Ostschweizer Personaltag

Generationenfrage im Wandel: Zwischen Klischees und neuen Perspektiven

Von den Babyboomern bis zur Generation Z – die Generationenvielfalt in Unternehmen stellt HR-Strategien vor neue Herausforderungen. Beim Ostschweizer Personaltag beleuchteten Expertinnen und Experten, wie ein generationenübergreifendes Arbeitsumfeld erfolgreich gestaltet werden kann und ob die Einteilung in Generationen überhaupt Sinn macht.

Der 20. Ostschweizer Personaltag vom 26. September erfreute sich erneut einer grossen Beliebtheit. Rund 250 Personalverantwortlichen aus dem Osten des Landes und darüber kamen nach St. Gallen, um sich in der Olma-Halle 9a einen Nachmittag lang Keynotes zum Thema «Generationenfrage – Mitarbeitende im Wandel» anzuhören und Netzwerke zu pflegen. Wer nicht physisch anwesend sein konnte, hatte die Möglichkeit, online teilzunehmen. Durch den Anlass führte die Moderatorin Sabine Bianchi.

 

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Sabine Bianchi moderierte den Ostschweizer Personaltag 2024 in der OLMA-Messe in St. Gallen

Sabine Bianchi moderierte souverän durch den Ostschweizer Personaltag. (Bild: Daniel Thüler)

 

Generationenunterschiede werden oft überschätzt

Ronald Ivancic, Dozent am Institut für Organisation und Leadership (IOL) an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, eröffnete den Keynote-Reigen mit dem Thema «Generationen: Vielfalt statt Einfalt». Er beleuchtete die unterschiedlichen Generationen im Arbeitskontext und wie sich deren Lebensstile, Werte und Motivation über die Zeit entwickelt haben. Er zeigte auf, dass der Generationenbegriff oft missverständlich und in der Praxis schwer zu definieren ist, da Generationen stark von gemeinsam erlebten Ereignissen geprägt werden und Altersgrenzen fliessend sind. Auch warnte er vor der Gefahr der Stereotypisierung. Zwar bringe die Generation Z neue Herausforderungen für Organisationen mit sich.

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Anführungszeichen des Zitats

 

 

«Wichtig ist: Jeder Mensch ist anders. Schubladensysteme funktionieren deshalb nicht immer.»

– Anastasia Kurer, Lernende im ersten Lehrjahr

 

 

Studien zeigten jedoch, dass Unterschiede in Arbeitszufriedenheit, Engagement und Wechselbereitschaft zwischen den Generationen tendenziell gering sind und sich vor allem durch individuelle Altersphasen erklären lassen. So steigt die Arbeitsmotivation zu Beginn der Karriere stark an, erreicht in der Lebensmitte ihren Höhepunkt und nimmt danach ab.

Ivancic verwies darauf, dass der tatsächliche Einfluss von Generationsunterschieden in wissenschaftlichen Studien oftmals überschätzt wird und in vielen Fällen statistisch kaum nachweisbar sei. Er plädiert dafür, den Fokus stärker auf Lebensphasenmodelle und Diversität in Teams zu legen, anstatt Mitarbeiter nur nach ihrer Generationszugehörigkeit zu kategorisieren. Zudem kritisiert er die kommerzielle Vermarktung von Generationskonzepten in Management- und Beratungspraktiken. Abschliessend betont er die Wichtigkeit eines ganzheitlichen Diversity-Ansatzes und stellt das Modell der vier Diversitätsebenen vor, das persönliche, äussere, organisationale und funktionale Dimensionen berücksichtigt.

Unterhaltsame Talkrunde mit drei Generationen

 

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Ronald Ivancic, , Dozent am Institut für Organisation und Leadership (IOL) an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, eröffnete denden Ostschweizer Personaltag 2024 in der OLMA-Messe in St. Gallen mit seiner Keynote zum Thema Vielfalt der Generationen.

Roland Ivancic warnte vor der Gefahr einer Generationen-Stereotypisierung. (Bild: Daniel Thüler)

 

In einer munteren Talkrunde sprach Sabine Bianchi mit Angehörigen dreier Generationen: Anastasia Kurer, Lernende im ersten Lehrjahr als Vertreterin der Generation Z, Ivo Riedi, Head of Vocational Training und Leiter Berufsbildung bei der SFS Group Schweiz als Vertreter der Babyboomer, sowie Michèle Mégroz, CEO der CSP AG als Vertreterin der Generation X. Zentrales Thema waren die Unterschiede und Vorurteile zwischen den Generationen.

«Die Zeitalter und ihre Lebensumstände prägen die jeweilige Generation sicherlich, aber innerhalb der Generationen gibt es wieder viele Unterschiedlichkeiten, die oft zufällig sind», sagte Riedi. «Die jungen Menschen von heute sind genauso gut wie wir das waren, aber die Möglichkeiten haben sich geändert. Zudem gibt es heute viel mehr Vorschriften, weshalb es für Jugendliche nicht immer einfach ist, ihr Bedürfnis nach Freiheit auszuleben.»

Mégroz stellte sich auf den Standpunkt, dass die Lebensphase «fast der wichtigere Aspekt» als die Generation sei, trotzdem habe sie das Gefühl, dass das Generationenkonzept trotzdem Elemente enthalte, deren Beleuchtung sich lohne: «Es darf aber nicht sein, dass Jüngere ganz andere Modelle leben könnten, als Ältere – alle sollten die Wahl haben. Schlussendlich steht die Person im Vordergrund.»

Kurer wiederum fand, dass in ihrer Generation das Generationenkonzept durchaus ein Thema sei, jedoch eher ein lustiges, etwa in Form von Memes. «Wichtig ist: Jeder Mensch ist anders», fügte sie an. «Schubladensysteme funktionieren deshalb nicht immer.» Bezüglich persönlicher Freiheit wies sie darauf hin, dass die heutigen Jugendlichen vielen Ansprüchen ausgesetzt seien, auch aufgrund des Drucks auf Social Media bezüglich Aussehens, Arbeit und Lebensführung. Dies bringe trotz Wahlfreiheit durchaus Einschränkungen mit sich.

Gleichgewicht schaffen

Michèle Bongetta, Geschäftsführerin der Rehakliniken Zihlschlacht und Dussnang, sprach über die Veränderungen im Gesundheitswesen in den letzten 50 Jahren und fokussierte dabei auf die Herausforderungen der verschiedenen Generationen im Arbeitsalltag. Derzeit sei der Wandel der Rollen von Ärzten und Pflegenden, der durch technologische Entwicklungen und eine gestiegene Patientenautonomie geprägt ist, ein zentrales Thema. Sie wies darauf hin, der Umgang mit unterschiedlichen Generationen im Gesundheitsbereich ein Gleichgewicht zwischen traditionellen und modernen Ansätzen erfordere.

 

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Michèle Bongetta ist Geschäftsführerin der Rehakliniken Zihlschlacht und Dussnang. Sie sprach an der Ostschweizer Personaltag 2024 in der OLMA-Messe in St. Gallen über den Alltag im Gesundheitswesen

Michèle Bongetta gab Einblick in den Wandel des Alltags im Gesundsheitswesen. (Bild: Daniel Thüler)

 

Bongetta präsentierte vier zentrale Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen: Personalpolitik, Work-Life-Balance, Personalentwicklung und den Umgang mit dem zunehmenden Fachkräftemangel. Die Personalpolitik müsse klare Werte und Regeln etablieren und diese konsequent vertreten. Dabei gehe es unter anderem darum, ob Innovationen zugelassen und Mitarbeitende in strategische Entscheidungen eingebunden werden. Die Personalentwicklung solle generationenübergreifend gestaltet und auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden. Zudem solle das traditionelle Notensystem durch einen dialogorientierten Ansatz ersetzt und moderne E-Learning-Methoden wie kurze Videos eingesetzt werden, um das Lernen flexibler zu gestalten.

Zum Schluss betonte Bongetta, dass HR-Professionals keine «eierlegende Wollmilchsau» sein müssten, sondern Lösungen entwickeln sollten, die den Anforderungen aller Generationen gerecht werden. Flexibilität, individuelle Weiterbildungs- und Karrieremodelle sowie eine offene Unternehmenskultur gelten als entscheidende Faktoren, um die Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

Demografie erfordert Einbezug der Generation 50plus

 

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Hans Rupli, Präsident von focus50plus, referierte über die Chancen und Herausforderungen, die die Generation 50plus für Unternehmen , am Ostschweizer Personaltag 2024 in der OLMA-Messe in St. Gallen

Hans Rupli betonte die Bedeutung der Generation 50plus in Hinblick auf den Fachkräftemangel. (Bild: Daniel Thüler)

 

Hans Rupli, Präsident von focus50plus, referierte über die Chancen und Herausforderungen, die die Generation 50plus für Unternehmen darstellt. Er ging zunächst auf die demografische Entwicklung ein: Bis 2040 wird die Zahl der Pensionierten in der Schweiz um rund 40 Prozent steigen, während das Arbeitskräftepotenzial nur um 4 Prozent wächst. Der Altersquotient verändert sich damit gravierend, wodurch auf einen Rentner nur noch ungefähr zwei Erwerbstätige kommen.

Etwa 30 Prozent der aktuellen Arbeitnehmenden in der Schweiz sind bereits 50 Jahre oder älter. Rupli wies darauf hin, dass der demografische Wandel weitreichende Auswirkungen auf die Unternehmenslandschaft habe: Sowohl die Belegschaft als auch die Kundschaft würden älter, und der bevorstehende Ruhestand der Babyboomer-Generation könne zu einem erheblichen Verlust von Erfahrungswissen führen.

Rupli zeigte auf, dass Mitarbeitende der Generation 50plus durch ihre langjährige Berufserfahrung, hohe Zuverlässigkeit und ausgeprägte soziale Kompetenzen einen wertvollen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leisten können. Sie würden seltener den Job wechseln sowie Führungsfähigkeiten und Konfliktlösungskompetenz mitbringen.

Jedoch bestünden auch Herausforderungen: Ein erhöhter Schulungsbedarf im Bereich digitaler Technologien, gesundheitliche Beeinträchtigungen und die Neigung zur Frühpensionierung würden angepasste Personalstrategien erfordern. Er empfiehlt einen umfassenden Ansatz: Flexibilisierung der Arbeitsformen, Förderung von Altersdiversität, Wertschätzung und gezielter Wissenstransfer. Unternehmen sollten flexible Arbeitsmodelle, Jobrotation und Quereinstiegsmöglichkeiten anbieten sowie eine generationenübergreifende Zusammenarbeit fördern.

Lernen, Widersprüche zu vereinen

Tristan Horx, Zukunftsforscher, Gründer und Botschafter des Thinktanks «The Future:Project», steuerte die Abschluss-Keynote bei. Er kritisierte in seiner packenden Keynote das traditionelle Konzept von Generationen wie Babyboomer, Generation X und Millennials.

«Das Generationenkonzept, wie wir es kennen, funktioniert nicht mehr wirklich», so Horx, was er anhand verschiedener Grafiken verdeutlichte. Er sehe die heutige Gesellschaft in einem historischen Übergang, geprägt von einer «Omni-Krise», in der Klimawandel, technologische Disruptionen und politische Instabilitäten zusammenwirken. Die aktuelle Zeit beschreibt er als Übergangsphase: «Wir befinden uns gerade in einem Übergangszeitalter mit unglaublich viel Gestaltungspotenzial, aber auch grosser Unsicherheit.» Dies führen zu einer allgemeinen Zukunftsresignation, insbesondere bei jungen Menschen.

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«Das Generationenkonzept, wie wir es kennen, funktioniert nicht mehr wirklich.»

– Tristan Horx, Zukunftsforscher, Gründer und Botschafter des Thinktanks «The Future:Project»

 

 

Laut Horx sei viel mehr sogenanntes «Down-Aging» zu beobachten, eine Entwicklung, bei der jede Generation jünger wirkt als die vorherige. Dadurch würden sich die traditionellen Grenzen zwischen jung und alt auflösen, und das klassische Lebensmodell – jung, arbeiten, alt, Rente – an Bedeutung verlieren. Stattdessen erlebten Menschen heute mehrere Phasen des Lernens, des Arbeitens oder der Selbstfindung über ihre gesamte Lebensspanne.

Deshalb plädiert er dafür, Generationen in der Arbeitswelt nicht mehr nach Alter zu definieren, sondern auf Fähigkeiten und Werte zu fokussieren. «Es geht nicht darum, wie alt jemand ist, sondern was er oder sie mitbringt.» Der Fokus müsse auf Flexibilität und eine wertebasierte Unternehmenskultur liegen. Horx Fazit: «Die Zukunft ist komplex und widersprüchlich – wir müssen lernen, mit Ambiguität umzugehen und scheinbare Widersprüche zu vereinen.»

 

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Tristan Horx, Zukunftsforscher, Gründer und Botschafter des Thinktanks «The Future:Project» redete am Ostschweizer Personaltag 2024 in der OLMA-Messe in St. Gallen über unser das aktuelle Generationenkonzept und wieso es nicht funktioniert

Tristan Horx empfiehlt Personalverantwortlichen, den Fokus mehr auf Fähigkeiten und Werte, denn aufs Alter zu legen. (Bild: Daniel Thüler)

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Daniel Thüler

Daniel Thüler, Chefredaktor HR Today, daniel.thueler@hrtoday.ch

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