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Entwicklungsmassnahmen mit Wirkung

Personalentwicklungsmassnahmen sollen deutlich zum Unternehmenserfolg beitragen, so dass die damit verbundenen Investitionen gerechtfertigt sind. Erkenntnisse aus der Lerntransferforschung zeigen, wie sich die Wirkung von Entwicklungsmassnahmen messen lässt und wie Vorgesetzte, Teilnehmende und Personalentwickler diese Wirkung steigern können.

Mitarbeitende stellen als Wissensträger für Unternehmen einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar – teilweise sogar ein Herausstellungsmerkmal. Der Unternehmenserfolg, so wird argumentiert, hängt zukünftig davon ab, wie schnell Mitarbeitende sich neues Wissen aneignen können und dieses im Arbeitsalltag anwenden. Investitionen in Entwicklungsmassnahmen gewinnen vor diesem Hintergrund an strategischer Bedeutung. Nach wie vor können aber die wenigsten Unternehmen beurteilen, ob und welche Investitionen in Personalentwicklungsmassnahmen die gewünschte Rendite zeigen.

Neue Erkenntnisse aus der Lerntransferforschung

Seit vielen Jahren wird versucht, die Wirkung von Personalentwicklungsmassnahmen zu quantifizieren und so die damit verbundenen Kosten zu begründen. Der Erfolg des Lerntransfers – verstanden als Anwendung und Umsetzung erworbener Kompetenzen im Arbeitsalltag – ist dabei gemäss Zech (2008) der zentrale Wirkungsindikator. Nicht was gelernt, sondern was angewendet wird, entscheidet über den Unternehmenserfolg.

Die Lerntransferforschung machte in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte. Zwei Ansätze setzen sich zur Wirkungsmessung zunehmend durch: Das Massnahmen-Erfolgs-Inventar (von Kauffeld, Brennecke und Stark aus dem Jahr 2009) sowie das Lerntransfer-System-Inventar (von Kauffeld, Bates, Holton und Müller aus dem Jahr 2008).

Ergebnisbezogene Messung mit Grenzen

Das Massnahmen-Erfolgs-Inventar hat zum Ziel, das Ergebnis von Personalentwicklungsmassnahmen zu untersuchen. Folgende vier Ebenen werden betrachtet:

  1. Die unmittelbare Reaktion der Teilnehmenden, z.B. durch Messung der unmittelbaren Zufriedenheit mit Fragebögen.
  2. Die Verbesserung des Fachwissens oder der Fertigkeiten, z.B. durch Wissenstests oder Fallstudien.
  3. Verhaltensänderungen am Arbeitsplatz, z.B. durch Arbeitsproben oder Verhaltensbeobachtungen.
  4. Auswirkungen des geänderten Verhaltens auf betriebliche Kennzahlen wie z.B. Produktivität, Qualität oder Kosten.

In der Praxis findet diese ergebnisbezogene Messung bisher nur teilweise Anwendung: Unternehmen erheben oft die Teilnehmerzufriedenheit und überprüfen allenfalls noch den Lernerfolg (Ebenen 1 & 2). Der Aufwand zur Beurteilung von Verhaltensänderungen oder einer Ergebnisverbesserung (Ebenen 3 & 4) wird dagegen eher gescheut. Zudem hat die ergebnisbezogene Wirkungsüberprüfung Grenzen. Die Zufriedenheit der Teilnehmenden z.B. sagt nicht zwangsläufig etwas über den tatsächlichen Lern- und Transfererfolg aus: Werden Teilnehmende durch die Entwicklungsmassnahme stark gefordert, äussern sie sich vielleicht eher unzufrieden, obwohl sie mehr lernen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die prozessbezogene Messung an Bedeutung.

Prozessbezogene Messung mit Hinweisen zur Wirkungsverbesserung

Bei der prozessbezogenen Wirkungsüberprüfung geht es darum, transferfördernde und transferhemmende Einflussfaktoren zu identifizieren. Das Lerntransfer-System-Inventar geht davon aus, dass das Ergebnis von Entwicklungsmassnahmen – also die verbesserten individuellen Leistungen und Unternehmensresultate – primär auf drei Faktoren zurück zu führen ist:

  1. Die Motivation des Mitarbeitenden, z.B. durch eigene Anstrengungen beim Lerntransfer oder durch Verhaltensänderungen bessere Leistungen zu erzielen. Diese Motivation wird wiederum beeinflusst durch die Selbstmanagement-Fähigkeit des Teilnehmenden. Lerntransferanstrengungen erfolgen nur dann, wenn an die eigene Selbstwirksamkeit geglaubt wird.
  2. Das Umfeld, z.B. die Unterstützung und Offenheit der Vorgesetzten und Kollegen beim Lerntransfer.
  3. Die Möglichkeiten zur Anwendung, z.B. die dazu erforderliche zeitliche Kapazität oder die anspruchsvolleren Aufgaben.

Unternehmen können die genannten drei Einflussfaktoren mit einem standardisierten Fragebogen überprüfen, der im Netz oder von entsprechenden Beratungsunternehmen kostenpflichtig beschafft werden kann. Fehlt unternehmensintern das Know-how für die Befragungen, empfiehlt es sich, für die erstmalige Durchführung externe Unterstützung beizuziehen.

Der mit der Befragung verbundene Aufwand lohnt sich vor allem dann, wenn es sich um zeit- und kostenintensive Entwicklungsmassnahmen handelt, die wiederholt durchgeführt werden. Unabhängig der Fragebogenanwendung liegt der Mehrwert des Lerntransfer-System-Inventars aber vor allem darin, dass dieses Hinweise zur Lerntransferverbesserung liefert. Die Möglichkeiten sind vielfältig und können nach Kauffeld (2010) thematisch in die Bereiche Teilnehmende, Arbeitsumgebung und Trainingsaufbau gruppiert werden. Wenden Vorgesetzte, Personalentwickler und Teilnehmende auch nur einen Teil dieser Mittel an, kann die Wirkung von Entwicklungsmassnahmen in kurzer Zeit massiv erhöht werden.

Selbstverantwortung der Teilnehmenden

Damit Entwicklungsmassnahmen die gewünschte Wirkung zeigen, ist es wertvoll, wenn Teilnehmende – alleine oder zusammen mit dem Vorgesetzten oder dem Personalentwickler – vor einer Weiterbildung ihre Erwartungen klären: Welche Wissens- oder Verhaltensziele wollen sie konkret erreichen und welche Bildungsinhalte helfen ihnen dabei? Während der Weiterbildung sind Lernjournale mit notierten Lessons Learned sowie am Ende formulierte Transferziele und -projekte sehr hilfreich. Diese erleichtern nach der Weiterbildung den Transfer in die Praxis, was durch ein Telefoncoaching mit dem Trainer oder dem aktiven Einholen von Feedback von Arbeitskollegen und Vorgesetzten unterstützt werden kann. Zusätzlich lässt sich die Verbindlichkeit der Transferziele durch deren Verknüpfung mit der Leistungsbeurteilung erhöhen.

Schaffen einer transferfördernden Arbeitsumgebung

Die grösste Lerntransfermotivation nimmt ab, wenn neue Ideen konsequent abgeschmettert werden, Zeitressourcen zum Ausprobieren neuer Fähigkeiten fehlen oder die Funktion das Anwenden des neuen Wissens gar nicht erlaubt. Vorgesetzte, aber auch Kollegen sind deshalb gefordert, eine transferfördernde Arbeitsumgebung zu schaffen. Die Wirksamkeit von Personalentwicklungsmassnahmen wird erhöht, wenn der Vorgesetzte neue, anspruchsvollere Aufgaben überträgt oder Freiräume zum Ausprobieren schafft. Zudem lassen sich verbesserte Leistungen auch mit Lob oder gar Prämien honorieren. Die Arbeitskollegen unterstützen den Entwicklungserfolg, indem sie nach den wichtigsten Erkenntnissen aus der Weiterbildung fragen und diese selber anwenden oder konstruktives Feedback zu Verhaltensänderungen geben. So entsteht eine Lernkultur, die sich nicht nur auf die einzelne Person, sondern auf das ganze Unternehmen positiv auswirkt. Wissen wird im Arbeitsalltag dadurch rascher aufgenommen und integriert.

Passgenaue Entwicklungsmassnahmen

Neben der Motivation des Teilnehmenden und der Arbeitsumgebung entscheidet final natürlich auch die Entwicklungsmassnahme selber über die mit ihr erzielte Wirkung. Personalentwickler und Trainer unterstützen den Erfolg, indem sie vorgängig die Bedürfnisse der Teilnehmenden erfragen und die Schwerpunkte der Entwicklungsmassnahme auf diese ausrichten. Zusätzlich können sie durch eine Vorbereitungsaufgabe bereits im Vorfeld eine Auseinandersetzung mit den Inhalten motivieren. Während der Weiterbildung erhöhen ein starker Praxisbezug, realitätsnahe Übungen sowie Fallstudien und Praxisbeispiele den nachhaltigen Erfolg.

Ein Zusammenspiel von Personalentwicklern, Teilnehmenden und Vorgesetzten

Die Wirkung von Personalentwicklungsmassnahmen lässt sich also mittlerweile tatsächlich messen – auch wenn die Berechnung eines Returns on Investment nach wie vor nicht möglich ist. Die Erkenntnisse aus der Lerntransferforschung und speziell aus dem Lerntransfer-System-Inventar zeigen aber vor allem, wie die Wirkung einer Entwicklungsmassnahme durch Teilnehmende, Vorgesetzte und Personalentwickler gemeinsam unterstützt werden kann. Damit bieten sie uns konkrete Mittel, um den Erfolg der Investitionen in Personalentwicklungsmassnahmen deutlich zu erhöhen und somit sowohl das Unternehmen wie auch die einzelnen Mitarbeitenden für den Wettbewerb zu stärken.

Quellen

  • Kauffeld, Simone. (2010). Nachhaltige Weiterbildung. Betriebliche Seminare und Trainings entwickeln, Erfolge messen, Transfer sichern. Berlin Heidelberg: Springer Verlag GmbH.
  • Kauffeld, Simone, Julia Brennecke, Micha Strack (2009). Erfolge sichtbar machen: Das Massnahmen-Erfolgs-Inventar (MEI) zur Bewertung von Trainings. In: Simone Kauffeld, Sven Grote und Ekkehart Frieling (Hrsg.), Handbuch Kompetenzentwicklung. Stuttgart: Schäfer-Poeschel (55-78).
  • Kauffeld, Simone, Reid Bates, Elwood F. Holton III und Annette C. Müller (2008), Das deutsche Lerntransfer-System-Inventar (GLTSI): Psychometrische Überprüfung der deutschsprachigen Version, Zeitschrift für Personalpsychologie: 7(2), 50-69.
  • Zech, Rainer (2008): Handbuch Qualität in der Weiterbildung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.

 

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Pascal Romann hat Abschlüsse in Betriebswirtschaft sowie Literatur und arbeitet seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen in einem international aufgestellten Unternehmen. Unter dem Namen ChangeUp unterstützt er Unternehmen bei Change-Prozessen. Zusammen mit seinem Bruder Philipp Romann ist er zudem tätig im gemeinsamen Unternehmen toolbox: Sie bieten Trainings und Workshops mit den Schwerpunkten Auftritts- und Präsentationskompetenz sowie Konfliktmanagement. www.die-toolbox.com, www.change-up.com

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Philipp Romann ist diplomierter Schauspieler mit langjähriger Theater-, Film- und Regieerfahrung. Zusammen mit seinem Bruder Pascal Romann ist er zudem tätig im gemeinsamen Unternehmen toolbox: Sie bieten Trainings und Workshops mit den Schwerpunkten Auftritts- und Präsentationskompetenz sowie Konfliktmanagement. www.die-toolbox.com, www.change-up.com
 

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