Gibt es die typischen Temporärarbeitenden?
Fakt ist, dass die Temporärarbeitenden in der Schweiz pro Jahr gegen 200 Millionen Arbeitsstunden leisten. Das entspricht 2,4 Prozent der gesamten Arbeitsleistung. Doch wer steckt eigentlich hinter diesen vielen Arbeitskräften, die ihre Flexibilität in den Dienst der Wirtschaft stellen?
«Über 60 Prozent der Temporärarbeitenden sind in der Industrie und auf dem Bau beschäftigt.» Marius Osterfeld, Ökonom, swissstaffing. (Bild: Shutterstock)
Temporärarbeitende unterstützen Unternehmen bei Leistungsspitzen oder kurzfristigem Ereignisbedarf, springen bei Unfall, Krankheit, Vater- und Mutterschaftsurlaub ein oder arbeiten projektbezogen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des festangestellten Personals und zur pünktlichen sowie sorgsamen Ausführung von Aufträgen und Dienstleistungen.
Wer sind diese Menschen und was sind ihre Motive und Bedürfnisse? Aufschluss gibt eine umfangreiche Umfrage unter rund 4000 Temporärarbeitenden, die das Meinungs- und Sozialforschungsinstitut gfs-zürich im Auftrag von swissstaffing durchgeführt hat. In einem Steckbrief zusammengefasst, ist ein durchschnittlicher Temporärarbeitender männlich, ledig, ausländischer Herkunft, im Alter zwischen 25 und 39 Jahren und geht einem Haupterwerb in der Industrie nach. Dieser greift jedoch viel zu kurz, zeichnet sich die Temporärbranche gerade durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erwerbsmotive aus: von Hausmännern und Hausfrauen, die den Wiedereinstieg in das Erwerbsleben suchen, über einen Feststellensuchenden, der die Temporärarbeit als Brücke in den Arbeitsmarkt nutzt, bis hin zu älteren Arbeitnehmenden, die einen gleitenden Übergang in die Pension anstreben (die Vielfalt der Erwerbsmotive können Sie der Webseite die-temporaerarbeit.ch entnehmen).
Augenfällige Merkmale von Temporärabeitenden
Die soziodemografischen Merkmale unterscheiden sich zwischen Temporärarbeitenden und der gesamten Erwerbsbevölkerung markant. Auf den ersten Blick sorgt dies oft für Irritation. Das lässt sich jedoch leicht erklären. Ein Beispiel ist das Geschlechterverhältnis. Der Männeranteil liegt in der Temporärbranche bei 62 Prozent, während er in der gesamten Erwerbsbevölkerung lediglich 53 Prozent beträgt. Der Grund für diesen Unterschied ist der Branchenmix: Über 60 Prozent der Temporärarbeitenden arbeiten in der Industrie oder auf dem Bau – Branchen, in denen der Männeranteil unter den Beschäftigten bei 80 Prozent liegt.
Der Ausländeranteil in der Temporärbranche ist mit 52 Prozent ebenfalls erhöht. Dies hat vier Ursachen. Erstens widerspiegelt sich darin der starke Fokus auf die Bau- und Industrie-Branche, in denen der Ausländeranteil höher ist als in anderen Branchen. Zweitens sind Hilfskräfte in der Temporärbranche mit 43 Prozent übervertreten. Zudem werden geringqualifizierte Tätigkeiten häufiger von ausländischen Arbeitnehmenden verrichtet. Drittens ist die Arbeitslosenquote von Ausländern höher als bei Schweizer Staatsangehörigen. Deshalb nutzen ausländische Stellensuchende die Temporärarbeit überdurchschnittlich oft als Brücke in den Arbeitsmarkt und auch, weil sie durch die Personalberater bei der Bewerbung im Einsatzbetrieb unterstützt werden. Der vierte Grund zeigt sich schlussendlich im Fachkräftemangel, denn gefragte Profile sind auf dem inländischen Arbeitsmarkt nur schwer zu finden, was die Unternehmen und die Wirtschaft am Wachstum hindert. Als Rekrutierungsprofis helfen Temporärunternehmen ihren Unternehmenskunden, schwierige Vakanzen zu besetzen – allenfalls mit ausländischen Fachkräften.
Temporärarbeit zeigt ein vielschichtiges Bild der Arbeitnehmenden
Eng verknüpft mit der Frage, wer temporär arbeitet, ist die Frage, warum Temporärarbeitende so flexibel sind und keine Feststelle annehmen. Die Antwort ist: Temporärarbeitende sind wie die Einsatzbetriebe auf der Suche nach einer kurzfristigen, flexiblen Beschäftigung. Für jene, die langfristig eine Feststelle wünschen, stellt die Temporärarbeit eine gute Übergangslösung dar, bis sie eine passende Stelle gefunden haben. Bei denjenigen, die aus privaten Gründen keine Festanstellung anstreben, macht die Flexibilität der Temporärarbeit eine Teilnahme am Arbeitsmarkt erst möglich.
Vor diesem Hintergrund darf man sich die Temporärarbeitenden nicht als eine homogene Gruppe von Arbeitnehmenden vorstellen. Vielmehr befindet sich die Branche in einem fliessenden Gleichgewicht, bei dem stetig neue Arbeitskräfte Temporärstellen als Beschäftigungschance nutzen, aber ihre Stellen auch wieder verlassen. Sei es, weil ein Einsatz endet, sie eine Feststelle gefunden haben oder eine Erwerbstätigkeit aus privaten Gründen nicht mehr möglich ist. Dementsprechend verwundert es nicht, dass 55 Prozent der Einsätze nicht länger als sechs Monate dauern. Für 84 Prozent der Temporärarbeitenden endet die gesamte Temporärarbeitsphase nach maximal drei Jahren – unabhängig davon, ob sie in dieser Zeit einen oder mehrere Einsätze absolviert haben.
Betreuungsfunktion der Personaldienstleister ist zentral
In Anbetracht dieser Dynamik kommt den Personalberatenden eines Temporärunternehmens eine grosse Bedeutung zu. Sie sind in einer Zeit des steten Wandels zentrale Ansprechpartner für Arbeitnehmende rund um die Arbeitsmarktintegration. Die Umfrage unter den Temporärarbeitenden zeigt: Wenn der Betreuungsservice zu 100 Prozent in der Hand der Personaldienstleister liegt, schneidet dieser im Urteil der Temporärarbeitenden besonders gut ab. Auf einer Skala von 1 «sehr unzufrieden» bis 5 «sehr zufrieden» erreichen Personaldienstleister bei den Kriterien «gute Betreuung», «Vermittlung einer passenden Stelle» und «Vermittlung in ein passendes Team» einen Durchschnittswert von knapp 4. Mit einem Wert von 3,5 schneiden sie bei der Vermittlung einer Folgeanstellung dagegen weniger gut ab – ein Aspekt, der von zahlreichen externen Faktoren wie zum Beispiel der allgemeinen Arbeitsmarktlage abhängt.
Die Studienergebnisse zeigen, wie schwierig es ist, die Welt der flexiblen Arbeit zu verstehen, ohne Missverständnissen aufzusitzen. Flexworker nutzen die Opportunitäten des Arbeitsmarktes spontan und schliessen dank ihrem Einsatz personelle Lücken in der Wirtschaft. Nicht selten wissen weder Unternehmen noch Temporärarbeitende zu Beginn, wie lange eine Zusammenarbeit dauert. Oftmals länger als gedacht. Die Hälfte der ehemaligen, nun festangestellten Temporärarbeitenden ist in einem früheren Einsatzbetrieb tätig. Aus Flexibilität geschlossene Arbeitsverhältnisse werden im Laufe des Einsatzes zu dauerhaften Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen.