 
(zum Beispiel «XY steht auf meiner Abschussliste»)
  • Physische Angriffe und ausgestossene Drohungen ernst nehmen
  • Unbedingt Anzeige erstatten
  • Rasche Kontaktaufnahme mit der nächsten Polizeistelle oder dem Dienst Gewaltschutz
  • Bei Drohungen sind immer Personen Geschädigte
  • Aktennotiz erstellen, Eckdaten festhalten,
E-Mails und Schreiben der Polizei übergeben

Mündliche Drohung 
(persönlich oder über Dritte)

  • Gespräch beruhigen
  • Nicht provozieren
  • Zuhören
  • Abbruch des Gesprächs unter Bestimmung eines neuen Termins
  • Bei nicht zu beruhigender Situation: Telefon 117
  • Bei Unsicherheit über das weitere Vorgehen: Kontaktaufnahme mit der nächsten Polizeistelle oder dem Dienst Gewaltschutz
  • Sofortige Anzeigeerstattung nach Absprache mit der nächsten Polizeistelle oder dem Dienst Gewaltschutz

Telefonische Drohung

  • Ruhig bleiben
  • Nicht provozieren
  • Zuhören
  • Gespräch wenn möglich beenden
  • Aktennotiz erstellen, Telefonranddaten (Zeit etc.), anrufende Nummer notieren
  • bei Unsicherheit über das weitere Vorgehen: Kontaktaufnahme mit der nächsten Polizeistelle oder dem Dienst Gewaltschutz
  • Sofortige Anzeigeerstattung

Drohung per E-Mail

  • Header (Datenkopf des Dokuments mit Versanddaten) der E-Mail sicherstellen (der Header muss auf dem PC, auf welchem die E-Mail eingegangen ist, geöffnet werden)
  • E-Mails sammeln
  • Bei Unsicherheit über das weitere Vorgehen: Kontaktaufnahme mit der nächsten Polizeistelle oder dem Dienst Gewaltschutz
  • Sofortige Anzeigeerstattung

Drohung in einem Brief

  • Spurenschutz
  • Briefe sammeln
  • Bei Unsicherheit über das weitere Vorgehen: Kontaktaufnahme mit der nächsten Polizeistelle oder dem Dienst Gewaltschutz
  • Sofortige Anzeigeerstattung


Drohungen gelten grundsätzlich als Vorboten schwerer Gewaltdelikte. Sie sind deshalb in jedem Fall ernst zu nehmen. Entsprechend dieser Vorgaben ist im Umgang mit Drohungen in sämtlichen Belangen äusserste Vorsicht und Sensibilität geboten - sei es bei einer direkten Konfrontation mit einer drohenden Person oder aber beim Eingang einer schriftlich abgefassten Drohung.

Schenken Sie der Angelegenheit die nötige Beachtung und informieren Sie die nächste Polizeistelle oder den Dienst Gewaltschutz der Kantonspolizei Zürich.

Aufgabe der Polizei - Gewaltschutz (Bedrohungsmanagement)

Eine zentrale Aufgabe des Dienstes Gewaltschutz umfasst die Verhinderung und die Erkennung strafbarer Handlungen sowie die Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren nach Massgabe der gesetzlichen Vorgaben (PolG; LS 550.1). Erkenntnisse aus Aufarbeitungen von tragischen Ereignissen zeigen, dass Gewalt nicht aus heiterem Himmel kommt, sondern in aller Regeln in verschiedenartigen Formen angekündigt wird. Genau auf dieser Ausgangslage baut das sogenannte Bedrohungsmanagement auf. In einem mehrstufigen Prozess ist man darauf ausgerichtet, Fälle mit Eskalationspotential für Gewalttaten frühzeitig zu erkennen, das jeweilige Risiko einzuschätzen und hernach mit polizeipräventiven Massnahmen zu entschärfen. Im ersten Schritt wird eine Bedrohungsanalyse erstellt, welche das Erkennen einer tatsächlich risikobehafteten Bedrohung und zweitens eine Einschätzung des Gewaltrisikos beinhaltet. Aus der Risikoeinschätzung wird folglich in einem zweiten Schritt das Fallmanagement erarbeitet. Das heisst mit gezielten polizeipräventiven Massnahmen und Interventionen wird gestützt auf das vorliegende Analyseergebnis versucht, das Risiko für Gewalthandlungen zu senken und schwierige Situationen so zu deeskalieren.

Meldung an die Polizei

Sie wollen einen Vorfall oder Ihre Wahrnehmungen melden oder Ihre Feststellungen mit dem Dienst Gewaltschutz der Kantonspolizei Zürich besprechen und die Angelegenheit zur Beurteilung abgeben. Nehmen Sie direkt mit unserer Dienststelle Kontakt auf oder fordern Sie online über gewaltschutz(at)kapo.zh.ch unseren Erfassungsbogen an.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Webseite.

Literatur:

  • Füllgrabe, Polizei Niedersachsen, Kriminalistik 2001, Grundlagen der Gefahreneinschätzung, 799-804


  • Endrass, Rossegger, Urbaniok, Borchard, Intervention bei Gewalt- und Sexualstraftätern, Gerth, Graber, 393-401

 

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Hans Schmid arbeitet seit 26 Jahren bei der Kantonspolizei Zürich; davon 20 Jahre bei der Kriminalpolizei, vorwiegend im Bereich Milieu- und schwere Gewaltdelikte (Kapitalverbrechen). Seit dem 1. Dezember 2011 ist er Chef des neugeschaffenen Dienstes Gewaltschutz der Kantonspolizei Zürich.

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