Fünf New Work-Trends 2023

Wie agile Unternehmen das Beste aus dem machen, was sie haben

Der Fachkräftemangel erschwert es auf Krisen offensiv zu reagieren. Gleichzeitig steigen die Ansprüche und Lohnforderungen der begehrten Talente. Das Wirtschaftsklima ist auf Rezession gestellt. Wie kann das HR gegen den steigenden Druck im Unternehmen tun?

Bei höheren Kosten und begrenzteren Mitteln wird 2023 der Schlüssel zum Erfolg darin liegen, das Beste aus dem zu machen, was man hat. Für Effizienzsteigerung und Innovation braucht es fähige und motivierte Mitarbeiter, die gemeinsam an einem Strang ziehen und Führungskräfte, die die Räume und Strukturen schaffen, damit die Energie im Unternehmen frei fliessen und sich entfalten kann.

Trend 1: Kultur und Gemeinschaft stärken

Wie gross ist das Potenzial einer geschlossen agierenden Mannschaft, die sich zusammen mit Herz, Hand und Verstand für eine gemeinsame Sache einsetzt? Wer hört, dass die beiden Corona-Jahre für die norddeutsche Hotelkette Upstalsboom die erfolgreichsten der Firmengeschichte waren, reibt sich zunächst verwundert die Augen – und fragt dann nach dem Geheimnis hinter dem Erfolg.

Als pandemiebedingt die Gäste ausblieben, mussten schliesslich viele andere Häuser Insolvenz anmelden. Upstalsboom überstand dagegen durch vier entscheidende Faktoren die Krise unbeschadet: Getragen von einer starken Kultur sicherten volle Transparenz, klare gemeinsame Ziele und selbstorganisierte, agile Prozesse das Überleben.

Trend 2: New Work erreicht den «Handy-Moment»

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Everett Rogers Diffusionskurve von Innovationen beschreibt, dass Trends, die die kritische Masse erreichen, anschliessend von der Gesellschaft aufgegriffen werden und sich etablieren. Zur Jahrtausendwende war das schön zu beobachten, als zunächst alle über die Handy-Nutzer die Nase rümpften und kurz danach selbst eines in der Tasche hatten. Dieser Punkt scheint nun in Bezug auf New Work erreicht zu sein, so dass sprunghaft mehr Unternehmen folgen werden.

 

Die aktuellen Herausforderungen sind so komplex, dass sie nicht im Alleingang bewältigt werden können. Aufgabe der Führung ist, dabei mit der passenden Haltung vorauszugehen und die erforderlichen Räume und Strukturen zu schaffen, in denen dem Wandel kooperativ und auf Augenhöhe begegnet werden kann. Dazu gehört der Umbau von hierarchischen Unternehmens- zu Netzwerkstrukturen und die Einführung flexiblerer Rollenmodelle, die ein selbstorganisiertes, agiles Handeln der Organisation ermöglichen. Das bringt zwei Vorteile:

  1. Wenn die Macht von der Unternehmensspitze auf alle Mitarbeitende verteilt wird, steigen die Handlungsfähigkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit. Die Organisation kann effizienter handeln und sich schneller verändern, die Agilität steigt.
  2. Die jungen Talente spüren intuitiv, dass die alten Vorgehensweisen den aktuellen Herausforderungen nicht wirksam begegnen können. Bereits 2018 planten gemäss einer Deloitte-Studie 43 Prozent der Millennials, in den nächsten beiden Jahren ihre Arbeit zu kündigen, davon waren 62 Prozent bereit, als Freelancer zu arbeiten. Arbeitgeber, die die Ansprüche der jungen Generation erfüllen, werden diese nicht nur effektiver halten, sondern auch vielversprechende Talente anziehen.

Trend 3: Mit Wertschätzung Mitarbeitende zurückgewinnen, die Dienst nach Vorschrift schieben

Wenn die Kosten steigen und der Output gehalten werden soll, muss die Effizienz erhöht werden. Qualitative Entwicklungssprünge machen hier den wirklichen Unterschied. Damit diese gelingen, braucht es engagierte, motivierte Mitarbeitende und einen Rahmen, in dem sich jeder traut, sich zu beteiligen. Laut Studien des Gallup-Institutes schieben durchschnittlich 5 von 7 Mitarbeitende Dienst nach Vorschrift, 1 von 7 hat gar innerlich gekündigt. Unternehmen, denen es gelingt, diese Mitarbeitende zurückzugewinnen, erleben regelmässig enorme Effizienzschübe und erkennen, dass es weniger Neueinstellungen braucht oder das vorhandene Potenzial sogar ganz reicht, weil die Mitarbeiter plötzlich wieder voll bei der Sache sind.

Ein gutes Betriebsklima beflügelt die Mitarbeitende, eröffnet Synergien und beseitigt Silodenken. Eine Heidricks & Struggles Studie  belegt, dass der Fokus auf eine starke Kultur zu mehr als doppelt so guten Ergebnissen führt und der zentrale Schlüssel erfolgreicher Unternehmen ist. Eine starke Kultur wird getragen durch die Haltung der Führung, durch Wertschätzung, Kontakt auf Augenhöhe, Bewusstsein über den Sinn der gemeinsamen Arbeit und einem Employee-First-Ansatz. Eine kompromisslose Wertschätzungskultur hat einen weiteren Vorteil, denn sie das zentrale Merkmal, um gute Mitarbeitende im Unternehmen zu halten (McKinsey).

Trend 4: Überlastung vorbeugen

Das Thema Fachkräfte bleibt aktuell: Auch wenn intern alles gut läuft, ohne neue Mitarbeitende geht es nicht. Bei der aktuellen Situation am Fachkräftemarkt können sich Unternehmen Fehler bei der Personalauswahl immer weniger leisten. Fehlgriffe sind nicht nur teuer (15-36 Monatsgehälter, Kienbaum), sie verlängern auch die Suchzeit und überlasten die bestehende Belegschaft.

Gerade letzteres ist in Zeiten, in denen sich jeder Dritte ausgebrannt fühlt, kritisch. 40 Prozent der Mitarbeitende kündigen aufgrund von Überlastung (PEW-Thinktank). Wenn durchschnittlich jedes Vierte neugeschlossene Arbeitsverhältnis in der Probezeit scheitert, führt die Überlastung zur nächsten Kündigung und lässt einen Teufelskreis entstehen.

Trend 5: Cultural-Fit Recruiting und die Suche nach dem Growth Mindset

Mitarbeitende, die gehen, verschlechtern den Arbeitgeber-Ruf und erschweren die Gewinnung neuer Talente. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer professionellen Personalauswahl, die auch den kulturellen Fit der Bewerbenden erhebt und neue Mitarbeitende anschliessend mit einem ordentlichen Onboarding ins Unternehmen einführt. Angesichts der engen Fachkräftemärkte kommt es immer mehr darauf an, welche Potenziale Bewerbende mitbringen, damit der Einstieg ins Unternehmen gelingt.

Die Organisationspsychologie zeigt, dass das am besten mit einem Growth Mindset gelingt. Bewerbende, die diesen mitbringen, zeichnen sich durch eine hohe Lernbereitschaft aus, sehen Kritik als Wachstumschance, wissen, dass Fehler zum Entwicklungsprozess dazugehören und stellen die gemeinsame Entwicklung über das eigene Ego. Die Herausforderung liegt einerseits darin, diese Qualitäten im Recruiting zu erkennen und andererseits von betrieblicher Seite aus eine positive Feedbackkultur zu stellen, damit sie sich entfalten können.

 

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Christian Bernhardt ist Dozent für non-verbale Kommunikation und Kommunikationspsychologie. Er hält Vorträge und Trainings zu den Themen Recruiting und Kommunikation und berät Unternehmen in Deutschland und der Schweiz.

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