HR Today Nr. 6/2016: Arbeitsrecht

Fallstricke bei Freelance-Verträgen

Der Einsatz von freien Mitarbeitenden wird immer beliebter. Doch Freelance-Arbeitsverhältnisse bergen aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht diverse Risiken. Stolpersteine und Empfehlungen.

Neue und flexible Beschäftigungsformen sind in der heutigen Arbeitswelt gefragter denn je, wenn zum Beispiel das Know-how von pensionierten Kadermitarbeitende weiterhin bedarfsgerecht in das Unternehmen einfliessen können soll, IT-Spezialistinnen als Freelancer tätig sind oder bei Unternehmenssanierungen sehr oft auf befristete Einsätze von «Troubleshootern» oder Projektmanagerinnen gesetzt wird. Auf Seite der Unternehmen sollen so etwa Bedarfsschwankungen abgefedert und Kosten optimiert werden; auf Seite der so genannten «freien Mitarbeiter» oder «Freelancerinnen» stehen die freie Einteilung der Arbeitszeit, die Möglichkeiten von Home Office und oft auch ein höheres Einkommen als Vorteile im Vordergrund.

Weil in der Schweiz Freelancing keine rechtlich geregelte Vertragsform darstellt, birgt es in der Praxis neben den vielen Vorteilen für beide Seiten auch diverse Nachteile. Ein besonderes Augenmerk soll im Folgenden auf die finanziellen Risiken gelegt werden, die sich für Unternehmen aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht aus einem Freelancing-Verhältnis ergeben können. Zum Schluss erhalten Sie Inputs, wie aus Unternehmenssicht eine freie Mitarbeiterschaft möglichst konfliktfrei ausgestaltet werden kann.

Risiken

Typischerweise zeichnet sich ein Freelancer dadurch aus, dass er für ein Unternehmen Aufträge ausführt, ohne dabei wie ein Arbeitnehmer in das Unternehmen eingegliedert zu sein. Da aber häufig die konkrete Ausgestaltung des Freelancerverhältnisses zwischen den Parteien ungenügend geklärt ist, kann es für den Auftraggeber unter anderem zu folgenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Problemen kommen:

Das Unternehmen geht davon aus, dass ein Auftragsverhältnis nach Art. 394 ff. OR (und kein Arbeitsvertragsverhältnis nach Art. 319 ff. OR) besteht, dass das Unternehmen daher insbesondere bei Krankheit oder Unfall keine Lohnfortzahlungspflicht trifft und eine Kündigung jederzeit möglich ist. Zudem nimmt das Unternehmen folglich an, dass das ausbezahlte Honorar den Aufwand und das Risiko der Freelancerin abdeckt und diese als sozialversicherungsrechtlich Selbständigerwerbende alle ihre eigenen Kosten wie Versicherungen, Nebenkosten und Steuern selbst trägt.

Aufgrund der häufig unklaren Vertragsgestaltung kann es aber – meistens zu Lasten der Unternehmen – zu einer Umdeutung der Rechtsverhältnisse kommen. Dies geschieht zum Beispiel, wenn einerseits der Freelancer im Krankheitsfall auf dem Prozessweg eine Lohnfortzahlung geltend macht und das Arbeitsgericht in der Folge tatsächlich von einem Arbeitsvertragsverhältnis statt von einem Auftragsverhältnis ausgeht (vertragliche Betrachtungsweise). Andererseits ist es möglich, dass der vermeintlich «freie» Mitarbeiter durch die Sozialversicherungsbehörden als unselbständig statt als selbständig qualifiziert wird. Für die Sozialversicherungsbehörden spielt es bei der Qualifikation eine massgebliche Rolle, ob die betroffene Person ein Unternehmensrisiko trägt (wirtschaftliche Betrachtungsweise).

Den betroffenen Unternehmen können aus einer solchen rechtlichen Umdeutung einige Nachteile entstehen:

  • Geht das Gericht von einem Arbeitsvertrag statt einem Auftrag aus, kann der vermeintliche Auftraggeber neu als Arbeitgeber zum Beispiel zu Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Unfall, zu Ferienersatz oder zu Zuschlägen für Überstunden oder Überzeit verpflichtet werden. Zudem kann der Einsatzbereich der freien Mitarbeiterin durch die Anwendung von arbeitsgesetzlichen Bestimmungen eingeschränkt werden (z.B. Höchstarbeitsverbot).
  • Weiter kann das Unternehmen von den Sozialversicherern wegen Verletzung der Meldepflicht sanktioniert und zur Nachleistung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet werden. Im Innenverhältnis zwischen dem Freelancer und dem Unternehmen kann es bezüglich vergangener und künftiger Beiträge zu Streitigkeiten darüber kommen, wer diese zu tragen hat. Betroffene Sozialversicherungen sind insbesondere: Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung (ALV), berufliche Vorsorge und Familienzulagen.

Empfehlungen

Wie lassen sich solche – eigentlich unnötigen – Kosten und Streitigkeiten vermeiden? Einige Tipps und Empfehlungen, die sich in der Praxis bewährt haben:

  • Achten Sie als Unternehmen auf eine explizite und sorgfältige Ausgestaltung eines Freelancer-Vertrages, in dem insbesondere auch Regelungen enthalten sind, die das Unternehmerrisiko betreffen.
  • Fordern Sie beim Freelancer eine schriftliche Bestätigung der AHV-Ausgleichskasse ein, dass er für das vorgesehene Projekt als Selbständigerwerbender anerkannt ist.
  • Fordern Sie beim freien Mitarbeitenden Versicherungsnachweise bzw. Policenkopien ein bezüglich Deckung verschiedener sozialer Risiken (Alter, Invalidität, Unfall, Krankheit), die vom Arbeitgeber bei einem Arbeitnehmer automatisch versichert werden müssten.
  • Verlangen Sie als Unternehmen vom Freelancer als Begründung der Zusammenarbeit den Einsatz einer AG oder GmbH, welche die Arbeiten des Freelancers als Dienstleistungen anbietet.

In jedem konkreten Fall benötigt das jeweilige Freelancer-Verhältnis stets eine sorgfältige arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Analyse, Klärung und periodische Überprüfung nach den jeweils massgeblichen Gesichtspunkten. Gerade bei den heute immer wichtiger werdenden flexiblen Beschäftigungsformen sind daher Kenntnisse im Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht für HR-Verantwortliche unabdingbar.

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Dr. Eva Slavik ist promovierte Juristin und Studienleiterin des CAS Sozialversicherungsrecht für die Unternehmenspraxis sowie des CAS Arbeitsrecht an der ZHAW in Winterthur.

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