BGM-Special 2021

FWS Apprentice: Strukturen geben Halt

Berufsschulen pflegten Fernunterricht, grössere Betriebe setzen zum Teil immer noch auf Homeoffice: Diese Ausnahmesituation beeinflusst die psychische Gesundheit der Lernenden. Doch wie können Lehrbetriebe die Jugendlichen unterstützen? Stefanie Näf vom Lehrstellentreffpunkt Yousty und FWS-Apprentice-Spezialist Roland Schaad über Dos and Don’ts.

«Junge Menschen sind durch die Krise psychisch viel stärker belastet als andere Altersgruppen. Sie leiden vor allem unter der sozialen Einschränkung, die essenziell für ihre persönliche Entwicklung und Identitätsbildung ist», konstatiert der Corona-Report der Stiftung Pro Juventute. Hinzu komme, dass die Corona-Pandemie nicht nur den Lehrbetrieb durch Homeoffice- und Quarantäneregelungen erschwere, sondern auch den Berufseinstieg der Jugendlichen. Gemäss dem Pro-Juventute-Report waren im Januar 2021 über 17 000 Jugendliche in der Schweiz arbeitslos, 5000 mehr als noch im Jahr zuvor.

Welchen Belastungen Lernende zurzeit ausgesetzt sind, weiss auch FWS-Apprentice-Spezialist Roland Schaad, der Jugendliche und junge Erwachsene seit vielen Jahren in der Arbeitswelt begleitet. «Vor allem die sich ändernden Rahmenbedingungen machten den Lernenden während der Pandemie zu schaffen», sagt Schaad. «Beispielsweise durch den reduzierten Kontakt zu anderen Lernenden und Kollegen am Arbeitsplatz.» Gerade für Lernende sei der Aufbau von fachlichen wie auch sozialen Kompetenzen jedoch wichtig: «Dazu braucht es Nähe, einen regelmässigen Austausch und die Reflektion des eigenen Handelns.» Fallen diese Interaktionsmöglichkeiten weg, führe das zu versäumtem Lehrstoff und Spannungen im Betriebsalltag. Dass Lehrbetriebe in der aktuellen Situation besonders gefordert sind, bestätigt Stefanie Näf, Marke und Kommunikation beim Lehrstellentreffpunkt Yousty: «Lehrbetriebe kämpfen derzeit damit, Ausbildungsinhalte trotz Homeoffice und Co. zu gewährleisten und die Lernenden erfolgreich auf den Lehrabschluss vorzubereiten.»

Mit der Zukunft auseinandersetzen

Die Krise wirft die Jugendlichen auf sich selbst zurück. «Sie hinterfragen ihre Gewohnheiten und setzen sich mit Zukunftsfragen auseinander», sagt Roland Schaad. «Das hat allerdings nicht nur negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit.» Die Auseinandersetzung mit Werten, Lebenssinn und Zukunft ermögliche den Lernenden auch, offen für Neues in der eigenen Entwicklung und bei der Arbeit zu sein. «Das wiederum kann motivierend wirken.» Viele Lernende hätten während der Corona-Pandemien Ressourcen gefunden, beispielsweise Selbstwirksamkeit, Optimismus und das Erkennen von Handlungsmöglichkeiten.

Nach einer ersten Phase der Verunsicherung hätten die Jugendlichen zwischenzeitlich zu einer neuen «Normalität» gefunden, die aber weiterhin Fragen aufwerfe. Etwa zum Lehrabschluss, zu den Prüfungen und zum weiteren Berufsleben. «Umso wichtiger ist, dass die Lernenden Begleitpersonen an ihrer Seite haben und in einer Struktur eingebunden sind, die ihnen Halt gibt.»

Wichtiger Austausch

Lehrmeister sind in dieser Situation besonders gefordert. «Sie müssen Jugendlichen auf Augenhöhe Handlungsfelder aufzeigen und ihnen eine Ausbildungszeit bieten, in der sie sich ent­wickeln können», sagt Roland Schaad. Gleichzeitig müssten sie den Lernenden Grenzen aufzeigen. «Empathisch, sympathisch und transparent, gespickt mit einer Prise Humor: Das ist die Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit.» Zudem rät der Experte den Lehrbetrieben, Lernende bei Fragen zur Arbeitsorganisation, Ansteckungsgefahr, zum Maskentragen oder zum Sicherheitskonzept mit einzubeziehen. Das wichtigste für Schaad bleibt indes der regelmässige Austausch. Ähnliches rät den Lehrbetrieben auch Stefanie Näf von Yousty. Diese sollen für die ­Lernenden da sein, stetigen Austausch bieten und sie psychologisch unterstützen. «Zudem können die Lehrbetriebe ihnen mit simplen Aktionen Hand bieten. Beispielsweise indem sie dafür sorgen, dass Lernende regelmässig Pausen machen, oder sie ihnen einen Bürostuhl oder Bildschirm für das Homeoffice zur Verfügung stellen.» Neben hilfreichen Tipps bietet Yousty den Schülerinnen und Schüler zurzeit auch Online-Events. Etwa virtuelle Schnuppertage, bei denen sich Betriebe den Schülerinnen und Schülern präsentieren. «So erhalten Jugendliche trotz der Pandemie Einblicke in verschiedene Betriebe.»

Lehrstellenmarkt 2021

Trotz Corona ist die Zahl der an einer Lehrstelle Interessierten stabil geblieben. Gemäss LehrstellenPuls wurden bereit 83 Prozent der ausgeschriebenen Lehrstellen für August 2021 besetzt. «Eine abschliessende Aussage können wir erst im Oktober machen, da teilweise Lehrstellen auch noch im September besetzt werden», sagt Stefanie Näf. «Möglicherweise haben sich viele Jugendliche aufgrund der Pandemie zu wenig mit der Berufswahl auseinandergesetzt und sich der Einfachheit halber für ein 10. Schuljahr, ein Brückenjahr oder eine weiterführende Schule entschieden.»

FWS Apprentice von Gesundheitsförderung Schweiz

FWS Apprentice unterstützt Berufsbildungs­verantwortliche dabei:

  • eine gesunde Entwicklung der Lernenden zu ermöglichen, damit sie gut in die Arbeitswelt einsteigen können und gesund bleiben
  • Probleme – auch psychischer Natur – frühzeitig zu erkennen und mit Herausforderungen von Lernenden altersgerecht umzugehen
  • Verständnis aufzubringen, wie sich Lernende in gewissen Situationen verhalten
  • den Übergang der Lernenden ins Arbeitsleben erfolgreich zu begleiten
  • Verantwortungs- und Selbstbewusstsein der Lernenden zu fördern

Zum Erklärvideo:

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Die Experts App versorgt Berufsbildungsverantwortliche regelmässig mit aktuellem, qualitativ hochstehendem Inhalt zu den Themen psychische Gesundheit bei Jugendlichen und Arbeits- und Freizeitsicherheit.

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FWS Apprentice: Tipps für Berufsbildende während der Corona-Situation

  1. Regelmässiger Kontakt: Berufsbildende sollten mit den Lernenden in Kontakt bleiben. Hierfür eigenen sich regelmässige Video- oder Telefonkonferenzen, bei denen Berufsbildende nachfragen, wie die Lernenden mit der Situation umgehen und ob sie Unterstützung brauchen. Wichtig: die Lernenden direkt ansprechen, wenn Unsicherheit oder Angst auffallen.
  2. Klare  Regeln: Gemeinsam mit den Lernenden klare Arbeitsregeln definieren und den Arbeitsalltag organisieren und strukturieren. Von wann bis wann müssen die Lernenden erreichbar sein? Wann sind die Arbeitszeiten? Wichtig: die Lernenden zu regelmässigen Bewegungspausen animieren.
  3. Vorbild sein: Auch wenn Berufsbildende durch die aktuelle Situation gefordert sind, sollten sie positiv, optimistisch sowie ein Vorbild für die Lernenden sein. Wichtig: den Lernenden auch von den eigenen Schwierigkeiten erzählen.
  4. Geduld haben: Berufsbildende sollten den Lernenden gegenüber Geduld und Wertschätzung zeigen und ihnen ihre Unterstützung bei Schwierigkeiten oder Unklarheiten zusichern. Wichtig: auch kulant sein, wenn manche Aufgaben weniger effizient ausgeführt werden.
  5. Informiert sein: Berufsbildende regelmässig über die aktuelle Lage informieren und welche Auswirkungen das auf das Unternehmen hat. Wichtig: den Lernenden diese Informationen weiterleiten.

fws-apprentice.ch

 

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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