Forschung

Job-Dekonstruktion als Zukunftsmodell

Feste Jobprofile weichen flexiblen Rollen, bei denen Aufgaben nach Fähigkeiten vergeben werden. Unternehmen wie Zappos oder Unilever setzen bereits auf dieses Modell. Doch wie lässt sich der Wandel erfolgreich gestalten?

In einer sich schnell verändernden Arbeitswelt gewinnt das Konzept der Job-Dekonstruktion an Bedeutung. Dabei werden traditionelle Stellenprofile aufgelöst und Mitarbeitende anhand ihrer Fähigkeiten flexibel Aufgaben und Projekten zugewiesen. Technologische Innovationen, die Globalisierung und der demografische Wandel begünstigten diese Entwicklung.

Philip Rogiers von der Universität Ramon Llull und David G. Collings vom Trinity College in Dublin haben in ihrer Studie verschiedene Modelle der Job-Dekonstruktion erforscht. Sie kommen zur Erkenntnis, dass die Umsetzung auf einem Spektrum erfolgt:

  • Es gibt radikale Modelle (zum Beispiel Zappos), die traditionelle Jobtitel und Hierarchien durch temporäre, flexible Rollen ersetzen, die sich je nach Bedarf verändern.
  • Die hybriden Modelle (zum Beispiel Unilevers «U-Work») kombinieren projektbasiertes Arbeiten mit den Vorteilen einer festen Stelle. Die Mitarbeitenden haben keine stabile Rolle und arbeiten an wechselnden Aufträgen. Dennoch haben sie die Sicherheit einer Festanstellung.
  • Ergänzende Modelle (zum Beispiel DBS Bank) bieten interne Mobilitätsprogramme an, die klassischen Jobrollen bleiben aber bestehen.

Vorteile und Herausforderungen

Als Vorteile der Job-Dekonstruktion erwähnen die Forschenden die erhöhte Flexibilität, die bessere Einsatzmöglichkeit von Talenten und die höhere Innovationskraft durch wechselnde, interdisziplinäre Teams. Auch können sich die Mitarbeitenden flexibel weiterentwickeln, ohne dass sie das Unternehmen verlassen müssen.

Trotz der Vorteile birgt die Job-Dekonstruktion Herausforderungen: Während Mitarbeitende mehr Entscheidungsfreiheit erhalten, können Managerinnen und Manager den Verlust von Kontrolle fürchten und Talente «blockieren». Weiter laufen Mitarbeitende, die ständig zwischen Projekten wechseln, Gefahr, sich weniger verbunden zu fühlen. Zudem fühlen sich nicht alle Angestellten in einem dynamischen Arbeitsumfeld wohl; einige suchen Sicherheit in traditionellen Strukturen.

Management sensibilisieren

Um die Vorteile der Job-Dekonstruktion zu nutzen und Widerstände zu minimieren, sollten Unternehmen das Management sensibilisieren: Führungskräfte müssen lernen, flexible Karrieren zu unterstützen und Kontrolle abzugeben. Job-Dekonstruktion sollte nicht zu Isolation führen: Firmeninterne Netzwerke können dabei helfen, Zugehörigkeit zu schaffen. Zudem ist eine sanfte, schrittweise Einführung mit klaren Rahmenbedingungen hilfreich, um Unsicherheiten abzubauen. Es lohnt sich zu Beginn auch, Anreize zu setzen, sodass die Teilnahme an projektbasierten Aufgaben nicht nur freiwillig ist, sondern auch belohnt und anerkannt wird.

Die Job-Dekonstruktion ermöglicht eine agile, anpassungsfähige Belegschaft und wird daher für viele Unternehmen immer wichtiger. Um erfolgreich zu sein, ist es jedoch wichtig, dass Unternehmen das richtige Modell (radikal, hybrid oder ergänzend) für sich wählen und dabei auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigen.

Quelle: Rogiers, P., und Collings, D. G. (2025). How Deconstructing Jobs Can Change Your Organization, Harvard Business Review online.

 

Neues aus der Forschung 

Die Studie «Navigating the Talent Retention Puzzle: The Role of Workgroup Identification and On-the-Job Embeddedness» von Anna Sender und Marion Eberly, veröffentlicht im Journal of Human Resource Management, zeigt, dass Talentmanagement-Programme unerwartete Effekte haben können. Über zwei Jahre hinweg wurden 352 Mitarbeitende eines Maschinenbauunternehmens in China untersucht, darunter 45 kürzlich als Talente identifizierte Mitarbeitende. Die Ergebnisse zeigten, dass Talente eine geringere Identifikation mit ihrer Arbeitsgruppe hatten als Nichttalente, was jedoch nicht zu einer höheren Fluktuationsabsicht führte. Entscheidend war die Bindung an den Arbeitsplatz: Talente mit geringer Einbindung zeigten eine höhere Fluktuationsabsicht, während hoch eingebundene Talente keinen Unterschied zu Nichttalenten zeigten. Die Studie zeigt, dass eine starke Arbeitsplatzbindung negative Auswirkungen von Talentmanagement-Programmen abmildern kann. (zur Studie)

 

Marina Pletscher untersucht in ihrer Publikation «When Humour Works: Impact of Humour Style Similarity on Supervisor-Subordinate Relationship», wie Humor am Arbeitsplatz und die Ähnlichkeit der Humorstile zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden die Beziehung beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass Humor als Managementinstrument genutzt werden kann, um Bindungen zu stärken und das Wohlbefinden zu fördern. Dabei wirken sich insbesondere ähnliche affiliative und selbstaufwertende Humorstile positiv aus, während aggressiver Humor das Verhältnis verschlechtert. Vorgesetzte sollten situativ angepassten, nichtaggressiven Humor fördern, um arbeitsbedingten Stress zu verringern. Ähnlichkeiten im Humorstil verstärken diese Wirkung. Humorstile sind Verhaltensmuster, keine Persönlichkeitsmerkmale, und können daher gezielt verändert werden, um das Teamklima zu verbessern. (zur Studie)

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Anja Feierabend

Anja Feierabend ist Dozentin und Senior Research Associate am Center für Human Resource Management der Universität Luzern sowie Co-Founder und Managing Partner des Unternehmens HR ConScience.

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Anna Sender

Dr. Anna Sender ist Dozentin und Forscherin an der Hochschule Luzern und Universität Luzern. Sie leitet das Projekt «Talent Recipe», das sich mit der Talent-Identifikation und -Kommunikation befasst. Sie ist zudem Vorstandsmitglied der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP).

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