Employer Branding schlagkräftiger machen
Die Talent-Management-Agentur oona+ hat 15 erfolgreiche Unternehmen in der Schweiz untersucht und die Faktoren Relevanz, Ressourcen und Kompetenzen als Schlüsselfaktoren für ein schlagkräftiges Employer Branding identifiziert.
Ein schlagkräftiges Employer Branding geht nicht so schnell vergessen. (Bild: iStock)
Da ist sie wieder: Die neue Recruiting-Kampagne der Konkurrenz. Sie begleitet einen im Tram, prangt an der Strassenseite auf einem Plakat und erscheint sogar bei der Morgenlektüre der Tagesneuigkeiten im Netz. Sie kommt ansprechend, frisch und sympathisch daher. «Weshalb schaffen wir das nicht?», fragt man sich da. «Unsere Stellen bleiben monatelang unbesetzt, die Linie beklagt sich, die Mitarbeitenden laufen am Limit oder verlassen uns. Zwar haben wir Unterschiedliches versucht, doch viel ist dabei nicht rausgekommen. Wie machen die das nur?»
Eine Disziplin hat sich professionalisiert
Das Employer Branding hat in den letzten zehn Jahren Einzug in Unternehmen gehalten. Durch den Fachkräftemangel hat das Thema nochmals enormen Aufwind erhalten. Es wurden Stellen geschaffen, Teams gebildet und Ressourcen gesprochen. Kurz: Viele Unternehmen haben sich besser aufgestellt. Der Teich, in dem die Unternehmen nach den Talenten fischen (oder unterdessen jagen), wurde dadurch jedoch nicht grösser. Der Kampf um Fach- und Arbeitskräfte hat sich generell intensiviert und professionalisiert. Employer Branding machen unterdessen auch die «anderen».
Das sind gute Nachrichten für die Arbeitnehmenden. Ob aktiv oder passiv auf Stellensuche oder durchwegs zufrieden mit der aktuellen Situation: Je mehr sich Unternehmen mit den Menschen beschäftigen, die bei ihnen arbeiten sollen oder dies bereits tun, desto besser geht es diesen. Die korrekt ausgerichtete Arbeitgebermarke in ein ganzheitliches, authentisches Erlebnis zu übersetzen – das ist die grosse Kunst. Dabei geht es nicht darum, den Bewerbenden oder Mitarbeitenden immer mehr zu bieten. Wichtig ist vielmehr, das Richtige zu bieten. Und das ist nicht immer das, was in den letzten 20 Jahren funktioniert hat. Employer Branding ist gekommen, um zu bleiben. Eine vorübergehende Entschärfung des Fach- und Arbeitskräftemangels sollte von Unternehmen als Chance gesehen werden, sich gut für die unausweichliche Zuspitzung des ohnehin bereits umkämpften Arbeitnehmermarkts aufzustellen.
Studie «oona+ Employer Branding Navigator»
Die Erstausgabe des «oona+ Employer Branding Navigators» wurde anhand von qualitativen Interviews mit Employer-Branding-Verantwortlichen sowie Spezialistinnen und Spezialisten für Talent Acquisition folgender Unternehmen erstellt: AMAG Gruppe, Baloise, CSS, Die Post, Ergon Informatik, Helvetia Versicherungen, KPMG, Migros-Gruppe, SBB, PostFinance, Siemens, Sunrise, Swisscom, Universitätsspital Zürich, Zürcher Kantonalbank. Die Studie kann unter folgendem Link kostenlos bezogen werden: oona.plus/ebn
Formel für schlagkräftiges Employer Branding
Der «oona+ Employer Branding Navigator» hat 15 Unternehmen untersucht, die schlagkräftiges Employer Branding in der Schweiz betreiben (siehe Box). Analysiert wurde, was in den letzten zwei Jahren umgesetzt wurde, wo ihr Employer Branding heute steht, wie sie sich organisieren und was ihre Erwartungen für die Zukunft sind. Eine zentrale Frage war, weshalb genau diesen Unternehmen ein gutes, sinnvolles und effektives Employer Branding gelingt. oona+ hat dabei drei Aspekte identifiziert, die einen massgebenden Einfluss auf den Erfolg des Employer Branding haben: Relevanz, Ressourcen und Kompetenzen.
Daraus kann folgende Formel abgeleitet werden: Relevanz × Ressourcen × Kompetenzen = Schlagkraft Employer Branding
1. Relevanz
Die Relevanz zeigt sich durch die Wahrnehmung, die Bekanntheit und das Vertrauen in das Team oder die themenverantwortliche Person. Alle untersuchten Unternehmen berichten von einer starken unternehmensinternen Zunahme der Wichtigkeit und Relevanz des Themas in den letzten Jahren. Einerseits hat der Fachkräftemangel als Katalysator gewirkt. Andererseits sind die Verantwortlichen seit Jahren sehr in das Thema und dessen Wahrnehmung investiert. Unzählige Stunden an Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit liegen hinter ihnen.
Relevanz entsteht also einerseits durch externe Einflüsse wie Marktsituation, Wachstum oder Prioritäten aus der Geschäftsleitung, aber eben auch durch internes Lobbying und hartnäckiges «Auf-die-Agenda-Setzen». Ist die Relevanz im Unternehmen noch nicht da, wo sie sein sollte, ist es wichtig, sich zu involvieren, so oft wie möglich zu informieren, Synergien zu nutzen, strategisch relevant zu sein, das Thema möglichst hoch in der Hierarchie aufzuhängen und mit Wirkung zu überzeugen.
2. Ressourcen
Die Ressourcen bestimmen, wie viel in welcher Zeitspanne angepackt werden kann. Die Ressourcen teilen sich in Personaleinheiten und finanzielle Budgets auf. Um sie zu erhalten, braucht es einen überzeugenden Business Case. Argumente für Investitionen in Employer Branding finden sich primär dort, wo es dem Unternehmen weh tut: bei der Rekrutierung und der Fluktuation. Die absolute Mehrheit der untersuchten Unternehmen hat die Ressourcen in den letzten zwei Jahren weiter erhöht.
Mit zunehmenden Ressourcen werden jene Unternehmen, die bereits vor zwei Jahren als gute Arbeitgebende aufgestellt waren, noch präsenter, noch taktisch gewiefter, noch kreativer und noch näher bei den Zielgruppen sein. Das sind schlechte Nachrichten für Führungskräfte, die denken, dass Employer Branding eine Aufgabe für eine Praktikantin oder einen Praktikanten ist.
3. Kompetenzen
Die Kompetenzen sind ein weiterer wichtiger Aspekt für ein schlagkräftiges Employer Branding. Employer Branding ist eine Mischdisziplin aus HR, Marketing, Kommunikation und digitalen Fähigkeiten. Politisches Geschick, Projektleitung, kommunikative Fertigkeiten und weitere, situationsabhängige Fähigkeiten kommen dazu. Diese können in einer Person vereint sein, in einem Team aufgeteilt oder extern dazugekauft werden. Alle untersuchten Unternehmen arbeiten mit diversen Abteilungen zusammen und holen die Kompetenzen durch Rekrutierungen und Agenturen direkt ins Team.
Essenziell ist, dass ein Unternehmen erkennt, welche Kompetenzen intern zugänglich sind und was dazugeholt werden muss. Ehrlichkeit mit sich selbst hilft.
Blick in die nahe Zukunft
Die fünf wichtigsten Themen im Employer Branding von heute und morgen sind:
- Spezifische Zielgruppen ansprechen und gewinnen (Tendenz steigend).
- Markenbekanntheit und Image stärken (Tendenz konstant).
- Social-Media-Reichweite und digitale Kontaktpunkte erhöhen (Tendenz sinkend).
- Arbeitgeberpositionierung (EVP) und Arbeitgebermarke (weiter-)entwickeln (Tendenz steigend).
- Performance-orientierte Kampagnen (Tendenz sinkend).
Klar erkennbar ist: Der Markt wird nicht einfacher. Jene Unternehmen, die schon viel investieren, arbeiten unerschöpflich daran, die vorhandenen Ressourcen noch zielführender einzusetzen, schaffen relevante Kontaktpunkte und bauen Netzwerke auf kreative Art und Weise auf. Denn sie erwarten für den Arbeitsmarkt folgende Entwicklungen:
- Der Fachkräftemangel nimmt weiter zu.
- Die Probleme verschieben sich zwischen den Berufsgruppen.
- Die Loyalität der Mitarbeitenden nimmt weiter ab.
- Die Arbeitgeberattraktivität und -positionierung wird noch wichtiger.
- Das Vergleichen von verschiedenen Arbeitgebenden wird für Fachkräfte immer einfacher.
- Viele gängige Arbeitsmodelle sind überholt.
Vertrauensvorschuss für die Zukunft
Jede Organisation muss ihren eigenen Stil im Employer Branding finden. Kopieren hilft selten, sich inspirieren lassen ist aber ein guter Ansatz. Employer Branding braucht die nötige Relevanz. Diese kommt nicht von heute auf morgen. Die erforderliche Zeit müssen Unternehmensleitungen den Verantwortlichen zur Verfügung stellen. Weiter braucht es die notwendigen Ressourcen und eine Vielzahl an Kompetenzen, die nicht in der HR-Abteilung oder sogar im Unternehmen zu finden sind. Liebe Führungskräfte: Employer Branding ist keine 20-Prozent-Nebentätigkeit oder eine blosse Stellenbeschreibung. Es ist eine Investition des Unternehmens in die Sicherung des eigenen Überlebens in den kommenden Jahren. Denn die «Ressource» Mensch wird immer knapper in den industrialisierten Ländern. Auch wenn die anderen schon sehr viel machen: Es ist noch nicht zu spät, um aufzuholen!