Checkliste: Perfektionismus

Gut ist besser als perfekt

Der Druck ist gross, die Zeit reicht nie. Statt sich über glanzvolle Resultate freuen zu können, tauchen Zweifel auf. Kann es sein, dass Sie mit Ihren Ressourcen verschwenderisch umgehen und zu hohe Ansprüche haben? Folgende fünf Schritte verhelfen Ihnen zu etwas weniger Perfektionismus.

Es ist Freitagmittag. Anne freut sich aufs Wochenende, doch es gibt noch so viel zu tun. Ihr Kollege schafft es jeweils, die Firma Mitte Freitagnachmittag zu verlassen. Sie fragt sich manchmal, ob er die Arbeit ernst genug nimmt. Anne ist eine makellose Erledigung ihrer Aufgaben wichtig. Sie schätzt das gute Gefühl, wenn sie nach getaner Arbeit das Wochenende beginnen kann. Nur leider tritt das Gefühl immer seltener ein, denn die Arbeit scheint nie getan. Dafür beschleichen sie Zweifel und Unzufriedenheit. Geht es Ihnen wie Anne?

1. Klären Sie Ihr Ziel: Weshalb möchten Sie etwas ändern?

Sie möchten perfekte Arbeit leisten, alle Aufgaben stets zur rechten Zeit und zur besten Zufriedenheit aller erledigen, doch Ihr Streben scheint nicht richtig zu fruchten? Das Streben nach einer exzellenten Performance ist eine grosse Stärke und manchmal unabdingbar wie beispielsweise auf der Opernbühne oder im Spitzensport. Es wird jedoch zur Restriktion, wenn der Massstab zu hoch und rigide festgelegt ist oder für alles ein hoher Massstab gilt. Dann sind Druck und Stress, schlimmstenfalls sogar Blockaden und Minderleistungen vorprogrammiert.

Überlegen Sie sich: Wozu möchten Sie in Ihrem (Arbeits-) Leben etwas verändern? Welches Ziel haben Sie? Möchten Sie mehr Leichtigkeit im Alltag? Mehr Zeit für das wirklich Wichtige, für Sie oder Ihre Familie? Mehr Energie für verschiedene Interessen? Führen Sie sich Ihr Ziel immer wieder vor Augen.

2. Seien Sie «clever perfekt» statt rundum perfekt

Häufig liegt der primäre Fokus gar nicht bei den Aufgaben, sondern bei sich selbst. Streben Sie danach, makellos und tadellos sein, um beispielsweise gute Karrierechancen zu haben, um besonders beachtet oder anerkannt zu werden?

Ändern Sie bewusst den Fokus. Richten Sie ihn auf Ihre Aufgaben: Streben Sie bei jenen Aufgaben Perfektion an, die wirklich bedeutsam sind. Rufen Sie immer wieder Ihr Job-Ziel oder Ihr Jahresziel in Erinnerung und bestimmen Sie diejenigen Aufgaben, die am wichtigsten sind, um das Ziel zu erreichen. Laut Pareto-Prinzip erreichen Sie mit 20 Prozent Ihrer Kernaufgaben 80 Prozent des Job-Ziels.

3. Differenzieren Sie: Denken Sie in Farben statt Schwarz-Weiss

Stellen Sie sich zu Ihren (wichtigen) Aufgaben folgende Fragen und ziehen Sie entsprechende Schlüsse daraus:

  • a) Welche der Aufgaben verlangen tatsächlich Perfektion? Wo geht es um «Leben und Tod» oder um verheerende finanzielle Auswirkungen?
  • b) Bei welchen Aufgaben wünschen andere, wie beispielsweise Vorgesetzte, eine exzellente Leistung? Solange genügend Ressourcen vorhanden sind, spricht nichts gegen die perfekte Erledigung dieser Aufgaben. Mangelt es jedoch an Geld, Zeit oder Energie, beenden Sie die Aufgabe auf einem guten Niveau.
  • c) Ist weder das erste noch das zweite der Fall, reicht bei den Aufgaben immer ein «gut».
  • d) Gönnen Sie sich Ausnahmen: Welche Aufgaben mögen Sie besonders gerne? Bei welchen Aufgaben gefällt es Ihnen, diese besonders zu gestalten oder bis ins Detail zu durchdenken?

Definieren Sie, was es bedeutet, eine Aufgabe gut (80%) oder perfekt (100%) zu erledigen. Fragen Sie auch nach der Meinung Ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie der vorgesetzten Person. Bedenken Sie, dass Sie mit 20 Prozent Aufwand ein gutes Resultat erreichen (80 Prozent). Ein hundertprozentiges Ergebnis benötigt einen vier Mal höheren Aufwand (80:20-Prinzip). Setzen Sie also Ihre Ressourcen dosiert und am richtigen Ort ein, dann erreichen Sie bei den kritischen Aufgaben sehr gute Resultate und sind doch effizient.

4. Rücken Sie Ihre Gedanken ins «rechte Licht» – auch beim Thema Fehler

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeitsergebnisse oder Sie nur etwas wert sind, wenn alles makellos ist? «Nur wenn ich perfekte Arbeit leiste, erhalte ich Anerkennung», «nur wenn ich mich …, verdiene ich diesen Job», «nur wenn mir kein einziger Fehler passiert, habe ich Chance, mich beruflich weiterzuentwickeln» etc.

Hinterfragen Sie solche Überzeugungen. Denn die Auffassung, keine Fehler machen zu dürfen, löst Ängste aus und verlangsamt oft die Arbeit. Der Anspruch der Fehlerlosigkeit ist sozusagen «unmenschlich», denn Fehler sind allgegenwärtig. Fehler und ihre Korrektur gehören zum Lernen mit dazu. Klar, bei manchen Aufgaben sind Kontrollen notwendig – beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip. Diskutieren Sie im Team hilfreiche Kontrollen und Plausibilisierungen für kritische Aufgaben.

5. Gehen Sie in kleinen Schritten vor

Verändern Sie Ihr Verhalten bei Aufgaben oder Situationen, die eine kleinere Bedeutung haben. Reduzieren Sie den Aufwand und schauen Sie, was passiert. Ein für Sie «nur» gutes Ergebnis könnte in den Augen einer anderen Person bereits perfekt sein.

Sollten Zweifel aufkommen, ob nicht doch mehr Aufwand nötig wäre, rufen Sie sich Ihr Ziel und die erarbeitete Differenzierung (Pareto- und 80:20-Prinzip) in Erinnerung. Holen Sie Rückmeldungen ein und überlegen Sie sich, was eine gute Kollegin Ihnen raten würde, oder wie Sie wohl in einer Woche über diese im Moment ungewohnte Veränderung denken werden.

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Dr. phil. Astrid Mehr ist Fachpsychologin für Coaching-Psychologie FSP, Mitglied der Swiss Society for Coaching Psychology SSCP, Geschäftsführerin von DENKZEIT GmbH für Coaching und Seminare und unterstützt Menschen dabei zufrieden, kompetent und gesund zu arbeiten.

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