HR Today Nr. 7&8/2021: swissstaffing-News

Flexwork hat viele Facetten

Flexwork kann ganz unterschiedlich aussehen. Freelancer, Plattformarbeiterinnen und Temporäre: sie alle arbeiten flexibel. Doch die Rahmenbedingungen unterscheiden sich – und auch die Akteure, die Unternehmen und Flexworker zusammenbringen wollen, verfolgen unterschiedliche Konzepte.

Flexworker ist nicht gleich Flexworker. Die offensichtliche Gemeinsamkeit ist, dass sie flexibel arbeiten. Für ein Projekt, eine bestimmte Dauer, um einen Peak zu glätten oder einen Einsatzbetrieb oder Kunden bei einer ganz spezifischen Aufgabe zu unterstützen. Die Vorteile für Unternehmen liegen auf der Hand.

Temporärarbeitende geniessen besondere Sicherheit

Temporärarbeitende sind für einen oder für mehrere Einsatzbetriebe tätig und bei einem Temporärunternehmen angestellt. Dadurch sind sie ähnlich abgesichert wie Festangestellte, da das Temporärunternehmen ihren Lohn sowie die geteilten Abgaben an Sozialversicherungen und Pensionskasse begleicht. Zudem kommen sie bei Krankheit oder Unfall für den Lohnersatz auf und bezahlen Ferientaggelder. Temporärarbeitenden, die dem Gesamtarbeitsvertrag GAV Personalverleih unterstehen, bietet der Weiterbildungsfonds temptraining ausserdem subventionierte Weiterbildungen von jährlich bis zu 5000 Franken.

Luzia Röthlisberger (24) hat bis vor kurzem temporär gearbeitet. Zuletzt von Februar bis Mai 2021 über die Temporärfirma Hardworker im Lager des Transportunternehmens Planzer. Röthlisberger arbeitete im Stundenlohn, der Einsatz lief über wöchentliche Einsatzverträge. «Das gab mir eine grosse Flexibilität. Wenn ich wollte, durfte ich auch mal freiwillige Samstagseinsätze machen. So konnte ich mir beispielsweise meine zweiwöchigen Ferien ein Stück weit vorfinanzieren.»

Die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Corona-Krise spürte Röthlisberger jedoch deutlich. Im Jahr 2020 ist das Temporärgeschäft um 14,3 Prozent eingebrochen. Im ersten Quartal 2021 leisteten die Temporärarbeitenden 12,8 Prozent weniger Einsatzstunden als im Vorjahresquartal. «Es war schwierig, Arbeit zu finden», sagt Röthlisberger. Sie hatte zwischendurch auch mit Lohnausfall zu kämpfen, weil das Temporärunternehmen sie freistellen musste. Hier sprang allerdings die Arbeitslosenversicherung (ALV) ein, da Temporärarbeitende wie Festangestellte über die ALV versichert sind. Insgesamt zieht sie deshalb eine positive Bilanz: «Ich fand es gut, dass das Temporärunternehmen jedem die Chance geben wollte, zumindest ein bisschen zu arbeiten. Dann verdiente ich halt mal eine oder zwei Wochen lang weniger, aber immerhin wusste ich, dass ich für den Rest der Zeit einen Job hatte. Das gab mir Sicherheit.» Für Röthlisberger waren ihre Temporäreinsätze eine Brücke in die Festanstellung. Im Mai hat sie sich erfolgreich für eine Stelle als Chauffeuse beworben.

Selbstständige: Mehr Flexibilität, mehr Verantwortung

Im Gegensatz zu Temporärarbeitenden sind Freelancer selbstständig, in der Regel auch Inhaberinnen oder Inhaber eines Einzelunternehmens. Damit sind sie allein für ihre berufliche Absicherung verantwortlich. Als Kunden engagieren Unternehmen Freelancer für spezifische Aufgaben oder Projekte. Dafür zahlen sie ihnen ein Honorar, um den Rest kümmert sich der Freelancer selbst.

Barbara Tanner (47) arbeitet seit zwei Jahren remote als Social-Media-Managerin. Ihr Business ist zum grössten Teil zeit- und ortsunabhängig. Ihre Kunden sind vor allem Coaches, Selbständige und kleine Unternehmen, deren Social-Media-Kanäle sie betreut. Daneben gibt Tanner auch Linkedin- und Instagram-Workshops.

Das Einzahlen von Sozialversicherungsbeiträgen ist für Selbstständige obligatorisch. Tücken bergen können die Themen Altersvorsorge, Unfallversicherung sowie Lohnausfall. Denn: Sowohl das Einzahlen in eine Pensionskasse als auch das Abschliessen von Unfall-, Krankentaggeld- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung sind freiwillig. All diese Punkte bergen für Freelancer somit entweder zusätzliche Kosten oder ein höheres Risiko.

Tanner gehört keiner Pensionskasse mehr an: «Ich sorge selbst für meine Altersvorsorge. Ich habe verschiedene Säule-3a-Konten bei meiner Bank und einer Versicherung.» Gegen Unfall ist Tanner bei ihrer Krankenkasse versichert. Bei längeren Auslandsaufenthalten schliesst sie zusätzlich eine Reiseversicherung ab. Gegen Lohnausfall bei Krankheit oder Unfall ist Tanner hingegen nicht versichert. «Das mag ein Risiko sein, ist für mich aber ein kalkulierbares. Diese Versicherung ist sehr teuer und wenn zahlbar, tritt sie erst ab dem dreissigsten Tag in Kraft. Da ich die Social-Media-Aufträge immer im Voraus plane und die Coachings online stattfinden, habe ich keinen Lohnausfall, sollte ich mal ein paar Tage krank sein.»

Auch für ihre fachliche Fitness sind Freelancer selbst verantwortlich. Tanner: «Ich bilde mich ständig weiter. Social Media ist sehr dynamisch. Es ist daher wichtig, immer vorne mit dabei zu sein, um auch für meine Kundinnen und Kunden die besten Resultate zu erzielen.»

Für Tanner hat sich in der Pandemie nicht viel verändert. Sie hat bereits vorher remote und über Video-Calls gearbeitet. «Dass inzwischen praktisch alle mit Zoom und Onlinemeetings vertraut sind, erleichtert meine Arbeit sogar. Ich muss jetzt nicht mehr erklären, wie ein Coaching über Zoom funktioniert.» Mit dieser Situation in der Pandemie ist Tanner eine glückliche Ausnahme. Viele Selbstständige kämpften um ihre Existenz. Die Pandemie machte zahlreiche Lücken in der sozialen Absicherung von Selbstständigen sichtbar. So haben Freelancer zum Beispiel kein Anrecht auf Arbeitslosengeld oder Kurzarbeit. Ein Lichtblick war die Härtefallregelung, dank der auch Selbstständige etwa aufgrund von Betriebsschliessung, Umsatzeinbussen oder abgesagten Veranstaltungen Corona-Entschädigung beantragen konnten.

Trend um Flexwork-Plattformen setzt sich fort

Wie finden sich Unternehmen und Flexworker? Auf spezifischen Plattformen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich dafür ein Markt aufgetan. Wobei diese verschiedene Ansätze verfolgen. Coople, Smartstaff oder Adia vermitteln nicht nur Arbeitskräfte, sondern treten auch als Arbeitgebende der Flexworker auf. Wie andere Temporärunternehmen kümmern sie sich um die Einsätze, den Lohn sowie die Sozialversicherungen, Pensionskasse etc.

Andere Plattformen, wie etwa Uber, sehen sich als reine Vermittler. Das Unternehmen betrachtet die Fahrerinnen und Fahrer als Selbstständige. Bis vor kurzen funktionierte auch die Putzkräftevermittlung Batmaid so. Im Januar 2021 hat sie ihr Modell jedoch geändert und fast alle ihre Dienstleisterinnen und Dienstleister zu Angestellten gemacht.

Der Trend zu Plattformen, die Flexwork ermöglichen wollen, reisst nicht ab. Sichtbar ist das beispielsweise daran, dass immer wieder neue entstehen – auch wenn andere wie GigMe drei Jahre nach der Gründung kapituliert haben.

Seit Frühling 2021 ist die Plattform We Talents online. Ins Leben gerufen haben sie die Gründer des Freizeitportals Ron Orp. Sie will in der Kreativbranche Freelancer und Unternehmen zusammenführen. Dabei verfolgt die Plattform ein hybrides Modell: Angemeldete Freelancer kümmern sich selbst um ihre Sozial- und weiteren Abzüge. Nicht-Selbstständigen stellt die Plattform ein Payrolling-System zur Verfügung und übernimmt damit alle administrativen Aufgaben.

Flexibilität in der Krise

Über einen anderen Zugang will die Plattform Sharing Jobs die Flexibilität des Arbeitsmarkts unterstützen. Die Vernetzungsplattform entstand 2020 während der Corona-Krise. Ihr Ziel: Unternehmen sollen Mitarbeitende in Krisenzeiten nicht entlassen, sondern anderen Unternehmen ausleihen. Dafür stellt das gemeinnützige Projekt einen kostenlosen Marktplatz zur Verfügung. Den Ansatz von Mitarbeiter-Sharing verfolgen verschiedene Unternehmen auch auf eigene Faust. Digitec beschäftigte im Frühling 2021 einerseits Temporärarbeitende, lieh jedoch auch Mitarbeitende von anderen Firmen aus, die selbst zu wenig Arbeit hatten. Swiss verlieh während der zweiten Corona-Welle Flight Attendants an den Kanton Zürich, der mit dem Contact Tracing an seine Grenzen stiess.

Temporärunternehmen trugen während der Krise wesentlich zur Flexibilität des Arbeitsmarkts bei, indem sie beispielsweise Arbeitskräfte aus der Event- oder Gastronomiebranche in die Logistikbranche vermittelten. Temporäre Fachkräfte halfen ausserdem dabei, Engpässe im Gesundheitswesen ein Stück weit zu überbrücken.

Gerade in Krisenzeiten bewährt sich Flexibilität in der Arbeitswelt. Flexwork in all seinen Facetten leistet hier einen wichtigen Beitrag. Temporärarbeit im Speziellen ist ein bewährtes Instrument, das flexible Arbeit in einem gesetzlich und sozialpartnerschaftlich geregelten Rahmen bietet.

Die Position von swissstaffing

Die rasante Beschleunigung der Digitalisierung, der Fachkräftemangel und die weitergehende Flexibilisierung der Arbeitsformen wird den Arbeitsmarkt auch in Zukunft beschäftigen. Handlungsbedarf sieht swissstaffing in drei Bereichen:

  • Die Temporärarbeit hat sich als flexible, aber abgesicherte Arbeitsform bewährt und sollte als Rahmen für noch mehr Flexworkerinnen und Flexworker genutzt werden.
  • Die Politik darf die Flexibilität der Temporärarbeit nicht weiter einschränken und sollte stattdessen überholte Regulierungen gezielt anpassen, damit die Temporärbranche weiterhin ihre Rolle als Brückenbauer wahrnehmen kann.
  • Falls Justierungsbedarf im Graubereich zwischen Anstellung und Selbständigkeit entsteht, müssen auch neue Schattierungen eine korrekte Balance zwischen Flexibilität und sozialer Absicherung gewährleisten.

 

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Blandina Werren, Leiterin Kommunikation von swissstaffing.

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