Herbal Resources
Ricola-HR-Chefin Pascale Lenzi hat mit dem höchst HR-affinen Finanzchef Andreas Lindner einen engagierten Sparringspartner und direkten Draht in die Geschäftsleitung. Dieser ist für sie unabdingbar, damit HR-Arbeit Wirkung erzielt. Gemeinsam haben sie jüngst ein tiefgreifendes Personalentwicklungsprojekt eingeführt. Denn beim weltbekannten Kräuterzucker-Hersteller aus dem Baselbieter Laufen ist einiges im Umbruch und der letzte Würfel noch lange nicht gefallen.
CFO Andreas Lindner und HR-Chefin Pascale Lenzi. (Foto: HR Today)
Das Ricola «HR-Tandem» Pascale Lenzi und Andreas Lindner begrüsst uns an einem stürmischen Nachmittag vor Ostern am Hauptsitz an der Baselstrasse 32 in Laufen. Ein architektonisch historischer Ort, der in den späten 70er-Jahren als eines der ersten Projekte eines jungen Basler Architekten namens Jacques Herzog renoviert wurde. Dies auf Einladung von Alfred Richterich – einem der Söhne des Firmengründers Emil Richterich. Das Projekt markierte nicht nur den Beginn einer freundschaftlichen Beziehung der Ricola-Inhaber-Familie Richterich mit dem damals noch unbekannten Architekten, sondern auch den Startpunkt für eine ganze Reihe von Aufträgen an die heute weltweit tätigen Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron. Finanzchef Andreas Lindner erzählt die wenig bekannte Anekdote, während wir ins Auto steigen, um für das Doppelinterview und Fotoshooting mit ihm und HR-Chefin Pascale Lenzi das vor einem Jahr im Mai 2014 neu eröffnete «Kräuterzentrum» ausgangs Laufen anzusteuern.
In der Kräuter-Kathedrale
Der Bau für die zentrale Verarbeitung und Lagerung von Kräutern, ist der achte und neuste Wurf, den die Basler Architekten für Ricola realisiert haben: Auf den ersten Blick ein vielleicht unspektakulärer rechteckiger Kubus, hat es das Bauwerk mit markantem Rundfenster definitiv in sich: Es atmet quasi den Geist Ricolas und verkörpert die Philosophie zwischen lokaler Schollenverbundenheit und globaler Weltoffenheit fast emblematisch: «Nicht Prestige-Architektur, sondern Qualität, Ökologie, Ästhetik und der Mensch stehen bei uns im Vordergrund», erklärte Gründerenkel Lukas Richterich, Verwaltungsrat und Bruder von Ricola-Chef Felix Richterich, anlässlich der Eröffnung gegenüber dem «Wochenblatt für das Schwarzbubenland und das Laufental».
Das verwendete Baumaterial stammt aus einem Radius von nur zehn Kilometern: Ton aus Laufen, Mergel aus Liesberg und Bauaushub aus Büsserach. Daraus wurden die über 660 Fassadenelemente gemischt und gepresst. Die entstandene Gebäudehülle aus Stampflehm eignet sich hervorragend für die fachgerechte Lagerung der jährlich 1400 Tonnen Kräuter. Und wie die Halle atmet! Wer einmal das Hochstelllager mit den mannshohen Kräutersäcken betreten und die Luft inhalieren durfte, wird den intensiven Duft in dieser «Kräuter-Kathedrale» nicht so schnell wieder vergessen und versteht, dass der Nimbus des reinen Schweizer Kräuterzuckers definitiv keine leere Werbehülse ist. Der weltberühmte Kräuterbonbon-Hersteller aus dem beschaulichen Laufen, dem so stimmgewaltige Stars wie Robbie Williams, Christina Aguilera, Mariah Carey, Cecilia Bartoli, Placido Domingo, Meat Loaf, Madonna und Michael Jackson die Treue schwörten, befindet sich 85 Jahre nach der Gründung in einer tiefgreifenden Transformation: 90 Prozent der Gesamtproduktion exportiert Ricola heute in weltweit über 50 Länder. Damit bewegt sich das stark globalisierte KMU in einem höchst heterogenen und regulatorisch und steuertechnisch stetig komplexer werdenden Marktumfeld.
«Wir wollen die Expansion weitertreiben», erklärt Finanzchef Andreas Lindner, der bei Ricola auf Geschäftsleitungsstufe auch das HR verantwortet. Hauptzielmarkt der Expansionsstrategie ist neben den USA und Südamerika insbesondere Asien, wo Ricola heute bereits fast zehn Prozent der Verkäufe realisiert. Mit steigender Tendenz – namentlich in China und Indonesien. Dabei ist Ricola nicht nur auf internationalem Terrain gefordert. Die Bonbonproduzentin steht generell in einem ständigen Kampf um Präsenz an den heiss begehrten Verkaufspunkten. Dabei macht der aktuelle Trend zur Reduktion von bedienten Supermarktkassen – für Ricola einer der wichtigsten «Touchpoints» mit den Konsumenten – das Geschäft nicht einfacher. Zudem zwingt der sinkende Einfluss von TV-Werbung die Markenherstellerin, neue Online-Promotionsstrategien zu entwickeln.
Margendruck und Frankenschock
«Die Margen sind kleiner, der Wettbewerb ist intensiver geworden», erklärt Andreas Linder auf die Frage, ob man mit Bonbons eigentlich noch Geld verdienen kann. Ricola sieht sich mit einem gnadenlosen Preiskampf konfrontiert. Dieser hatte sich mit dem Frankenschock der Nationalbank im vergangenen Januar noch akzentuiert. Selbst im Schweizer Heimmarkt, wo Grossverteiler wie Coop umgehend den Druck auf die Marge erhöhen wollten. So sah sich Ricola anfangs Jahr gezwungen, Personal- und Investitionsanträge kritisch zu hinterfragen. Ricola berücksichtigt seither zudem verstärkt Lieferanten aus der EU – etwa beim Einkauf von Packmaterial und Hilfsstoffen. Das Grundprodukt – die Kräuter – bleibt jedoch konsequent helvetisch. Und das soll auch so bleiben. Neue Produkte will man bewusst im Premiumsegment positionieren, um so die Marge halten zu können.
Kurz: «Nicht nur die Marktsituation ist anspruchsvoller und kompetitiver geworden, sondern auch die Ansprüche an die Mitarbeitenden», erklärt Andreas Lindner, der sich als ehemaliger Tennis-Spitzenspieler in einem kompetitiven Umfeld wohl fühlt: «Alle Stufen, Funktionen und Stellen sind heute bei Ricola gefordert. Alle müssen sich den veränderten Marktbedingungen stellen und weiterentwickeln», so Andreas Lindner, der Ende Juli 2009 nach der Vermittlung durch einen Headhunter «unverhofft» als Finanzchef zu Ricola stiess und auf Geschäftsleitungsstufe neben den Finanzen und IT auch die Verantwortung fürs HR übernahm.
2012 – im Jahr nach dem tragischen Freitod des damaligen CEO Adrian Kohler – hat Lindner die Idee lanciert, ein tiefgreifendes, die gesamte Belegschaft umfassendes Personalentwicklungsprogramm zu starten. Dieses sollte in Form eines «Mitarbeiteraktivierungsprogramms» diverse Ziele erfüllen: Etwa mehr eigene Mitarbeitende in Führungspositionen hineinzuentwickeln und damit bei der externen Rekrutierung Kosten zu senken, das Innovationsmanagement voranzutreiben und das Talentmanagement umfassender zu definieren.
Zur Person
Nach dem KV liess sich Pascale Lenzi am IAP Basel zur HR-Fachfrau ausbilden. Im Anschluss hat sie sich an der FH Olten in Psychologie weitergebildet und lebte 1995 für ein Jahr als Expat in Kalifornien. Inzwischen ist sie seit 26 Jahren im HR tätig. Zunächst während neun Jahren als HR-Leiterin in der Maschinenindustrie bei der Moser-Glaser AG in Kaiseraugst. Zwischen 1999 und 2002 übernahm sie die Gesamtverantwortung für den HR-Bereich Nordwestschweiz des Logistikunternehmens DHL mit 400 Mitarbeitenden. Im November 2002 stiess sie als HR-Leiterin zu Ricola, wo sie seit bald 13 Jahren wirkt. Rund die Hälfte dieser Zeit rapportierte sie direkt dem ehemaligen Co-CEO und -CFO Adrian Kohler. Mit dem Eintritt von Andreas Lindner im Jahr 2009 wurde das HR der Finanzabteilung angegliedert. 2007-2008 bildete sich die reisebegeisterte Naturliebhaberin in einem Nachdiplomstudium am IAP Basel zur eidg. dipl. HR-Leiterin weiter und verstärkte damit ihre personalpsychologische Kompetenz.
Andreas Lindner ist in Bottmingen (BL) aufgewachsen und studierte an der Universität Basel BWL. Nach einem Trainee-Programm im Finanzbereich beim Pharmakonzern Roche in Basel wird er für fünf Jahre als Expat nach Buenos Aires und anschliessend als lokaler Finanzchef nach Montevideo entsandt. Nach sieben Jahren bei Roche entscheidet er sich, als Finanzchef und HR-Verantwortlicher zu Mövenpick Fine Foods zu wechseln, wo er mit zahlreichen Restrukturierungsprojekten beschäftigt ist und 2003 unter anderem den Verkauf der Glace-Sparte an Nestlé zu einem Abschluss bringt. Nach diesen Erfahrungen in der Konsumgüterbranche wechselt er zum Baselbieter Implantatehersteller AO-Synthes Technology. Ende Juli 2009 stösst Lindner nach der Vermittlung durch einen Headhunter unverhofft als Finanzchef zu Ricola, wo der kompetitiv-passionierte Turnier-Tennisspieler heute als Geschäftsleitungsmitglied neben den Finanzen auch die IT und das HR verantwortet.
Dabei war Lindner das Risiko des Scheiterns von Personalentwicklungsprogrammen durchaus bewusst: «Akademische Mitarbeiterentwicklungsprogramme gibt es wie Sand am Meer und entsprechend oft versanden sie auch», stellt er trocken fest. Dem Change-erprobten Manager war deshalb sonnenklar, dass er ohne die Unterstützung seiner Kollegen in der Geschäftsleitung und deren Vorsitzenden Felix Richterich das Projekt von vornherein hätte begraben können.
Das Commitment von CEO Felix Richterich sei ihm besonders wichtig gewesen, weil es sich bei dem Personalentwicklungsprogramm um ein langfristig strategisch angelegtes Projekt handle, «das schwierig zu messen ist und auch nicht aus rein finanziellen Gründen lanciert werden sollte». Vielmehr sollte das Projekt auf eine nachhaltige Qualitätssicherung abzielen, die sich auch in einer Verbesserung der Mitarbeiterbindung manifestieren soll. «Dabei ist die Fluktuationsquote mit vier bis acht Prozent bei Ricola tief und die Identifikation mit der Firma und dem Produkt traditionellerweise sehr stark», ergänzt Pascale Lenzi, die seit 13 Jahren bei Ricola die operative HR-Arbeit verantwortet. «Bei gewissen HR-Themen sind wir bei Ricola im Vergleich zu anderen KMU vielleicht nicht gerade pionierhaft unterwegs, aber bestimmt einen Schritt voraus», erklärt Lenzi selbstbewusst. Als Beispiele erwähnt sie etwa das E-Recruiting-System, die Anstellung von Social-Media-Managerinnen in der internen Kommunikation und gut verankerten Projekten im betrieblichen Gesundheitsmanagement.
Bevor Andreas Lindner vor sechs Jahren zu Ricola stiess, rapportierte Lenzi direkt dem ehemaligen CEO Adrian Kohler. Obwohl sie die aktuelle Konstellation im Tandem mit Lindner durchaus gut findet und sich nie «beraubt» fühlte, denkt sie, «dass es grundsätzlich die beste Konstellation ist, wenn das HR direkt in der GL vertreten ist». Das sehe sie auch in ihrem Kollegenkreis, wo HR-Verantwortliche mit GL-Einsitz davon berichten, dass sich mit dem entsprechenden Einfluss und Wissen die HR-Arbeit merklich erleichtere. Andreas Lindner, der seine Begeisterung und Leidenschaft für HR-Themen nur schwer verbergen kann, sieht derweil seine Rolle darin, «für Impulse zu sorgen, um die im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung beschlossenen Strategien in HR-Projekte umzusetzen und die Internationalisierung weiter voranzutreiben».
Erfolgreiche Partnersuche
Zurück zum Programm: Lindners Überzeugungsarbeit fruchtete. Nach einem «Reifeprozess» sagten die GL-Kollegen ihre aktive Mitarbeit zu und es wurde auch das entsprechende Budget gesprochen. «Uns war klar, dass man ein solch ambitioniertes Projekt mit internen Ressourcen allein nicht würde stemmen können», erklärt Lindner. 2013 schrieb Ricola ein Mandat für ein Personalentwicklungsprogramm aus. Ende 2013 erhielt das HR-Beratungsunternehmen Promerit den Zuschlag. «Es war das für Ricola beste und passendste Angebot, weil gerade bei der Definition der Kompetenzkriterien hilfreiche Leitplanken gesetzt wurden und andererseits aber sehr individuell auf unsere Bedürfnisse eingegangen wurde, ohne nach Schema X einen Standardprozess abzuspulen.»
So verfeinerte man 2014 gemeinsam mit dem externen Partner das Konzeptdesign, taufte das Programm auf den Namen «Grow» und etablierte auf GL-Stufe einen dreiköpfigen Projektausschuss bestehend aus dem Produktions- und Marketingchef sowie Finanzchef Andreas Lindner. Ebenso involviert wurden die internationalen Regionalverantwortlichen und Marketingoffices. Und selbstverständlich das fünfköpfige HR-Team von Pascale Lenzi.
Positive Zwischenbilanz
Kernelement des Programms war die Erarbeitung eines neuen Kompetenzmodells basierend auf acht «Ricola-Kompetenzen». Damit sollten die Kompetenzen aller Mitarbeitenden erstmals systematisch erfasst und gezielt weiterentwickelt werden, um die Belegschaft für die neuen Herausforderungen zu wappnen. Dabei verfolgte man bei der Implementierung des Programms einen «Tandem»-Approach: Die Schulung der Kader und Mitarbeitenden erfolgte in Form von internen Trainings. Einerseits durch die Geschäftsleitungsmitglieder persönlich, andererseits durch die externen Berater. Immer mit dem übergeordneten Ziel, eine höchstmögliche Mitarbeiter-Aktivierung zu erreichen.
«Das ist gelungen», bilanziert Pascale Lenzi. «Wir haben aus der ganzen Belegschaft super Feedbacks erhalten.» Den Erfolgsfaktor des Projekts sieht auch Pascale Lenzi einerseits in der Arbeit der externen Beratungspartnern, vor allem aber auch im Konzept der breit abgestützten Kernprojektteams. Einerseits bestehend aus GL-Mitgliedern, die früh an Bord geholt wurden und als «interne Botschafter» wirken, anderseits aber auch in der Integration von Mitarbeitenden querbeet aus allen Abteilungen sowie in der engen Kooperation mit dem HR. «Die Belegschaft spürte, dass es allen Beteiligten ernst war, und begrüsste das Personalentwicklungsprogramm. Die Mitarbeitenden tragen das Programm mit und wollen sich weiterentwickeln», erklärt Lenzi. Nicht zuletzt liege ein Erfolgsfaktor aber auch in der Bereitschaft, in einen Reifeprozess zu investieren und auch ein entsprechend hohes Weiterbildungsbudget zur Verfügung zu stellen. Dieses liege bei Ricola «ein Mehrfaches» über dem Schweizer Durchschnitt von 587 Franken. Ricola habe schon immer grosszügig in die Weiterbildung der eigenen Leute investiert, «aber noch nie so strukturiert und gleichzeitig so individualisiert wie heute». Das sei eine wichtige Ingredienz des Erfolgsrezepts bestätigt Andreas Lindner: «Es ist uns wichtig, unseren Mitarbeitenden nachhaltig massgeschneiderte Perspektiven zu eröffnen und sie hin zur Exzellenz zu entwickeln.»
Dass «Nachhaltigkeit» und «Exzellenz» bei Ricola für einmal nicht einfach nur PR-Phrasen sind, sondern gelebte Unternehmenskultur atmen, beweist die Firma in mehrfacher Hinsicht: So basiert der Erfolg von Ricola neben Emil Richterichs Kräuterzucker-Erfindung ebenfalls primär einmal auf der exzellenten Qualität der Resourcen. Namentlich der Kräuter, die nach naturgemässen Grundsätzen im Schweizer Berggebiet angebaut werden. So engagierte sich Ricola bereits in den 70er-Jahren für pestizidfreien Kräuteranbau – in einer Zeit, als «Bio» und «ökologisches Engagement» noch keine Marketingfloskeln waren. Im Jahr 2010 gründete Ricola zudem mit der Ricola Foundation eine gemeinnützige Stiftung zur Erforschung und Erhaltung der natürlichen und kulturellen Lebensgrundlagen des Menschen mit Fokus auf die Erforschung des weltweit zu beobachtenden Schwinden von Honigbienenkolonien.
Ricola
Mit 350 Mitarbeitenden am Hauptsitz in Laufen (BL) und 80 Mitarbeitenden in den Tochtergesellschaften in Europa, Asien und den USA zählt die Ricola AG zu den traditionsreichsten Bonbonherstellern und zu den bekanntesten Weltmarken mit Schweizer Wurzeln. Nach der Lancierung einer Modernisierungs-, Diversifizierungs- und Expansionsstrategie exportiert das KMU heute über 40 verschiedene Sorten Kräuterbonbons und -tees in 58 Länder. 1930 von Bäcker meister Emil Richterich als «Richterich & Co., Laufen» gegründet, wird das Familienunternehmen von Enkel Felix Richterich (57) als Vorsitzendem der Geschäftsleitung und Verwaltungsratspräsidenten in Personalunion geleitet.