Yvonne Feri
Als Pazifistin wäre es mir lieber, wir könnten gänzlich auf eine Armee verzichten, doch die Bedrohungsängste und das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung wie auch die angespannte Weltlage lassen eine Schweiz ohne Armee utopisch erscheinen.
Die allgemeine Wehrpflicht für Männer hat viele negative Folgen, die auch Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben: Sie erschwert Männern beispielsweise ein soziales und familiäres Engagement und zementiert patriarchale Geschlechterrollen, bei denen der Mann das Vaterland verteidigen muss. Fakt ist aber: Familienrealitäten haben sich in den letzten Jahren stark verändert – es gibt Ein- und Doppelverdienerfamilien, Eineltern- und Patchworkfamilien und unterschiedliche intergenerationelle Be treuungsmodelle. Die Betreuung von Kindern oder älteren Angehörigen ist nicht mehr einfach eine Frauenangelegenheit, sondern auch Männer engagieren sich vermehrt.
Die Absenz eines Familienmitglieds – sei es während der militärischen Grundausbildung oder der Wiederholungskurse – stellt für Familien, die jetzt schon einen Betreuungsmarathon leisten, eine weitere Belastung dar. Die allgemeine Wehrpflicht zementiert die Idee, dass sich ein Paar die Zeit so aufteilen kann, dass ein Teil vollständig und über längere Zeit abwesend sein kann. Die Vorstellung, dass immer jemand verfügbar ist, um unbezahlte Betreuungsarbeit zu leisten, findet nur noch bei knapp einem Fünftel der Familien in der Schweiz statt, die ein traditionelles Familienmodell leben. Das zeigt sich auch in der steigenden Zahl Männer, die Teilzeit arbeiten, weil sie sich um die Familie kümmern wollen. Die Armee muss sich dem Zeitgeist anpassen und die veralteten Geschlechterrollen über Bord werfen. Ich will deshalb keine allgemeine Wehrpflicht für Frauen, sondern einen freiwilligen Dienst für beide Geschlechter und am liebsten wählbar zwischen Armee und Zivildienst.
Freiwilligkeit ist aber ein zu weit gefasster Begriff, denn es wird eine Art «Zwang» brauchen in Form der heutigen Militärersatzsteuer oder anderer ähnlicher Modelle. Die Armee muss sich verändern, wenn sie beide Geschlechter anziehen will. Sie braucht ein neues Konzept, sowohl in der Bedrohungseinschätzung als auch in ihrem Gesellschaftsbild und ihren Strukturen. Heute ist sie mehrheitlich ein Hort veralteter Männerbilder, sowohl in der Sprache als auch in den Aufgaben und im geförderten Verhalten. Und sie impft jungen Männern Gesellschaftsbilder ein, die vor Stereotypsierungen keinen Halt machen. Investieren wir darum lieber in eine kleine, effiziente und qualifizierte Armee und in einen Zivildienst, in denen Frauen und Männer gleichgestellt sind. Militärdienstleistende Frauen und Männer müssen über gute psychologische und technische Fähigkeiten verfügen, gesellschaftliche Prozesse verstehen und eine entsprechende Ausbildung durchlaufen. Diese hohen Anforderungen setzen aber auch eine grosse intrinsische Motivation voraus.