HR Today Nr. 5/2020: Fokus Forschung

Leistungsbeurteilungs­systeme abschaffen?

Viele KMU und grössere Unternehmen halten an formalen Leistungsbeurteilungen fest, obwohl Mitarbeitende und Vor­gesetzte damit oft unzufrieden sind und der gewünschte Erfolg ausbleibt. In einem provokativen Essay macht sich Professor Kevin Murphy von der University of Limerick für die Abschaffung des traditionellen Leistungsbeurteilungssystems stark.

Formale Leistungsbeurteilungssysteme sind zeitaufwendig und werden von vielen Mitarbeitenden und Vorgesetzten als administrative Belastung angesehen. Zudem zeigt die Forschung, dass diese keinen eindeutigen Nutzen für Unternehmen bringen. Trotzdem halten viele Unternehmen daran fest. Professor Murphy identifizierte vier Problembereiche bei Leistungsbeurteilungssystemen.

Verteilung der Leistung: Leistung zu messen und zu beurteilen, macht erst Sinn, wenn die Leistungsunterschiede einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Gemäss Murphy tragen allerdings nur ganz wenige Top-Performer überproportional zum Erfolg des Unternehmens bei, während der Leistungsunterschied zwischen den restlichen Mitarbeitenden relativ gering ausfällt und somit wenig zur Differenzierung des Unternehmenserfolgs beiträgt.

Messung der Leistung: Leistung kann nicht verlässlich und valide gemessen werden. Allzu oft hängt die Leistungsbeurteilung von der subjektiven Wahrnehmung des Beurteilenden ab. Und diese ist diversen Verzerrungen ausgesetzt, was eine adäquate Messung erschwert.

Geringer Nutzen für Mitarbeitende: Mitarbeitende beurteilen ihre eigene Leistung deutlich besser, als das Vorgesetzte oder Teammitglieder tun. Diese Verzerrung führt dazu, dass die meisten Mitarbeitenden ihre Leistungsbeurteilung als unzutreffend beziehungsweise unfair wahrnehmen und somit die Leistungsbeurteilung eher demotivierend wirkt.

Geringer Nutzen für Unternehmen: Oft wird bei der Leistungsbeurteilung nur wenig zwischen den Mitarbeitenden differenziert. Das verunmöglicht eine sinnvolle ­Bestimmung von individuellen Entwicklungsmassnahmen. Zudem fallen die mit Leistung verknüpften Lohnentscheidungen wenig differenziert aus und verpassen somit ihre motivierende Wirkung.

Aus diesen Gründen kämen Unternehmen gemäss Murphy ohne formale Leistungsbeurteilungssysteme aus. Die Lösung liege in der neuen Rolle der Vorgesetzten, die stärker auf das Coaching der Mitarbeitenden abziele. Aufgabe des Coaches sei es, aus den Unternehmenszielen klare individuelle Aufgaben und Ziele abzuleiten, diese gegenüber den Mitarbeitenden zu kommunizieren und sie dabei zu unterstützen, diese zu erreichen. Dabei sei es wichtig, dass Vorgesetzte auf die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeitenden eingehen und die individuelle Förderung ihrer Mitarbeitenden ins Zentrum stellen.

Quelle:

  • Murphy, K. R. (2020). Performance evaluation will not die, but it should. Human Resource Management Journal, 30, 13–31. doi: 10.1111/1748-8583.12259
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Dr. Alexandra Arnold ist Oberassistentin und Dozentin am Center für Human Resource Management (CEHRM) an der Universität Luzern.

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