HR Today Nr. 11/2020: Arbeit und Recht

Flexibler Einsatz von Arbeitskräften

Für Personalverantwortliche ist es eine Herausforderung, Verträge mit Beschäftigten flexibel und zugleich rechtskonform auszugestalten. Wie es funktioniert: verschiedene Vertragsmodelle aus rechtlicher Sicht im Überblick.

Flexibel bleiben beim Einsatz von Arbeitskräften und damit bei den Personalkosten: Das ist in vielen Unternehmen ein zunehmendes Bedürfnis, gerade in wirtschaftlich schwierigen und unberechenbaren Zeiten. Rechtlich sind dieser Flexibilität allerdings Grenzen gesetzt, zumal sie nicht immer im Interesse der Beschäftigten ist.

Diese Grenzen können sich aus den Bestimmungen des Arbeitsrechts ergeben, namentlich aus den zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts und des Arbeitsgesetzes. Diese Normen regeln beispielsweise Kündigungsfristen, Ferien, Lohnfortzahlung bei ­Arbeitsverhinderung, Überstunden und Arbeitszeiten. Zudem ­enthält das Arbeitsrecht auch zwingende Grundsätze wie das Verbot, das Betriebsrisiko in unzulässiger Weise auf Arbeitnehmende zu überwälzen.

Die Bestimmungen des Arbeitsrechts sind nur anwendbar, wenn die gegebene Vertragsbeziehung aus juristischer Optik als Arbeitsverhältnis zu erfassen ist. Meist ist hier die Frage entscheidend, ob eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens stattfindet. Ist eine Eingliederung zu bejahen, ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, andernfalls nicht. Eingliederung bedeutet, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber entsteht. Dies, indem der Arbeitnehmer persönlich, organisatorisch, zeitlich und wirtschaftlich der Weisungsgewalt des Arbeitgebers unterstellt wird. Indizien für die Eingliederung sind zum Beispiel Vorgaben betreffend Arbeitszeiten, die Zuweisung eines eigenen Arbeitsplatzes, das fehlende Tragen eines Unternehmerrisikos und die Ausrüstung mit Arbeitsgeräten und Material.

Ist eine gegebene Vertragsbeziehung nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen, ist eine sehr flexible Ausgestaltung möglich. Oft spricht man in diesem Fall von einem Freelance- oder Dienstleistungsvertrag. Dieser kann je nach Inhalt einem gesetzlichen Vertragstyp wie dem Auftrag oder aber einem Vertrag eigener Art entsprechen. Die betreffende Person wird in solchen Fällen als Selbstständigerwerbende tätig, das heisst als Einzelunternehmende, die ein eigenes Unternehmerrisiko trägt. Zudem ist diese auch für ihre sozialversicherungsrechtliche Absicherung und die betreffenden Beiträge verantwortlich, sofern sie auch aus Sicht des Sozialversicherungsrechts nicht als Arbeitnehmende zu erfassen ist. Letzteres ist aber nicht zwingend und sollte in jedem Fall gesondert abgeklärt werden. Andernfalls muss das Unternehmen befürchten, später Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen zu müssen.

Ist dagegen eine Eingliederung und damit ein Arbeitsverhältnis beabsichtigt, kommt das Modell der Arbeit auf Abruf in Frage. Dieses wird auch kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (Kapovaz) genannt. Hier wird vereinbart, dass der Arbeitgeber die Arbeitskraft des Arbeitnehmers je nach Arbeitsanfall in Anspruch nimmt und entsprechend entlöhnt. Erfolgt ein Abruf, hat der Arbeitnehmer Folge zu leisten. Für die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer für einen Abruf bereithält, ist an sich auch eine Entlöhnung geschuldet. Indes wird die Abrede als zulässig angesehen, dass diese Entlöhnung im Lohn für die geleistete Arbeit enthalten sein soll. Das Modell der Arbeit auf Abruf wurde vom Bundesgericht bisher zugelassen, obschon es mit einer Überwälzung des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer verbunden ist. In einem neueren Urteil (4A_534/2018 vom 27. August 2018) hat das Bundesgericht das Modell aber als gesetzeswidrig ­bezeichnet. In Anbetracht dieses Urteils muss der Arbeitgeber zum Beispiel damit rechnen, dass er während der Kündigungsfrist einen Lohn zahlen muss, der mindestens dem Durchschnitt früherer Löhne entspricht.

Ein weiteres Modell ist die unechte Arbeit auf Abruf, die zum Teil auch Aushilfs- oder Gelegenheitsarbeit genannt wird. Hier kann der Arbeitnehmer frei entscheiden, ob er das Angebot des Arbeitgebers zur Leistung eines Einsatzes annimmt. Bei Annahme entsteht ein Arbeitsvertrag, der auf den betreffenden Einsatz beschränkt ist. Die Konditionen werden oft in einem separat abgeschlossenen Rahmenvertrag festgelegt. Bei der unechten Arbeit auf Abruf gibt es kein dauerhaftes Arbeitsverhältnis. Vielmehr werden einzelne, beschränkte «Mini-Arbeitsverträge» vereinbart. Entsprechend besteht auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der Arbeitgeber keine neuen Arbeitsangebote unterbreitet. Dieses Modell wird als zulässig angesehen. Es ermöglicht eine weitreichende ­Flexibilität. Allerdings besteht aufgrund der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers keine Gewähr, dass dieser bei einem konkreten Einsatz zur Verfügung steht.

Eine weitere Möglichkeit zur Schaffung von Flexibilität ist eine Verknüpfung der Vergütung des Arbeitnehmenden mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. So kann einem Mitarbeiter beispielsweise ein Gewinn-  oder Umsatzanteil zugesichert werden. Dabei ist es unter Umständen sogar zulässig, dass dieser Anteil am Geschäftsergebnis nicht nur einen Teil des Lohns, sondern sogar den gesamten Lohn ersetzt. In diesem Fall muss durch die Vereinbarung einer Minimalregelung aber garantiert werden, dass der Arbeitnehmende ein angemessenes Entgelt für seine Tätigkeit enthält. Zudem wird verlangt, solche Vereinbarungen in Schriftform abzuschliessen.

Zielt die Flexibilität auf wiederkehrende oder saisonale Beschäftigungsschwankungen, ist auch die Vereinbarung eines darauf ausgerichteten Arbeitszeitmodells in Betracht zu ziehen. Ein Beispiel ist die Jahresarbeitszeit. Hier wird vereinbart, dass der Arbeitgeber die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit innerhalb eines gewissen Rahmens an die aktuelle Auftragslage anpassen darf. Dabei hat innerhalb eines Jahres ein Ausgleich stattzufinden, sodass die vereinbarte Arbeitszeit über das ganze Jahr gesehen eingehalten wird.

Ebenfalls Flexibilität bieten die Instrumente Temporär- und Leiharbeit. Hier schliesst der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag mit dem Personalverleiher, der den Arbeitnehmer an das beschäftigende Unternehmen verleiht. Entsprechend ist der Verleiher für die Erfüllung der finanziellen Ansprüche des Arbeitnehmers verantwortlich. Das Weisungsrecht steht dagegen dem Unternehmen (Entleiher) zu, für das der Arbeitnehmer arbeitet. Dieses hat mit dem Personalvermittler (Verleiher) einen Verleihvertrag abgeschlossen und zahlt diesem ein Entgelt für den Verleih. Den rechtlichen Rahmen  bildet das Arbeitsvermittlungsgesetz.

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­Philipp Meier Schleich ist Rechtsanwalt und Partner bei LANTER Anwälte & Steuerberater. Er berät und vertritt Unternehmen und Privatpersonen in allen arbeitsrechtlichen Belangen.

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