Konkurrenzdruck: Innovationsbremse oder Innovationsmotor?
Der Temporärmarkt ist trotz hohem Konkurrenzdruck bis heute nicht umgekrempelt worden. Mit einer Umfrage hat swissstaffing das Zusammenspiel zwischen Konkurrenz und Innovation für die Personaldienstleister in der Schweiz untersucht.
Wie wirkt sich Konkurrenzdruck auf die Innovationsfähigkeit auf dem Temporärmarkt aus? (Bild: 123RF)
Die Digitalisierung und der Wettbewerbsdruck hinterlassen weltweit Spuren in der Unternehmenslandschaft. Die Temporärbranche bildet dabei keine Ausnahme. Bei starker Konkurrenz und schmalen Margen ist es für Personaldienstleister keine einfache Aufgabe, Innovation und kompetitive Preise miteinander zu vereinbaren. Weniger Wettbewerb, mehr Innovation?
Die Rechnung lässt sich auch umgekehrt machen. Wettbewerb könnte ein Auslöser für einen steten Erneuerungsprozess sein. Eine neue Studie des Branchenverbands swissstaffing belegt: Wettbewerb hält die Temporärbranche in Sachen Digitalisierung fit.
Anreiz zur Innovation
Mit einer Umfrage hat swissstaffing das Zusammenspiel zwischen Konkurrenz und Innovation der Personaldienstleister in der Schweiz untersucht und für die Erhebung 129 der 385 Mitgliedsunternehmen nach ihrem Digitalisierungsstand und ihrer Wettbewerbssituation befragt. Eine zentrale Frage, um die Innovationskraft eines Unternehmens zu messen: Hat ein Personaldienstleister in den letzten fünf Jahren ein Digitalisierungsprojekt durchgeführt?
Mit Abstand am innovativsten verhielten sich Geschäftsführende, welche die Konkurrenz am Markt als stark beschrieben. In dieser Gruppe gaben 84 Prozent an, ein Digitalisierungsprojekt durchgeführt zu haben. Bei sehr starkem Marktdruck fiel die Projektrate auf 54 Prozent zurück.
Noch geringer war die Innovationstätigkeit bei Unternehmen mit moderatem Wettbewerbsdruck. Nur 48 Prozent der Unternehmen haben in den letzten fünf Jahren ein Digitalisierungsprojekt angestossen. Die Temporärbranche folgt damit in Sachen Innovation einem Muster, das eine Forschergruppe um den Harvard-Ökonom Philippe Aghion im Jahr 2005 erstmals nachgewiesen hat. Wettbewerb ist grundsätzlich gut, um Unternehmen fit und innovativ zu halten. Wird der Konkurrenzdruck jedoch zu stark, fehlen oft die finanziellen Mittel und die notwendige Zeit, um Innovationsprojekte anzustossen. Ist der Marktdruck hingegen zu gering, fehlt der Anreiz, zu innovieren.
Digitalisierungsstand: abhängig vom Marktdruck?
Der digitale Wandel in der Welt des Personalwesens ist jedoch komplexer. In vielen Bereichen ist Digitalisierung weniger eine Frage von Projekten und Investitionen, sondern eine Frage der Geisteshaltung. Dank Social Media und spezialisierten Softwarelösungsanbietern stehen den Unternehmen die Möglichkeiten der digitalen Welt gratis zur Verfügung, sind automatisch in regelmässigen Updates integriert oder können à la carte eingekauft werden. Je mehr sie dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, umso mehr sollten Personaldienstleister diese Chancen nutzen, um im Kampf um Kunden und Kandidaten zu bestehen. Die statistische Auswertung des swissstaffing Datensatzes bestätigt dies.
Mit Machine-Learning-Methoden wurden aus einer Vielzahl von Fragen zum Digitalisierungsstand und zum Nutzungsverhalten digitaler Angebote zwei Indikatoren entwickelt. Einer misst, wie affin Unternehmen gegenüber den neuen Medien sind, der andere, wie stark Unternehmensprozesse digitalisiert sind. Abbildung 2 zeigt den Anteil der technologieaffinen Unternehmen in Abhängigkeit vom Wettbewerbsgrad. Wie erwartet, steigt dieser Anteil kontinuierlich mit der Wettbewerbsintensität an.
Umkrempelung des Temporärmarkts
In Anbetracht des hohen Konkurrenzdrucks bleibt die Frage, warum noch kein Unternehmen den Temporärmarkt umgekrempelt hat – wie Uber das Taxiwesen oder Airbnb die Hotelbranche. Erstens sind bei Personalentscheidungen das Vertrauen und der perfekte Match mit dem späteren Team zentral. Beides kann der Mensch (noch) besser als die Maschine. Zweitens ist der Wettbewerb in der Temporärbranche gross. Immerhin kämpfen 800 Temporärunternehmen um einen Anteil am 8-Milliarden-Markt – -82 Prozent davon mit einem Umsatz von weniger als 20 Millionen Franken.
Dennoch könnte der Wettbewerb noch stärker spielen. Der Personalverleih aus dem Ausland ist beispielsweise ohne Niederlassung in der Schweiz verboten. Ohne Gründung einer Niederlassung kann somit kein Wettbewerber auf dem hiesigen Markt aktiv werden. Noch stärker wirken dürfte die starke, länderabhängige Regulierung der Arbeitsmärkte. Anbieter von digitalen Personaldienstleistungen haben es deshalb schwer, ihre Geschäftsmodelle von einem Land auf das andere zu übertragen.
Dies schreckt Start-ups und digitale Grosskonzerne von Markteintritten ab. Der klassische Temporärmarkt dürfte deshalb noch lange in seiner heutigen Form bestehen bleiben. Das schliesst Wachstumsmusik um neue Dienstleistungen rund um das Management des flexiblen Arbeitsbedarfs nicht aus. Die «Gig-Economy», Plattformarbeit, HR-Consulting, aber auch MSP und RPO sind zentrale Stichworte, die die Zukunft der Arbeit prägen werden.
Ein wichtiger Motor
Diese Überlegungen zeigen: So sehr die Konkurrenz in der Praxis als limitierender Faktor im Neuerungsprozess erscheinen mag, ist sie doch häufiger ein Innovationsmotor als eine Innovationsbremse.
In der Tat kann ein zu starker Marktdruck aber dazu führen, dass Temporärunternehmen nicht zu Innovatoren werden und neue digitale Dienstleistungen entwickeln. Sofern Drittanbieter Neuerungen aus der zweiten Reihe einführen, sorgt jedoch der Wettbewerb für eine rasche Verbreitung der neuen Technologie und hält die Branche am Puls der Zeit.
Für die HR-Welt ist dies von Bedeutung, da unternehmensinterne Personalabteilungen weniger offensichtlich unter Wettbewerbsdruck stehen. Die Zusammenarbeit mit Personaldienstleis-tern ist daher eine wertvolle Ergänzung, um bei der Rekrutierung und beim flexiblen Personalbedarfsmanagement auf dem neusten Stand der Entwicklung zu sein. Deshalb dürften dynamische und innovative Dienstleisternetzwerke das Personalwesen in den kommenden Jahren prägen.
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Die Grafik zeigt in Abhängigkeit von der Wettbewerbsintensität, der ein Unternehmen ausgesetzt ist, wie häufig innerhalb der letzten fünf Jahre ein Digitalisierungsprojekt durchgeführt worden ist. Die Wettbewerbsintensität wird auf einer Skala von 1 bis 5 gemessen. Ein Skalenwert von 5 zeigt einen sehr starken Wettbewerb an, ein Skalenwert von 4 einen starken Wettbewerb und bei einem Wert unter 3 wird von einem moderaten Wettbewerb gesprochen. (Quelle: gfs-zürich, swissstaffing, 2018) Klicken Sie auf die Grafik, um diese zu vergrössern.
Die Abbildung zeigt in Abhängigkeit von der Wettbewerbsintensität, wieviel Prozent der Geschäftsführenden für interne Prozesse und die Unternehmenskommunikation digital affin sind. Beim angegebenen Mass handelt es sich um ein relatives Mass. Mit Hilfe einer Hauptkomponentenanalyse wurde jeweils eine Digitalisierungskomponente bestimmt, bei der 50 Prozent der Geschäftsführenden mit den höchsten Werten als digital affin betrachtet werden. (Quelle: gfs-zürich, swissstaffing, 2018)