Hype or Unnötig?

Entzaubert: Fünf Mythen zu Social Recruiting-Videos

Beim Thema Fachkräftemangel fällt das Stichwort «Social Recruiting» schnell. Noch vor Kurzem als das Heilmittel «gehyped» (nein, das ist es nicht, das wurde lediglich von Werbeagenturen und Quereinsteigenden behauptet), etablieren sich Social-Recruiting-Videos gerade als Standardwerkzeug bei der Personalsuche.

Als wohl beliebtestes Medium für Social Recruiting haben sich Videos etabliert. Diese gelten als Glaubwürdigkeitsbooster für die Arbeitgebermarke und als vertrauenswürdiger als reine Texte und Fotos. Sie transportieren auf leichtfüssige Weise Kultur und Werte eines Unternehmens und sprechen eine eigene Sprache, mit der die Zielgruppen erreicht und fürs Unternehmen begeistert werden können. Und sie sind aufmerksamkeitstreibende Appetithäppchen.

Allerdings ranken sich immer noch zahlreiche Mythen um Social-Recruiting-Videos. Im Folgenden entzaubern wir fünf davon:

Mythos 1: Social-Recruiting-Videos sind Imagefilme

Imagefilme dienen der Unternehmens- und Produktwerbung. Wer wirbt, zeigt seine positiven Seiten möglichst beeindruckend. Oft wird zu einer visuellen Reise durch moderne Büros mit sympathischen Menschen und durch die Erfolgsgeschichte geladen, begleitet von einer eingänglichen Stimme. Mit Imagefilmen werden vorrangig die Kundschaft, das Aktionariat und andere Stakeholder beeindruckt – sie sollen für ein positives Gesamtbild des Unternehmens sorgen.

Recruiting-Videos haben jedoch eine andere Zielgruppe. Sie sollen mögliche Bewerberinnen und Bewerber ansprechen sowie neue Talente und Expertinnen und Experten anlocken. Und diese haben andere Kriterien: von Werten und Weiterbildungsmöglichkeiten über Family-Job-Balance bis hin zu einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitsverpflichtung. Sie wollen das Unternehmen so kennenlernen, wie sie es später als Angestellte erleben.

Wer beschönigt, übertreibt oder Greenwashing betreibt, tut sich und den potenziellen neuen Mitarbeitenden keinen Gefallen. Diese suchen schnell wieder das Weite, wenn sie nicht das vorfinden, was ihnen vollmundig versprochen wurde. Recruiting-Videos müssen also glaubwürdig und unverfälscht sein. Um echte Stimmen sprechen zu lassen und reale Situationen zu zeigen, bieten sich Interviews oder Reportagen an, die einen Blick hinter die Kulissen erlauben. Werbe- oder Imagefilme eignen sich dafür nicht.

Es gibt jedoch eine Ausnahme: (werbliche) Recruiting-Videos, deren Hauptziel es ist, auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Diese schicken bei einem Klick auf das Video zum Beispiel zur Karriereseite, wo der Akquiseprozess fortgesetzt wird. Diese Werbe-Recruiting-Videos dienen quasi als Trailer für das Unternehmen.

Mythos 2: Recruiting-Videos bringen mehr Bewer­bungen

Gute Recruiting-Videos verschaffen echte Einblicke und zeigen damit reale Sachverhalte. Sie adressieren vorausschauend Fragen und Themen, die die Bewerberinnen und Bewerber bewegen. Was der einen gefällt, sagt dem anderen nicht zu. Und das ist gut so, denn ein Unternehmen will Mitarbeitende, die zum Job, zu den Werten und ins Team passen. Bewerberinnen und Bewerber, die sich aufgrund der Videos gegen die Anstellung entscheiden, wären wohl bereits in der Probezeit wieder abgesprungen.

Mit einem guten Recruiting-Video steigt also nicht die Zahl der Bewerbungen, sondern vor allem die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich passende Talente eingestellt werden. Recruiting-Videos stellen Entscheidungshilfen für die Bewerbung dar. Damit Interessierte sich entscheiden können, ist es wichtig, ihnen im Video eine glaubhafte und realistische Darstellung des Unternehmens zu vermitteln. Es führt am Ziel vorbei, für einen kurzfristigen Einstellungserfolg eine Welt vorzuspielen, die sich später im Arbeitsleben nicht konkretisiert.

Mythos 3: Eine ruckelnde Kameraführung erhöht die Authentizität

TikTok und Co. zeigen: Unternehmen können ihre eigenen Recruiting-Videos erstellen. Es ist jedoch ein Trugschluss, zu glauben, dass ein Video mit minimalen Mitteln, ohne Dramaturgie und ohne technische Ausstattung besonders authentisch und überzeugend wirkt. Eine mangelhafte Produktion mindert die Qualität der Inhalte und kann sogar kontraproduktiv sein. Typische Fehler beim ersten Mal sind:

  • Bildgestaltung: Wird eine Person auf- oder untersichtig (Vogel- respektive Froschperspektive) gezeigt, blickt sie gerne an der Kamera vorbei. Und auch die gewählte Brennweite kann mitentscheiden, ob eine Person sympathisch wirkt oder nicht. Es sollte deshalb besser etwas mehr Zeit investiert als auf Zufallsergebnisse gehofft werden.
     
  • Tonqualität: Wer direkt ins Mikrofon des Smartphones spricht und sich nicht mit einem Ansteck- oder Handmikrofon ausstattet, produziert schnell eine schlechte Tonqualität. Da hört niemand gerne zu.
     
  • Mangelnde Dramaturgie: Ohne Dreh- oder Schnittkonzept gibt es keinen roten Faden, keinen Spannungsbogen, keine Heldenreise. Die oder der Zuschauende fragt sich, worauf das Video abzielt.
     
  • Licht: Licht schafft Atmosphäre oder kann diese zerstören. Schlechtes Licht lässt die Protagonisten um Jahrzehnte altern und krank wirken. Durch die Kamera werden Schwächen beim Licht gnadenlos offenbart.
     
  • Unzureichende Postproduktion: Ein guter Filmschnitt ist Gold wert. Werden Aussagen jedoch schlecht geschnitten, die Schnitte schlecht aufeinander abgestimmt, wirkt das Video langweilig und hebt nicht die wesentlichen Themen hervor. Auch die Szenenabfolge beeinflusst die Wahr­nehmung der Inhalte enorm, ähnlich der Wortabfolge bei Texten.

Mythos 4: Recruiting-Videos müssen ausgefallen bis schräg sein

Ein Recruiting-Video sollte den strategischen Grundsätzen des Employer Brandings folgen. Wie sehr der Inhalt «aufdrehen» soll, hängt davon ab, was erreicht werden soll und in welchem Kontext es zu sehen sein wird. Meistens werden Recruiting-Videos auf den Karriereseiten oder auf Social Media gezeigt.

Bewerberinnen und Bewerber schätzen Unternehmen mit einer authentischen Wertekultur. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Möglichkeit zur Weiterbildung, die Remote-Office-Option und auch die Chance zur ­Mit­gestaltung des Unternehmens werden immer wichtiger. Genau solche Inhalte sollten Recruiting-Videos auf emotional ansprechende Weise zeigen, um der Zielgruppe die Ent­scheidung zu erleichtern.

Natürlich ist nichts gegen einen humorvollen und vielleicht sogar ausgefallenen Film einzuwenden, sofern die Botschaft und die Tonalität in den Unternehmenskontext passen. Es kommt immer darauf an, welcher Art das Unternehmen ist. Beispielsweise hat eine Lifestyle-Marke sicherlich andere Handlungsmöglichkeiten als eine Steuerberatung.

Mythos 5: Recruiting-Videos sind «nice to have»

Natürlich muss das Recruiting nicht zwingend mit Videos arbeiten. Die Tendenz geht allerdings dahin, dass Recruiting-Videos ein fester Bestandteil des Employer Brandings werden. Gerade um die Gen Z zu erreichen, kommt man an Videos kaum vorbei. Schliesslich haben sich Social-Media-Kanäle wie TikTok, die rein auf Videos setzen, als eine der wichtigsten Informationsquellen der Gen Z etabliert. Auch «LinkedIn» setzt immer stärker auf dieses Medium.

Im Recruiting sind Videos somit eine perfekt passende Mög­lichkeit, sich als glaubwürdiges, fortschrittliches und attraktives Unternehmen zu präsentieren. Aber auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahme.

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Lawrence Steele
Lawrence Steele finanzierte sein Filmstudium (Middlesex University und Film­akademie Baden-Württemberg) mit der Arbeit als Headhunter. Seine Firma LiveJobs AG hat Recruiting- und Job-Videos unter anderem für Galenica, SBB, Migros, Bayer, Wincasa und den Kanton Zürich sowie Werbefilme beispielsweise für Mercedes-Benz, DB, SBB und Coca-Cola gedreht. livejobs.ch
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