«Ein anspruchsvoller Seiltanz»
Die Zukunft der Pensionskassen beschäftigt nicht nur die Politik. Auch das HR muss sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Die HR-Leiterin der Swiss Life Bettina Kurth und der HR-Leiter der Matterhorn Gotthard Bahn Christoph Kronig berichten über die Pensionskassensituation ihrer Unternehmen.
HR Today Nr. 10/2019: Sozialversicherungen – der Schein trügt. (Bild: 123rf)
Das Anlageumfeld der Pensionskassen ist anspruchsvoll. Das weiss Christoph Kronig als HR- Leiter der Matterhorn Gotthard Bahn und Geschäftsleiter der firmeneigenen Pensionskasse aus eigener Erfahrung. Seinen Mitarbeitenden attraktive Pensionskassenleistungen und Vorsorgesicherheit zu bieten, ist für ihn trotz Niedrigzinsumfeld und steigender Lebenserwartung das oberste Gebot: «Unsere Pensionskasse muss die notwendigen Beiträge erwirtschaften, ohne allzu grosse Risiken einzugehen.» Daneben habe das Unternehmen seine finanziellen Rentenverpflichtungen in einem angemessenen Bereich zu halten.
«Das ist ein anspruchsvoller Seiltanz, der Unangenehmes mit sich bringt.» Etwa, wenn es darum geht, die Leistungen der Lebenserwartung und dem Anlageumfeld anzupassen. Einen Schritt, den die Matterhorn Gotthard Bahn mit einer vierstufigen Senkung des Umwandlungssatzes von 6 auf 5,1 Prozent bereits getan hat und die Pensionskasse der Swiss Life noch vor sich hat: «Wie andere Pensionskassen wird unsere Vorsorgeeinrichtung den Umwandlungssatz per Januar 2021 senken», sagt HR-Leiterin Bettina Kurth von Swiss Life, bei der die Fachstelle Vorsorge mit der Geschäftsführung der Vorsorgestiftungen angegliedert ist. Die Krux der Pensionkassen-Misere liegt für sie unter anderem im festen Zinsversprechen der Renten: «Durch das anhaltend tiefe Zinsniveau müssen wir kurz- bis mittelfristige Anlageerträge nach unten korrigieren. Das wiederum verschärft die Rentenumverteilung. Für die heutigen Erwerbstätigen bleibt nur ein kleinerer Anteil des Anlageertrags übrig.»
Flexibilisierung Rentenalter
Reformen aufzuschieben, bedeutet für Christoph Kronig nicht, sie aufzuheben: «Die Anpassung der Altersvorsorge ist politisch unbestritten. Je länger wir damit warten, desto teurer wird es.» Nur auf die Politik zu setzen, ist für ihn kein gangbarer Weg: «Jede Pensionskasse muss eigene Lösungen für die Zukunft entwickeln. Wir sollten aber keinesfalls einen Generationenkonflikt schüren.» Das heisst für ihn, für Ausgleich zu sorgen. «Mit unseren Arbeitnehmervertretern haben wir vereinbart, Leistungseinbussen abzufedern, die wir gemeinsam tragen.»
Auch die Swiss Life setzt sich für ein Generationen-Miteinander ein. «Ältere Mitarbeitende müssen im Arbeitsmarkt integriert bleiben», fordert Kurth. «Dazu muss die Wirtschaft umdenken und neue Arbeitszeit- und Karrieremodelle entwickeln.» Bei der Swiss Life habe man deshalb ein Programm zur Integration und Förderung von 50+-Stellensuchenden entwickelt und ermögliche diesen, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen Praktika zu absolvieren.
Frühpensionierungen verlieren für Christoph Kronig und Bettina Kurth angesichts des demografischen Wandels zunehmend an Bedeutung. So hat die Pensionskasse der Matterhorn Gotthard Bahn die arbeitgeberfinanzierte AHV-Überbrückungsrente vor einigen Jahren um die Hälfte reduziert. Daneben habe sich auch die Höhe der Altersguthaben verringert. «Dadurch ist die Zahl der Frührenten gesunken. Nur wenige Mitarbeitende gehen heute noch mit 63 Jahren in Pension», sagt Kronig.
Nicht nur bei der Matterhorn Gotthard Bahn, auch bei der Swiss Life sind Frühpensionierungen rückläufig. «Deren Zahl hat sich stabilisiert», sagt Kurth. Das sei unter anderem auf die Initiative «Berufsleben aktiv gestalten» zurückzuführen, mit der Swiss Life die Arbeitsmarkt- und Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden sowie deren berufliche Selbstbestimmung über alle Lebensphasen hinweg sicherstellt. Doch was bedeutet die Flexibilisierung des Rentenalters? Für Swiss Life grundsätzlich, allen Mitarbeitenden verschiedene Arbeitsmodelle und -formen anzubieten. «Das reicht von Teilzeitarbeit über Mobile-Office-Möglichkeiten bis zu Auszeiten mit Ferieneinkäufen, Feriensparkonti, Sabbaticals oder unserem Modell 58+», sagt Bettina Kurth. Mit Letzterem können Mitarbeitende ab 58 Jahren ihr Arbeitspensum verringern oder ihre Führungsverantwortung abgeben, ohne dass sich ihre Rente reduziert, sofern ihr Lohn mehr als die Hälfte des bisherigen beträgt. Auch den Renteneintritt gestalten Swiss- Life-Angestellte flexibel und schieben ihren Ruhestand sogar bis zum Alter von 70 Jahren auf. «Spätestens dann werden sie aber pensioniert.» Wer wolle, könne aber auch dann noch weiterarbeiten.
Pensionierungsseminare
Den Übergang von der Erwerbsarbeit zur Pensionierung erleichtert die Matterhorn Gotthard Bahn den Mitarbeitenden mit zweitägigen Seminaren, in denen die Tagesgestaltung oder finanzielle Themen angesprochen werden. Eine Dienstleistung, die sie gemäss Christoph Kronig nur zu gern in Anspruch nehmen: «Für viele ist die Pensionierung eine Lebenssituation, in der sich plötzlich vieles verändert. Es ist schwierig, das allein zu bewältigen.»