Generation Alpha startet in der «Pole Position»
Während die Arbeitswelt noch dabei ist, sich auf die teils hohen Ansprüche und auch Ideale der Generation Z einzustellen, steht schon die nächste Generation in den Startlöchern. Nach den Generationen X, Y und Z folgt mit den Alphas ein (nicht allein) namentlicher Neustart und die Frage: Was prägt die Generation Alpha? Worauf sollten sich Arbeitgebende schon jetzt einstellen?
Schneller als man vielleicht denkt, tritt die KI-native Generation Alpha in den Arbeitsmarkt ein. (Bild: iStock)
«Nervig, wenn Alexa mich nicht direkt versteht.»
Zur Generation Alpha gehören alle ab 2010 Geborenen. Sie sind Kinder der Krisen und noch digitaler, technikaffiner und sozial-medialer unterwegs als Generationen vor ihnen. Nach der Gen Z, den «Digital Natives», kommen jetzt die «AI Natives», für die Sprachsteuerung, Assistenzsysteme und personalisierte Algorithmen von klein auf Standard sind. Wir haben uns (fast) alle mit der Technologie weiterentwickelt, aber wie ist es, mit dieser Selbstverständlichkeit aufzuwachsen?
Ob Medien, Beauty-Produkte oder Supplements: Die Vielfalt an Produkten extra für Kinder ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Kids heute lernen: «Die Welt ist für mich gemacht», und sie sind es gewohnt, bei grossen und kleinen Entscheidungen mitreden zu können. Die Generation Alpha wächst dadurch praktisch in einer Führungsrolle auf: Sie pendelt zwischen den Extremen von «alles mitdenken» bis «machen lassen», zwischen hoher Entscheidungskraft einerseits, aber andererseits auch immer stärkerer Automatisierung und der Möglichkeit, weniger Relevantes delegieren zu können. Die Alphas sind smarte Mood-Manager, sie wissen genau, was sie wollen und wie sie es bekommen, ob von Eltern oder anderen Assistenzsystemen.
Mehr «Screen Time» und weniger analoge «Quality Time» mit Freundinnen und Freunden – das ist die Realität, spätestens mit dem eigenen Smartphone. Die Grenze zwischen engem Kreis und externen Idolen verschwimmt dabei: Während sich Kinder früherer Generationen mit Gleichaltrigen verglichen und an älteren Geschwistern orientiert haben, bieten die Sozialen Medien ganz neue Projektionsflächen.
Die Entfernung der eigenen Lebensrealität zu der von Influencerinnen und Influencern wird dabei unterschätzt. Das setzt nicht selten frustrierende Massstäbe für eigene Skills, Beliebtheit und Aussehen. Ihre (gefühlten) Peers findet die Generation Alpha in der meinungsstarken Generation Z, während die eigene Meinungsbildung durch smarte Algorithmen auf TikTok, Instagram und YouTube unterstützt wird – so werden zwar automatisch einerseits Interessen vertieft, andererseits aber auch Ängste und Unsicherheiten verstärkt. Es entsteht der Eindruck, dass die eigene Bubble die Gesamtgesellschaft widerspiegelt.
Krise ist normal – belastend ist die «Randomness»
«An stressigen Tagen schaltet mir Mama mehr Bildschirmzeit frei.»
Für die Generation Alpha ist Krise der Normalzustand und Teil ihrer Lebensrealität wie nervige Geschwister und zu viele Hausaufgaben. Zwar fehlt der Vergleich zu Vorkrisenzeiten, doch sicher ist, dass nichts mehr sicher ist, und das prägt die Entwicklung. Besonders während der Pandemie mussten Strukturen und Regeln im Familienalltag immer wieder angepasst werden – Eltern waren an ihrer Belastungsgrenze und haben der häuslichen Harmonie zuliebe eher mal Regeln gelockert. Für die Kids entstand dadurch der Eindruck einer «Randomness», einer Beliebigkeit. Belastend und prägend für die Alpha-Kids waren weniger die Krisen selbst als vielmehr die damit einhergehende Unberechenbarkeit. Eine weitere Bestätigung für sie, dass alles in ihrem Leben verhandelbar ist.
Ob mit Süssigkeiten, Spielzeug oder Medienzeit – Kinder werden für alles, was Überwindung kostet, incentiviert. Dieses Muster zieht sich in digitalen Trends weiter, zum Beispiel im Sammeln von «Streaks» als Belohnung für tägliche Aktivitäten in Social Apps wie Snapchat, BeReal oder Games wie Brawl Stars. Ähnliches gilt für den Umgang mit unangenehmen Gefühlen wie Langeweile oder Überforderung, die schnell umgelenkt werden: (Soziale) Medien bieten spannende Unterhaltung, berieselnde Ablenkung oder neue Inspiration. Die Gen-Alpha-Kids sind zwar nicht die einzigen, die das Smartphone als Coping-Mechanismus nutzen, sie sind aber die ersten, für die diese Art der kurzfristigen Stimmungsregulation selbstverständlich ist – oft noch bevor sie eine grundlegende Frustrationstoleranz entwickelt haben.
Wo die Generation Alpha ihre Prioritäten im Beruf und im Leben setzen könnte, lässt sich bereits erahnen. (Bild: iStock)
Kurzfristige Cravings versus echte «Quality Time»
«Am schönsten ist es mit Pfannkuchen und Kartenspiel bei Oma.»
Die Gen Alpha als belohnungsverwöhnte Smartphone-Kids abzustempeln, wäre zu kurz gegriffen. Sie sind unglaublich clevere, digital affine und kritische Köpfe, die sich noch weniger als die Generationen vor ihnen mit dem Status quo zufriedengeben. Sie wurden früh mit globalen Krisen und der gesellschaftlichen Relevanz von Themen wie Diversität oder mentaler Gesundheit konfrontiert. Sie spüren den Druck, in dieser hochkomplexen Welt ihren Platz zu finden, und sind bereit, ihren Teil beizutragen.
Am meisten fürchtet die Gen Alpha den Verlust von Kontrolle und zwischenmenschlicher Verbindung. Eine Krise nach der anderen hat sie sensibel gemacht, der Leistungsdruck tut ein Übriges, wenn Matura und Studium als Basisqualifikation gelten. Es «nicht zu schaffen» ist eine spürbare Sorge, das Bedürfnis nach Bestätigung entsprechend hoch. Trotz aller Medienaffinität verspüren sie vor allem den grossen Wunsch nach mehr «Quality Time» – und die Momente, die sie nachhaltig positiv prägen, finden weiterhin in der analogen Welt statt.
Herausforderungen der Alphas
Die folgenden demografischen, kulturellen und globalen Herausforderungen werden die Entwicklung und Bedürfnisse der Generation Alpha prägen:
- Arbeitsmodelle und New Work: Die Diskussion über Arbeitsmodelle, wie Remote Work und flexible Arbeitszeiten, wird an Bedeutung zunehmen. Während die Generation Y mehr Freiheiten und Flexibilität fordert und die Generation Z eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit bevorzugt, werden die Bedürfnisse der Generation Alpha eher dazwischen liegen: Sie werden verschiedene Arbeitsmodelle als individuelle Chance – und nicht als Widerspruch – sehen.
- Klimawandel und Nachhaltigkeit: Der bewusste Umgang mit Ressourcen und das Konzentrieren auf nachhaltige Lebensweisen sind längst zentrale gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Themen. Für die Generation Alpha allerdings wird Nachhaltigkeit eine noch grössere Rolle spielen und ihre Entscheidungen bezüglich Konsum, Job und Arbeitgebenden massgeblich beeinflussen.
- Digitale Medien und KI: Die Generation Alpha wird bereits früh im Leben mit den Ergebnissen des technischen Fortschritts vertraut sein. Technik wird für sie ganz selbstverständlich zum Leben und zum Alltag gehören, und sie wird diese nicht nur nutzen, sondern auch kritisch und zu ihrem Vorteil einsetzen.
Alphas haben eine hohe Relevanz
HR Professionals dürfen die Bedeutung der Generation Alpha nicht unterschätzen. Technik und die professionelle Anwendung von digitalen und KI-Tools werden daher für diese Generation eine Selbstverständlichkeit sein. Das Aufwachsen in einer Welt der Elektromobilität beziehungsweise Mobilitätswende und künstlichen Intelligenz wird sie prägen und dazu motivieren, den technischen Fortschritt weiter voranzutreiben. Die Generation Alpha wird voraussichtlich die erste sein, die Technik nicht nur nutzt, sondern gleichzeitig sowohl kritisch als auch sinnvoll einsetzt.
Unternehmen sollten daher bereits jetzt ihre Personalmarketingstrategien auf die Generation Alpha ausrichten. Diese Zielgruppe wird in Kürze zunehmend relevant, vor allem in Bereichen, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind. Die Generation Alpha wird dabei insbesondere aufgrund ihrer digitalen Fähigkeiten und ihres technischen Verständnisses eine attraktive Arbeitnehmergruppe für die digitalisierte New-Work-Arbeitswelt darstellen. Mit den Alphas funktioniert es besser Die Generation Alpha wird teils vollkommen neue Perspektiven und Ansprüche in die Arbeitswelt einbringen. HR Professionals sollten diese Veränderungen antizipieren und ihre HR-Strategien entsprechend anpassen, um die besten Talente dieser herausfordernden Generation zu gewinnen und idealerweise auch zu halten.
Indem sie die Bedürfnisse und Erwartungen der Alphas nicht nur verstehen, sondern auch darauf eingehen, können Unternehmen langfristig von der Innovationskraft und dem Engagement der Alphas profitieren. Wir als Arbeitgebende sollten uns daher ab sofort mit der Frage und der Herausforderung befassen, wie man mit der Generation Alpha umgehen sollte.
Was für Arbeitgebende jetzt schon zu tun ist
Alle, die die Aufmerksamkeit der Alphas für sich gewinnen möchten, müssen sie in ihrer Entscheidungsrolle ernst nehmen. Ob Markenbotschaften oder Employer Branding, wichtig für die Alphas ist, ihren persönlichen Benefit unmittelbar und greifbar vermittelt zu bekommen.
Arbeitgebende können mit klarer Haltung und Antworten auf die genannten Herausforderungen der Generation punkten: Was bringt mir der Job im Hinblick auf meine Flexibilität und Aufstiegschancen, aber auch: Was trägt er bei zu Klima und Nachhaltigkeit? Was ist der Kernjob im Sinne von: Was «manage» ich und wo bietet das Unternehmen moderne Infrastruktur, um sinnvoll an KI & Co. zu delegieren?
Kurz gesagt: «Haben wir schon immer so gemacht» funktioniert als Argument für die Alphas längst nicht mehr. Arbeitgebende müssen den Pitch um die Alphas gewinnen, wenn sie Talente für sich gewinnen wollen, und den Samen dafür jetzt schon streuen. Die Social-Media-Präsenz von Arbeitgebenden wird in Zukunft zum Hygienefaktor und wichtiger erster Berührungspunkt mit dem Unternehmen.