Wie es Frauen an die Spitze schaffen
Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder schlechtes Selbstmarketing: Es gibt zahlreiche vermeintliche Gründe, weshalb so wenig Frauen in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen vertreten sind. Doch welches sind die tatsächlichen Ursachen? Wir haben Executive Coach Sonja A. Buholzer dazu befragt.
Sonja A. Buholzer ist eine der ersten Frauen, die in der Schweiz als Bankdirektorin tätig war. Vor zwanzig Jahren gründete sie das Unternehmen Vestalia Vision und arbeitet seitdem als internationale Beraterin und Executive Coach. Sie ist zudem Autorin mehrerer Besteller. Ihr letztes Buch «Women Power» erschien 2014 im Orell Füssli Verlag. (Foto: zVg)
«Frauen sind leiser, schlechter vernetzt und weniger selbstbewusst», beantwortet Dr. Sonja A. Buholzer die Frage, woran es denn liege, dass Frauen in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten immer noch so rar sind. Es ist jedenfalls nicht nur die mangelnde Selbstvermarktung, die das Weiterkommen weiblicher Führungskräfte erschwert.
«Häufig sind es hartnäckige Glaubenssätze, die sich als Hürden erweisen.» Das beginne bereits bei der Rekrutierung, denn weibliche Karrierepfade verliefen meist nicht gradlinig und würden somit oft nicht den fixen Vorstellungen von Recruitern entsprechen, meint Buholzer. Diese verliessen bei der Bewerberauswahl ihre «Komfortzone» nur ungern und verhielten sich lieber angepasst. «Damit vergeben sich die Unternehmen jedoch viele Chancen.»
Denn lässt die Unternehmenskultur auch andere als bloss genormte Lebensentwürfe zu, «steigt mit der gelebten Diversität die Chance, dass Neues und Innovatives entsteht». Oftmals bedingt durch die unterschiedliche Lebenserfahrung, die Frauen mitbringen: «Frauen gehen Probleme ganzheitlicher und lösungsorientierter an als Männer und beziehen ethische, ökologische und soziale Fragen viel mehr ein.» Damit würden sie die typisch männlichen Werte komplementieren, die eher wettbewerbsorientiert und statusbezogen seien. Unternehmen bräuchten gerade in einem Umfeld der beschleunigten technologischen Umwälzung Diversity dringender denn je: «Je stärker durchmischt eine Belegschaft ist, desto eher stellt man neue Fragen und findet dadurch die Antworten von morgen.» Das erfordere aber eine Bewusstseinsveränderung, meint Buholzer.
Der Wille, Frauen auf oberster Ebene zu fördern, sei in den Entscheidungsgremien bisher zu wenig vorhanden gewesen und viele CEOs und Verwaltungsräte fühlen sich bis heute kaum dazu verpflichtet: «Sonst wären die Frauen ja schon da, wo sie heute noch fehlen», stellt Buholzer lapidar fest. Um die Kulturwende voranzutreiben, müsse sich das HR nun verstärkt einbringen und die Geschäftsleitung sowie den Verwaltungsrat auf die Dringlichkeit von Themen wie Diversity, Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung aufmerksam machen.
Während dieses Umdenken in vielen Grosskonzernen schon begonnen habe, werde es ohne sanften Zwang noch eine Weile dauern, bis diese Wende die ganze Gesellschaft erfasse. Um diesen Wertewandel zu beschleunigen, ist für Buholzer die Frauenquote ein idealer Steigbügel zur Macht: «Ab einer Masse von 30 Prozent Frauen in den Entscheidungsgremien beginnt der Top-Down-Approach zu greifen. Dadurch wachsen automatisch noch mehr Frauen in Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungspositionen hinein.» Das habe das Modell Norwegen gezeigt, wo 2006 per Gesetz eine Frauenquote von 40 Prozent eingeführt wurde.
«Wo das Mittelmass vorherrscht, machen Überflieger Angst», lautet Buholzers Diagnose zur Situation in der Schweiz. Speziell Frauen, die andere im Können überflügelten und wüssten, was sie wollten, stiessen hierzulande auf wenig Akzeptanz. Wer die Normen sprengen wolle, müsse sich wohl oder übel international betätigen oder gezielt nach einem Arbeitgeber suchen, der hervorragende Leistung einkauft sowie fördert und sich zur Exzellenz verpflichtet. Es seien vor allem die grossen, auf dem Weltmarkt etablierten Unternehmen, die dazu echte Chancen böten: Dort würden Frauen viel öfter mit Coaching, Mentoring, permanenter Weiterbildung, Auslandeinsätzen, flexiblen Arbeitsmodellen und HR-Support unterstützt. Sie rate ambitionierten Frauen deshalb, ihren Karriereweg bei multikulturellen und weltweit tätigen Konzernen einzuschlagen, dabei viel Auslanderfahrung zu sammeln und sich mit klaren Strategien und politischem Taktgefühl den Weg nach oben zu bahnen.
«Oft legen sich Frauen aber auch selbst Steine in den Weg», so Buholzers Erfahrung. Zum Beispiel mit der Vorstellung, fünfmal mehr leisten zu müssen als ein Mann, um wertgeschätzt zu werden. «Der Abschied vom Perfektionismus ist für Männer wie auch für Frauen notwendig», meint Buholzer. «Zu viel Perfektionismus verdirbt weiblichen Erfolg.» Diesen Satz könne sie in jedem zweiten Coaching-Gespräch wiederholen, bei ambitionierten Frauen spreche sie es eben zweimal aus. Die steigenden Anforderungen in der Geschäftswelt könne man nur mit konsequenter Prioritätensetzung und Zielfokussierung erfolgreich gestalten. Dazu gehörten ein ausgeglichenes Privatleben und Auszeiten. Selbstverantwortung sei das Schlagwort.
«In Sachen Selbstvermarktung müssen Frauen die Zügel vermehrt selbst in die Hand nehmen und nicht darauf warten, aufgrund ihrer Leistungen bemerkt zu werden», stellt Buholzer klar. Es gelte, Karrierevorstellungen deutlich zu kommunizieren, sich des eigenen Marktwerts bewusst zu werden und darüber zu sprechen – egal, ob mit dem HR, dem Headhunter oder in Lohngesprächen unter Kollegen.
Daneben sollte frau aber auch wissen, wann sie schweigen und wann sie reden soll und wie sie Kritik mit Fingerspitzengefühl anbringt. «Wer die politischen Regeln nicht kennt und unwissentlich gegen sie verstösst, tut sich keinen Gefallen.» Umso wichtiger seien interne Mentoren, die weibliche Nachwuchskräfte unbeschadet durchs Labyrinth der unausgesprochenen Spielregeln begleiten und sie dabei unterstützten, die ersten hundert Tage unbeschadet zu überstehen. «Das Haifischbecken muss eine Frau jedoch mögen, wenn sie sich professionell auf der obersten Führungsstufe bewegen will», hält Buholzer fest. Denn für Erfolg müssen Mann wie Frau bereit sein, einen hohen Preis zu zahlen. Dies müsse einer Frau bewusst sein, meint Buholzer und ergänzt: «Erfolg ist immer attraktiv.»
Wie geht Karriere?
Regine Aeppli, Zürcher Regierungsrätin
«Frauen stehen unter verschärfter Beobachtung, wenn sie beruflich Karriere machen. Deshalb ist es wichtig, möglichst bei sich selbst zu bleiben. Wichtig ist aber auch, dass man die Unterstützung der Familie hat. Insbesondere des Partners. Dieses Glück hatte ich.»
Carol Franklin, ehemalige Geschäftsführerin des WWF
«Man muss wirklich gut sein, sattelfest in seinem Metier und seine Dossiers beherrschen. Man muss auch hart arbeiten: Eine Karriere gibt es nicht geschenkt. Was eher überraschen mag, ist folgender Ratschlag: Jede Frau sollte zuerst unbedingt ins Business gehen und dafür sorgen, dass sie für das Geschäftsergebnis zuständig ist. Sie muss beweisen, dass sie mit Zahlen umgehen und Gewinn machen kann.»
Beatrice Tschanz, ehemalige Kommunikationsverantwortliche der Swissair
«Letztlich braucht es vor allem eins, und das ist Leistung. Man muss viel, gern und gut arbeiten. Man muss sich reinknien. Man muss mit sich selbst im Reinen sein und eine gewisse innere Ruhe ausstrahlen. Wer hundert eigene Probleme mit sich herumschleppt, wird einen Karriereschritt scheuen, der mit zusätzlichen Schwierigkeiten verbunden ist.»
Brida von Castelberg, ehemalige Chefärztin der Frauenklinik am Zürcher Triemlispital
«Ich habe mein Leben lang Sachen gemacht, auf die ich Lust hatte. Die Männerdominanz habe ich nicht so ausserordentlich wichtig empfunden. Ich hatte vorher in der Chirurgie gearbeitet und war auch da fast die einzige Frau. Viel wichtiger ist für mich immer gewesen, dass ich einen beruflichen Weg wähle, der mich interessiert und begeistert. Dann bewältige ich ihn nämlich auch.»
Buchtipp und Quelle
- Die im Buch «Wie geht Karriere?» porträtierten Frauen machen mit oder ohne Kinder Karriere. Dabei stellen sie alte Denkmuster infrage und entwickeln neue Werte. Sie sind klar, präzise und wenn es die Situation erfordert, auch hart. Sie gehen Risiken ein, und wenn sie eine Niederlage kassieren, stehen sie wieder auf und orientieren sich neu. Sie fördern den weiblichen Nachwuchs und ermöglichen jungen Frauen den Aufstieg. Barbara Lukesch: Wie geht Karriere? Wörterseh Verlag. 224 Seiten.