HR Tech Club

HR Tech: Quo vadis

Wie und in welche Richtung wird sich HR Tech in den nächsten Jahren entwickeln? Eine systemische Analyse von HR Tech Club-Initiator Cornel Müller.

Um die HR-Tech-Entwicklung ganzheitlich zu verstehen und eine Quo-vadis-Aussage zu wagen, ist eine systematische Herangehensweise unabdingbar. Das nachfolgende Resultat basiert auf der Metaanalyse von themenrelevanten Studien, sozialen Medien, Veranstaltungen, M&A-Aktivitäten und der Start-up-Szene – national und international. Reduziert ergeben sich drei Entwicklungslinien:

  1. Datafizierung von Arbeit und Arbeitnehmenden
  2. Von HR Tech zu Work Tech
  3. New Work

Datafizierung von Arbeit und Arbeitnehmenden: Der «neue Rohstoff» Daten

Immer mehr Daten von Arbeitnehmenden und ihrer Arbeit sind die Grundlagen für das Gros der HR-Tech-Innovationen rund um KI, Machine Learning & Co. Im Sport ist die konsequente Datafizierung bereits gang und gäbe. Man kann es erschreckend oder faszinierend finden, aber wie der FC Liverpool zum Champions-League-Titel kam (bit.ly/Case_Liverpool), ist ein Benchmark, der zeigt, was hinter dem vermeintlich ­banalen Wort «Datafizierung» steckt. Abgeleitet für HR ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese oder ähnliche HR-Tech-Lösungen marktreif sind:

  • Rekrutierung: Predictive Recruiting zeigt, weshalb der ­Bewerbende XY für die Rolle Soundso im Team 3 ideal passt.
  • Sourcing: Für die Direktansprache von geeigneten Kandidaten gibt ein smartes Assistenzsystem Hinweise, welche Botschaften bei welchen Kandidaten eine Wirkung zeigen.
  • Learning: Das Expertensystem liefert überzeugende Empfehlungen, welche Microlearning-Inhalte jemand bis wann ­beherrschen sollte.
  • Gesundheit: Die App am Handgelenk wird Arbeitnehmende bei «ungesundem» Stress darauf hinweisen, was zu tun ist.

Von HR Tech zu Work Tech: Die Technologisierung der Arbeit

HR Tech hat sich aus dem jungfräulichen Nischendasein zum Milliarden-Work-Tech-Business entwickelt. Die Investitionen und/oder Übernahmen von HR-/Work-Tech-Start-ups durch die ganz Grossen beweisen diese Entwicklung. Microsoft, IBM, Google, Amazon, Oracle, Salesforce, Facebook und andere mischen neu in der Work-Tech-Welt mit. Sie alle haben erkannt, dass man mit diesen Anwendungen die Arbeit wie auch die Arbeitnehmenden optimieren kann. Das Geschäftsmodell der Zukunft besteht entweder darin,

a) mit smarter Technologie die menschliche Arbeitskraft zu ersetzen (Datafizierung der Arbeit) oder
b) die unersetzlichen Arbeitskräfte optimal zu managen ­(Datafizierung der Arbeitnehmenden).

Bedenkt man, dass in etlichen Unternehmen 80 Prozent der Kosten Personalaufwände sind, zeigen sich die ökonomischen Beweggründe schnell. Mit oder wegen des Markteintritts der grossen Player wird HR (Tech) für KMU zunehmend unnötig und Work Tech plötzlich erschwinglich. Die Technikfolgen hoch entwickelter Work-Tech-Lösungen werden einschneidend sein. Die Analogie zur Automobiltechnik demonstriert das einleuchtend: Vor etwa 100 Jahren hatte das Auto die Kutsche ersetzt. Das Pferd hatte damit ausgedient, Kutscher wurden zu Fahrern. In den nächsten Jahren werden wir eine ähnlich gravierende Entwicklung mit dem führerlosen Fahrzeug erleben. Der grosse Unterschied besteht allerdings darin, dass der Mensch dabei «kannibalisiert» wird und nicht das Objekt. Die menschliche Intelligenz wird sukzessive durch die künstliche ersetzt. Menschen werden sich neu orientieren müssen. Auf die Anpassungswilligen wartet bessere Arbeit. Studien zeigen, dass trotz vermeintlich humanfeindlicher Entwicklungen viele neue Jobs entstehen werden.

New Work: Wie wir künftig arbeiten werden

Der weit konnotierte Begriff «New Work» umschreibt vor allem die Art und Weise, wie wir künftig arbeiten werden:

  1. Festanstellung wird nur noch für wenige der Königsweg bleiben. Portfolio-Arbeit wird das neue Normal und verdrängt die Wiege-bis-zur-Bahre- respektive 9-to-5-Modelle.
  2. Homeoffice, Remote Working und Ähnliches ist da, um zu bleiben. Lernen Unternehmen besser damit umzugehen, werden sie auch vermehrt auf Plattform-Jobs zurückgreifen. Also Arbeiten, die von irgendwelchen Menschen auf dieser Welt schnell und günstig erbracht werden.
  3. New Learning, Microlearning oder «Re-/Upskilling in kleinen Häppchen» werden uns alle beschäftigen. Früher bestimmte der IQ, später der EQ unsere Karrierechancen. In Zukunft wird der AQ (Adaptabilitätsquotient) diese Rolle einnehmen.
  4. Bis heute nutzen wir Maschinen situativ und verstehen sie als Mittel zum Zweck. Bald werden wir uns jedoch im «Maschine-Mensch-Komplementär»-Zeitalter wiederfinden, wo Daten- beziehungsweise wissensbasierte Entscheidungen vermehrt von smarten Maschinen getroffen werden. Wir Menschen haben dadurch Zeit für kreative, zwischenmenschliche und strategische Aufgaben.
  5. Die gleichzeitige Zunahme des Fachkräftemangels und der Arbeitslosigkeit wird uns im Recruiting wie auch gesellschaftlich herausfordern.
  6. «Skills are the new currency»: Aufgaben respektive Skills rücken in den Vordergrund. Stellenanzeigen und CVs werden langsam, aber sicher in Richtung Skill-Profile mutieren und Jobbörsen durch Skill- oder Aufgaben-Plattformen ersetzt.
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Cornel Müller ist HR Tech Unternehmer (HR Tech Holding AG, x28 AG, jobchannel ag, People-Analytix AG) und seit 1993 mit viel Herzblut im HR-Markt aktiv.

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