Nationale Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement

«Ein vorübergehendes Leistungstief gehört zum Alltag»

Am 26. August 2015 findet wieder die Nationale Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement statt. Projektleiterin Chantale Merz Wagenaar über die Akzente und Highlights.

Frau Merz Wagenaar, der Titel der Tagung lautet «Arbeit und psychische Gesundheit». Warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Chantale Merz Wagenaar: Ich habe ganz bewusst dieses Thema gewählt; die Zeit ist reif, muss reif sein für dieses Thema. Wollen wir im BGM einen Schritt weiter kommen, ist es höchste Zeit, psychische Gesundheit endlich zu thematisieren – in der Gesellschaft und in Betrieben – und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ich denke, psychomentale Belastungen gehören zu den grössten Herausforderungen der Zukunft.

Welche Themen werden an der Tagung vorgestellt?

An der Tagung gibt es zuerst eine Basiseinführung zum Thema psychische Gesundheit. Verschiedene Firmen werden aufzeigen, wie sie mit dem Thema umgehen, wo Schwierigkeiten liegen und welche Lösungsansätze sie gefunden haben. Ein ehemaliger «Betroffener» wird zudem offen über seine Erfahrungen berichten. Wir legen besonderen Wert darauf, an der Tagung aktuelle Themen aufzugreifen und praxisnahes Wissen zu vermitteln.

Was ist Ihr persönliches Tagungshighlight?

Mein ganz persönliches Highlight ist die einmalige Themenpartnerschaft mit dem Netzwerk psychische Gesundheit und pro mente sane. Beide haben aktuell einen Themenschwerpunkt «Arbeitswelt» und hatten in diesem Jahr eine eigene Tagung zum selben Thema geplant. Drei Tagungen zum selben Thema im gleichen Jahr, das darf nicht geschehen, dachte ich mir. Daher haben wir ganz bewusst die Kooperation gesucht.

Haben Sie eine Erklärung, warum es in der Schweiz so viele psychisch Kranke gibt?

Wie viele psychisch Kranke es in der Schweiz aktuell gibt und ob die Anzahl in der letzten Zeit effektiv gestiegen ist oder wir einfach vermehrt darüber sprechen, weiss ich nicht. Tatsache ist, dass das Thema in der Gesellschaft und in den Medien präsenter geworden ist. Wir leben in einer schnelllebigen Zeit und die Anforderungen an uns alle sind gestiegen. In vielen Unternehmen gehören heute Reorganisationen, Restrukturierungen oder Change Management-Prozesse zum Alltag. Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, gerade auch bei älteren Mitarbeitenden, permanenter Leistungsdruck, unzureichende Entscheidungsspielräume, geringe Wertschätzung und der fehlende Teamzusammenhalt ist in vielen Betrieben Realität. Wir müssen heute permanent in allen Bereichen leistungsfähig sein. Mails sollen sofort und möglichst zu jeder Zeit beantwortet werden. Teams bearbeiten keine Teamziele mehr, sondern jeder verfolgt Einzelziele, welche sich oft sogar konkurrenzieren.

Was können Firmen dagegen tun?

Die aktuellen Megatrends wie Beschleunigung, Autonomie, Mobilität und Flexibilität erfordern vom Betrieb, aber auch von den Mitarbeitenden neue Kernkompetenzen, um die Gesundheit langfristig zu erhalten. In Zukunft werden Kompetenzen wie die Fähigkeit zur Selbstorganisation und Abgrenzung immer wichtiger. Mitarbeitende sollten unbedingt erkennen und lernen, wie sie sich am besten erholen und mit der heutigen Schnelllebigkeit und Instabilität der Gesellschaft umgehen können.

Betriebe sollten aus meiner Sicht vermehrt in die Stärkung der Eigenkompetenzen investieren, damit Mitarbeitende mit den erhöhten Leistungsanforderungen und gesellschaftlichen Entwicklungen besser umgehen können. Auch das soziale Klima respektive die Unternehmenskultur spielt eine wichtige Rolle und sollte viel mehr beachtet werden. Zudem sollte das Thema psychische Gesundheit im Betrieb thematisiert werden und endlich dazu stehen, dass ein vorübergehendes Leistungstief zum Alltag mit dazu gehört. Firmen sollten zudem auf den vorhandenen Stärken der Mitarbeitenden aufbauen und in Mitarbeitergesprächen den Fokus weniger auf Schwächen legen.

Infos zur Tagung.

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