Kooperative Kommunikation: Auf dem Fussballfeld des Dialogs
Kommunikation dient dem Austausch von Informationen, doch im beruflichen Umfeld scheitert das oft an Missverständnissen – ähnlich wie ein Fussballspiel, in dem die Pässe nicht ankommen. Kooperative Kommunikation schafft ein gemeinsames Spielfeld, auf dem dieser Austausch gelingt. Wer die Regeln des Dialogs beherrscht, erzielt gemeinsame Siege, ob im Team oder in Führungsrollen.
Vergangene Woche zeigte die Schweizer Nationalmannschaft im Spiel gegen Italien an der EM in Berlin, was gute Kommunikation auf dem Spielfeld wirklich bedeutet. (Bild: Nadine Nussbaumer)
Unsere Kommunikation ist der beste Indikator dafür, wie kooperationsbereit und kooperationsfähig wir sind. Tatsächlich gibt es nur sehr wenige Menschen, die kontinuierlich im kooperativen Kommunikationsmodus sind. Der Psychologe Robert Bacal mutmasst, dass dies mit dem Entwicklungsstadium zusammenhängt, in dem wir unsere Sprache erlernen². Babys und Kleinkinder entdecken sich zu dieser Zeit gerade als eigenständiges Wesen und beginnen sich abzugrenzen. Wir lernen die Sprache also in einer Zeit, in der wir sehr selbstzentriert sind. Die ersten Kommunikationsversuche konzentrieren sich deshalb darauf, auszudrücken, was wir wollen und was wir nicht wollen. «Nein!» ist ein Wort, das Eltern in dieser Zeit oft hören.
Sind Sie noch im Dialog?
Auf der Basis dieses Kommunikationsverhaltens lernen wir erst später, dass Zusammenleben andere Kommunikationsformen erfordert. Auch wenn wir manchmal den Eindruck gewinnen, manche hätten es nie gelernt, ist das bei den meisten Menschen schon der Fall. Jedoch scheitern auch sie früher oder später, wenn Stress und Druck ins Spiel kommen. Nur wenige Menschen haben ihre kooperativen Kommunikationsfähigkeiten so gut gelernt und geübt, dass sie wirklich in Fleisch und Blut übergegangen sind und dem Stresstest standhalten. Für all diejenigen, die ihren kooperativen Kommunikationsstil weiter ausbauen und auch unter Druck länger beibehalten möchten, schlagen die Autoren des WirtschaftsWoche-Sachbuches «Heikle Gespräche. Worauf es ankommt, wenn viel auf dem Spiel steht»¹ eine wesentliche Reflexionsfrage vor: «Bin ich noch im Dialog?» Befinden wir uns also – gemeinsam mit unserem Gesprächspartner – noch im Dialogfeld?
Was das Dialogfeld mit Fussball zu tun hat
Stellen wir uns dieses Dialogfeld doch einfach einmal bildlich vor: zum Beispiel als Fussballfeld. Die auszutauschenden Informationen oder Gedanken sind die Spieler. Wie sieht es auf dem Spielfeld aus? Sind die Spielhälften gleich gross, sind ungefähr gleich viele Spieler beider Mannschaften auf dem Feld und gestalten sie das Spiel gemeinsam? Oder geht eine Mannschaft selbstverständlich davon aus, dass ihr der grössere Teil des Spielfeldes gehört? Versuchen die Spieler einer oder beider Mannschaften mit Gewalt den ganzen Raum für sich einzunehmen und die anderen Spieler vom Feld zu schubsen? Oder weigert sich eine Partei sogar, ihre Spieler aufs Feld zu schicken? Während das Bild des Fussballfelds gut geeignet ist, um das Dialogfeld zu visualisieren, ist das Ziel der kooperativen Kommunikation natürlich ein anderes als beim Fussball. Hier geht es nicht darum auszufechten, wer der Gewinner und wer der Verlierer ist. Das Ziel ist, eine gute Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird.
«Sowohl als auch» statt «entweder oder»
Die Grundlage dafür ist die co-zentrierte Haltung. Das heisst, in «sowohl als auch» zu denken, statt in «entweder oder». In der Kommunikation bedeutet das, den eigenen Standpunkt, die eigenen Ideen und Informationen gleichberechtigt neben denen des anderen gelten zu lassen. Auf dieser Basis kann eine Lösung entwickelt werden, die beiden gerecht wird oder auf Basis der unterschiedlichen Ideen eine ganz neue Herangehensweise zulässt. Insbesondere in Situationen, in denen sich Standpunkte widersprechen oder gegenseitig ausschliessen, mag das zuweilen unmöglich erscheinen.
Der kreative Lösungsraum
«Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.» Folgen wir dem Zitat von Albert Einstein, müssen wir Informationen einer anderen Qualität ins Dialogfeld einspeisen, das heisst, neben den Stürmern auch das Mittelfeld, die Verteidiger und den Torhüter aufs Feld schicken. Warum ist mir dieser Standpunkt so wichtig? Welches Bedürfnis steht dahinter? Was will ich auf keinen Fall erleben? Oft haben wir uns selbst darüber noch keine Gedanken gemacht, sondern bewegen uns einmal mehr auf dem Kleinkindniveau von «Das will ich eben!». Umso wichtiger ist es, die oben genannten Fragen zu beantworten. Für uns selbst idealerweise, bevor wir in ein Gespräch gehen. Vom anderen erhalten wir auf unterschiedliche Weise Antworten, indem wir nachfragen und dann interessiert zuhören, was er uns sagt. Je mehr relevante Informationen im Spiel sind, umso mehr verwandelt sich das Dialogfeld in einen kreativen Lösungsraum. Plötzlich gibt es neue Aspekte, wie eine für beide Seiten verträgliche Lösung gefunden werden kann oder es entstehen neue Ideen, die einen Innovationssprung ermöglichen.
Drei Schritte für ein kooperatives Gespräch
Woran erkennen wir, dass wir nicht mehr im Dialog sind? Das erste einfache Indiz ist die Beantwortung der Frage: «Wer redet wie viel?» Kooperativ zu kommunizieren, heisst eine 50/50-Verteilung der Redebeiträge anzustreben. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich, wenn wir auf die Was-Ebene schauen. Was wird gesagt? Passen die Informationen zum Thema? Sind die Aussagen lösungsorientiert? Wird mit Totschlag-Argumenten gearbeitet, wird ultimater Druck aufgebaut oder werden nur sehr wenige oder vage Aussagen getroffen, die Dinge bagatellisiert? Nachdem der Grossteil der Information nonverbal fliesst, ist es mindestens genauso wichtig, die Wie-Ebene im Blick zu behalten. Wird der Ton schärfer, der Blick stechender, entsteht körperliche Anspannung oder wird leiser, stockender gesprochen, der Blick abgewendet, auf mehr Abstand gegangen? Es ist nicht immer leicht, beide Ebenen im Blick zu halten. Menschen, denen das gelingt, merken aber sehr schnell, wenn eine Partei versucht zu dominieren oder zu flüchten.
Folgende drei Schritte führen uns zurück in ein kooperatives Gespräch:
Schritt 1: Das eigene Gesprächsverhalten überprüfen
Bin ich noch im Dialog? Versuche ich gerade, meine Meinung mit Macht in den Dialograum zu drücken oder ziehe ich mich zurück und vermeide es, meine Meinung, meine Informationen einzubringen? Wenn wir uns im «Gewinner-Modus» wahrnehmen, stellen wir gerade unser Anliegen über das Anliegen unseres Gesprächspartners. Wir versuchen, ihn vom Feld zu drücken. Jetzt gilt es, sich zu entspannen, den Druck herauszunehmen und deutliches Interesse an dem Beitrag des Anderen zu signalisieren. Finden wir uns abseits des Spielfeldes wieder, stellen wir das Anliegen unseres Gesprächspartners gerade über unser eigenes. Jetzt ist der Moment, Energie aufzubauen, indem wir uns ins Bewusstsein rufen, was uns wirklich wichtig ist, und das als Ich-Botschaft klar zu formulieren.
Schritt 2: Das Gesprächsverhalten des Gegenübers betrachten
Ist unser Gesprächspartner im «Gewinner-Modus»? Indem wir zeigen, dass wir seine Argumente gehört haben, verliert er den Druck, sich Gehör verschaffen zu müssen. Am besten funktioniert das mit einer kurzen Zusammenfassung dessen, was wir wie verstanden haben. Hat unser Gesprächspartner das Spielfeld verlassen? Dann helfen offene und interessierte Fragen, mit denen wir signalisieren, dass wir mehr von ihm erfahren möchten. Auch mit einer eventuellen Entschuldigung, wenn wir ihn aus dem Gespräch gedrückt haben, können wir unser Gegenüber wieder ins Dialogfeld holen.
Schritt 3: Auszeit auf der Meta-Ebene
Bringen die Schritte 1 und 2 keinen Erfolg, macht es meist keinen Sinn mehr, weiter über das Thema zu sprechen. Das heisst nicht, dass man das Gespräch sofort abbrechen muss. Es bleibt immer noch die Möglichkeit, die Ebene zu wechseln. Begeben wir uns zusammen mit dem Gesprächspartner auf die Tribüne und sprechen wir darüber, wie das Gespräch gerade läuft und inwieweit das den jeweiligen Interessen entspricht. Mit «Ich habe den Eindruck, wir kommen gerade nicht weiter. Sind wir noch im Dialog?» und «Was brauchen wir, um zu einem echten Dialog (zurück) zu kommen?» wird der Wechsel auf die sogenannte Meta-Ebene sehr einfach eingeleitet.
Die 7 goldenen Regeln der kooperativen Kommunikation
Die Fähigkeit der kooperativen Kommunikation fördert durch die verbesserte Eigenwahrnehmung auch das Miteinander. Ob im Team oder als Führungsqualifikation – wer sich im Dialogfeld gekonnt bewegen kann, erzielt Siege, nicht – wie in der Analogie Fussball – gegen andere, sondern mit ihnen. Folgende sieben Regeln verhelfen zu einer kooperativen Kommunikation:
- Hören Sie achtsam und interessiert zu. Halten Sie inne und überdenken Sie kurz, was die andere Person gesagt hat – und zwar vor dem Antworten.
- Benennen Sie, worüber Sie sprechen möchten und holen Sie das Einverständnis ein: «Ich möchte gerne über ... sprechen. Wann passt es Ihnen?»
- Drücken Sie sich klar und vollständig aus. Verwenden Sie «Ich-Botschaften».
- Übersetzen Sie Beschwerden und Kritik in konkrete Bitten und erklären Sie diese. Verwenden Sie präzise und handlungsorientierte Sprache: Statt «Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit» besser «Können Sie mir bitte regelmässig Feedback zu meinen erledigten Aufgaben geben?».
- Fragen Sie offener und kreativer. Ja/Nein-Fragen beschränken die Chancen auf einen echten Dialog.
- Drücken Sie mehr Wertschätzung aus. Anerkennen Sie und nehmen Sie ehrlich wahr, was funktioniert und was gut läuft. Das gibt dem Gespräch eine positive Perspektive.
- Setzen Sie kooperative Kommunikation täglich ein. Darin besser zu werden und sie vor allem in Stresssituationen sicher durchzuhalten, braucht Zeit und Übung. Aber es lohnt sich.
Quellen
¹ Kerry Patterson, Al Switzler, Joseph Grenny, Ron McMillan: Heikle Gespräche: Worauf es ankommt, wenn viel auf dem Spiel steht. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, Linde Verlag 2012. ISBN: 9783709303801
² Robert Bacal: Conflict Prevention in the Workplace: Using Cooperative Communication, p. 93.