HR als Team-Komponist
HR-Menschen sind Generalisten. Das mag vor 20 Jahren so gewesen sein. Durch die Digitalisierung und die Flexibilisierung der Arbeitswelt beschäftigen das HR heute neue Aufgaben. Wie künftige Personalarbeit aussehen könnte.
Zukunft des HR: Neues Rollenverständnis. (Bild: iStock)
Statt «HR-Business-Partner» oder «Personalverwalter» werde das HR eher «Direktor des ersten Eindrucks», «Sinnstifter», «Team-Komponist», «Zukunftslotse», «Gastgeber» oder «Verantwortlicher Mitarbeitererlebnis» heissen, meint Berater und DoDifferent-Gründer Christoph Jordi: «HR als Schulungsabteilung oder das HR-Business-Partner-Modell haben ausgedient. Ein Grossteil der Rekrutierung müsste zudem an die Linie delegiert werden.» Dass bei der Rekrutierung vermehrt andere als das HR entscheiden, wer eingestellt wird, bemerkte auch Raphael Ineichen, Gründer von Digitalent, in einem HR Today Blog-Beitrag. Das sei kein Unglück, denn: «Ohne Recruiting hat HR mehr Zeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich bestehende Mitarbeitende entwickeln können, glücklich sind und dem Unternehmen länger erhalten bleiben.»¹
Mitarbeiterorientierung
Dazu sei Dienstleistungsbewusstsein gefragt, sagt Christoph Jordi: «HR sorgt für die Leistungsfähigkeit der Organisation und der Mitarbeitenden.» Und damit dafür, die richtigen Kompetenzen und Erfahrungen am richtigen Ort zur richtigen Zeit einzusetzen. Dabei spielen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eine immer grössere Rolle. Gerade in einem global tätigen Unternehmen sei das ein Spagat: «Vom Uhrmacher über den Reisetaschen-Designer bis hin zum Polymechaniker, der die Maschinen zur Sackmesser-Herstellung programmiert – sie alle haben unterschiedliche Anliegen, gehören jedoch zum selben Team», sagt Robert Heinzer, Chief Human Resources Officer des Schweizer Weltkonzerns Victorinox. «Unser wirksamstes Instrument für eine Kultur der Zusammenarbeit auf Augenhöhe sind deshalb geteilte Werte.»
Seit knapp 30 Jahren ist Heinzer bei Victorinox tätig und kann als «typischen HR-Generalisten» bezeichnet werden. Anfang der 1990er-Jahre bildete er sich zum HR-Fachmann aus und absolvierte 1999 bis 2001 die Ausbildung zum HR-Leiter. Schulungsinhalte waren unter anderem Leadership, internationale Unternehmensstrategie und Kultur im internationalen HR. «Das meiste davon ist heute noch brauchbar.» Über die Jahre hinweg besuchte Heinzer zudem zahlreiche HR-Weiterbildungen, Führungsseminare sowie Diversity- und Change Management-Kurse. Nebst der Fachbildung zählen für ihn im HR Eigenschaften wie Haltung, Anstand, Achtsamkeit und Neugierde, Kooperationsfähigkeit und Kritikfähigkeit. Daneben strategisches Denken, Umsetzungsfähigkeit, Change Management und eine digitale Affinität.
Die vierte industrielle Revolution
Gerade Letztere gewinne an Bedeutung, sagt Christoph Jordi. «HR muss gegenüber Digitalisierungsthemen und deren konzeptionellen Integration in der HR-Arbeit grundsätzlich offen sein.» Repetitive HR-Arbeiten würden früher oder später automatisiert. «Software, künstliche Intelligenz und soziale Netzwerke übernehmen viele herkömmliche HR-Arbeiten.»
Diese Erkenntnisse sind nicht neu: Verschiedene Studien belegen den wachsenden Bedarf an digitaler Kompetenz in den HR-Abteilungen. Etwa eine Studie von PwC und der Universität St. Gallen, wonach vor allem Big Data, People Analytics sowie Transformations- und Change Management-Skills im HR gefördert und ausgebaut werden müssen.² Ähnliche Ergebnisse lieferte eine FHNW-Studie, bei der HR-Fachleute bekräftigten, dass Change- und Digitalisierungskompetenzen in den nächsten Jahren prioritär seien.³ Eine weitere Studie von F.A.Z. Business Media 2020 untersuchte die Rolle des HR bei der digitalen Transformation und kam zu einem ähnlichen Schluss: HR muss eine Gestalterrolle einnehmen. Als Vermittler zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften müsse es dafür sorgen, dass diese sich digitale Kompetenzen erwerben. Ausserdem solle HR sich selbst digitalisieren und neue Kompetenzen und Fähigkeiten erwerben.⁴
Veränderungen bedingen eine hohe Anpassungsfähigkeit des HR und der Mitarbeitenden. «Resilienz ist ein grosses Thema», sagt Victorinox-Personalchef Robert Heinzer. «HR muss mit Unsicherheit, Unberechenbarkeit, Komplexität und Mehrdeutigkeit umzugehen wissen. Nur wenn HR klar kommuniziert, schafft es bei sich unsicher fühlenden Mitarbeitenden Verständnis für eine Unternehmensvision, an der sich alle orientieren.»
Neues Rollenverständnis
Es gäbe auch Aufgaben, die für immer im HR verblieben, ergänzt Christoph Jordi. Etwa die Organisationsentwicklung und die HR-Kommunikation. «Ob man diese Aufgabenbündelung dann noch HR nennt, ist aber eine andere Frage.» So habe jedes Unternehmen andere Rollen, um Mitarbeiterkompetenzen zu bewirtschaften oder die Leistungsfähigkeit der Organisation zu optimieren, sagt Jordi. «Das beinhaltet beispielsweise die mentale und körperliche Gesundheit der Mitarbeitenden sowie die Entwicklung der Unternehmenskultur und den Aufbau von Talent-Netzwerken.»a
Quellen:
- ¹ HR Today Blog, Raphael Ineichen, «Warum sich HR aus dem Recruiting zurückziehen sollte», Januar 2021.
- ² PwC & Universität St. Gallen, «People-Management 2025», Mai 2019.
- ³ FHNW & HR Today, «HR-Kompetenzen für die Zukunft», Oktober 2019.
- ⁴ F.A.Z. Business Media & Cornerstone OnDemand, «HR in der digitalen Arbeitswelt», Dezember 2020.