«Es braucht politischen Druck, damit etwas geschieht»
Ende November 2014 hat der Bundesrat mit dem Beschluss, für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen von grossen börsenkotierten Firmen eine 30-Prozent-Frauenquote einzuführen, für eine kleine Sensation gesorgt. Ein Beschluss, der nicht zuletzt dem Engagement von Simonetta Sommaruga zugeschrieben wird. Die Bundespräsidentin im Gespräch mit HR Today über die Quote, ihren Werdegang an die Macht und die Frauenförderung in ihrem eigenen Departement.
«Ich verlange in der Shortlist der Bewerbungen immer mindestens eine Frau.» Simonetta Sommaruga, Bundespräsidentin. (Foto: EJPD, Sebastian Magnani)
Haben Sie sich als Mädchen oder junge Frau je erträumt, einmal Bundespräsidentin der Schweiz zu sein?
Simonetta Sommaruga: Nein, ich wollte ja Musikerin werden und bin das auch geworden; in die Politik bin ich erst später eingestiegen. Ein Schlüsselmoment war meine Arbeit im Haus für geschlagene Frauen in Fribourg. Da war für mich klar, dass ich mich politisch engagieren will. Auch die Arbeit beim Konsumentenschutz habe ich stets als politisches Engagement verstanden. Mich einzusetzen für jene, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, das motiviert mich.
Ende November 2014 haben Sie sichtlich erfreut den bundesrätlichen Beschluss kommuniziert, für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen von grossen börsenkotierten Firmen eine 30-Prozent-Frauenquote einzuführen. Was sind Ihre Kernargumente?
Es ist eine Tatsache, dass der Frauenanteil in den Verwaltungsräten und Unternehmensleitungen seit Jahren gering ist, obwohl es Frauen gibt, die bereit wären und qualifiziert sind, solche Führungsfunktionen zu übernehmen. Es ist ja bekannt, dass in gemischten Teams besser gearbeitet wird. Umso erstaunlicher, dass diese Veränderungen nicht von den Unternehmen selber angestrebt und erreicht werden.
Allerdings wären die Sanktionen bei einem Verstoss eher mild: Die Firmen müssen sich nach dem Prinzip «comply or explain» einzig «erklären». Inwiefern wird das als Druckmittel ausreichen und was entgegnen Sie dem Vorwurf, wonach diese Massnahme die Wirtschaft über Gebühr reguliere?
Es braucht offenbar den politischen Druck, damit etwas geschieht. Mit dem Ansatz «comply or explain» lassen wir den Unternehmen gleichzeitig genügend Spielraum, damit sie ihre Verantwortung selber wahrnehmen können.
Und was entgegnen Sie andererseits der Kritik, wonach eine Quote von «nur» 30 Prozent zu wenig weitreichend sei?
Heute haben 60 Prozent der börsenkotierten Unternehmen keine einzige Frau im Verwaltungsrat. Bei dieser Ausgangslage sind 30 Prozent ein gutes Ziel, das sich auch erreichen lässt.
In den Geschäftsleitungen Ihrer drei grossen Verwaltungseinheiten – Staatssekretariat für Migration, Bundesamt für Polizei Fedpol, Bundesamt für Justiz – erreichen Sie in Ihrem eigenen Departement, dem EJPD, die 30 Prozent noch nicht.
Entscheidend für meine Zwischenbilanz sind die Neuanstellungen während meiner Amtszeit. Hier darf ich feststellen: Der Frauenanteil bei den neuen Mitarbeitenden in den Geschäftsleitungen liegt bei 36 Prozent. Im Bundesamt für Polizei Fedpol, wo es viele klassische «Männerberufe» gibt, konnte ich mit Nicoletta della Valle erstmals eine Direktorin anstellen.
Welche Massnahmen der Frauenförderung haben Sie konkret ergriffen?
Ich verlange in der Shortlist der Bewerbungen immer mindestens eine Frau. Und wenn keine Frau gewählt wird, überlege ich mir, welche Frauen man für die nächste Stelle aufbauen kann.
Zur Person
Simonetta Myriam Sommaruga (55) ist seit November 2010 Bundesrätin und Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Seit dem 1. Januar 2015 ist sie Bundespräsidentin der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Sommaruga wuchs mit zwei Brüdern und einer Schwester in Sins (AG) auf. Sie besuchte das Gymnasium in Immensee (SZ) und schloss mit der Matura ab. Anschliessend bildete sie sich in Luzern, Kalifornien und Rom zur Pianistin aus. Nationale Bekanntheit erlangte Sommaruga in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, die sie von 1993 bis 1999 ausübte. Von 1999 bis 2003 war sie für die SP als Nationalrätin aktiv, danach gehörte sie bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat dem Ständerat an. Sommaruga ist mit dem Schriftsteller Lukas Hartmann verheiratet und wohnt in Spiegel bei Bern.