HR Tech: Status quo
Technik um der Technik willen zu implementieren, erweist sich auch im HR als wenig zielführend, denn nicht jedes Produkt hält, was es verspricht. Worauf es ankommt.
HR Tech Club – meet the future. (Bild: HR Today)
Das Thema HR Tech lässt sich zumindest punkto Wahrnehmung mit Donald Trump vergleichen: Die Öffentlichkeit nimmt HR Tech wörtlich, aber nicht ernst. HR-Fachleute hingegen nehmen das Thema sehr ernst, aber nicht wörtlich. Letzteres liegt daran, dass oft nicht drin ist, was draufsteht. So gehen HR-Tech-Anbieter oft sehr grosszügig mit schwergewichtigen Technologien wie KI (Künstliche Intelligenz; AI resp. Artificial Intelligence), Machine Learning oder Deep Learning um. Es verkauft sich halt gut – bei Kunden, in der Fachpresse und bei Investoren. Viele HR-Tech-Lösungen sind noch ein ordentliches Stück weit weg von künstlicher Intelligenz und eher in der Kategorie «Datenverarbeitung» zu finden. Eine kurze Standortbestimmung, weshalb das so ist, lohnt sich, denn grosse Unternehmen wie auch KMU haben es schwer, sich im unübersichtlichen HR-Tech-Angebot zurechtzufinden.
HR Tech dient zu oft (nur) der Prozessoptimierung
Wer Technologie als Mittel zum Zweck versteht, definiert (hoffentlich) im Anforderungskatalog, ob diese die Effizienz oder Effektivität verbessern soll. Während es bei der Effizienz darum geht, die Dinge richtig zu tun, das heisst diese schneller, kostengünstiger oder einfacher zu erledigen, sollen bei der Effektivität die richtigen Dinge getan werden. Richtig ist – vereinfacht formuliert – das, was die Kunden gut finden oder im Fachjargon «humanzentrierte Digitalisierung». Im HR wurde in den vergangenen Jahren jedoch zu stark, wenn nicht ausschliesslich auf Effizienz gesetzt.
Technologie macht Automatisierung möglich, um Mitarbeitende einzusparen oder sie für anspruchsvollere Jobs verfügbar zu machen. Die Frage, ob mit der Automatisierung aber auch die richtigen Dinge getan werden, muss leider oft negativ beantwortet werden. Ein Beispiel hierfür sind Bewerbermanagementsysteme: Statt Bewerbende als Menschen und oft auch potenzielle Kunden zu behandeln, werden sie der Prozessvereinfachung wegen abgefertigt wie Ware, die man will oder nicht. Doch können sich Unternehmen dies weiterhin erlauben?
Nehmen wir an, Unternehmen A erhält pro Jahr 50'000 Bewerbungen. Nehmen wir ferner an, dass dieses Unternehmen nur gerade 1000 Menschen einstellt und 49'000 über ein typisches Bewerbermangementsystem «loswird». Nehmen wir weiter an, dass fünf Prozent der Bewerbenden diese Art des Umgangs persönlich nehmen und deshalb nicht mehr beim Unternehmen kaufen. Nehmen wir zudem an, dass der Umsatz dieses Unternehmens pro Kunde bei durchschnittlich 300 Franken liegt. Wir kommen so auf einen Umsatzverlust von 735'000 Franken. Spätestens nach dieser Milchbüchleinrechnung drängt sich der Vergleich auf, ob der eingesparte Aufwand eine solche Einbusse rechtfertigt.
Wenn HR Tech zum Risiko wird
Wer heute HR Tech zur Vereinfachung der Prozesse einsetzt, ist im letzten Jahrtausend steckengeblieben. Im Jahr 2020 kann HR Tech dagegen viel Gutes tun, weil HR Tech intelligenter geworden ist und auf eine riesige Datenmenge zugreifen kann. Intelligente Software unterstützt Unternehmen vor allem darin, die richtigen Dinge zu tun. Pionierunternehmen haben beispielsweise verstanden, dass es anachronistisch, wenn nicht sogar riskant ist, CV-Daten von Bewerbenden einzufordern, abzuspeichern und als wohlgemeinten Talentpool zu bewirtschaften. Im Lebenslauf stehen sehr viele personenbezogene Daten, die a) aus Datenschutz-Perspektive heikel sind und b) wenig über die Eignung des Menschen aussagen. Zudem altern diese Daten. Dann grassieren im hauseigenen Talentpool nicht mehr korrekte, überflüssige und heikle Daten!
Wesentlich effektiver und vor allem weniger heikel wäre es, die Eignungen und Neigungen der Menschen mit den aktuellen und zukünftigen Anforderungen zu matchen. Hier lässt HR Tech grüssen, indem Skills und Karriereziele smart und spielerisch ohne Angabe von heiklen Daten erfasst und gespeichert werden.
Was HR Tech bereits heute gut kann
Spätestens wenn der Preis zu einem wichtigen Vergleichsparameter wird, wird vielen HR-Fachleuten bewusst, dass der Markt mit Angeboten gesättigt ist. Dies betrifft vor allem folgende HR-Themen:
- Rekrutierung
- Selektion
- Onboarding
- Performance Management
- Learning & Development
- Interne Kommunikation
- HR-Administration
- Compensation & Benefits
- HR Controlling
In diesen Bereichen gibt es unzählige und leistungsstarke Anbieter. Auch wenn ihr Innovationsgrad manchmal zu wünschen übrig lässt, decken sie dennoch eine Nachfrage ab, die nicht unbedingt Innovation benötigt. Was sind nun aber Themen, welche künstliche Intelligenz erfordern und die Aufmerksamkeit der Early Adopter, Investoren und der Fachpresse auf sicher haben?
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe mehr zum Thema HR Tech: Quo vadis.