«Mehr flexible, weniger fixe Belegschaften»
Chaos herrschte diesen Sommer am Bahnhof Mainz. Schalter blieben unbesetzt, Züge fielen aus, unzufriedene Passagiere weit und breit. Der Grund: zu wenig Personal. Mitarbeiter musste aus den Ferien zurückgeholt werden. Wie kann ein solcher GAU verhindert werden? Ein Gespräch mit Charles Donkor, Partner und Personalplanungsexperte bei PwC.
Charles Donkor, Partner, PwC
Herr Donkor, was lief schief in Mainz?
Charles Donkor: Ich kenne die Situation nicht im Detail. So wie ich es den Medien entnommen habe, hat die Deutsche Bahn vor zwei Jahren aus Kostengründen Personal abgebaut. Das führte heuer zu den Problemen in Mainz. Mit einer langfristigen Personalbedarfsplanung könnte ein solcher Fall verhindert werden. Die Personalplanung wird abgeleitet aus der Unternehmensstrategie: Die Firma muss sich überlegen, welches die zentralen Rollen beziehungsweise Stellen sind, die es für die Umsetzung der Strategie braucht. Gleichzeitig sollte sich die Firma überlegen, wie man diese Funktionsträger am besten ans Unternehmen bindet und wie lange es braucht, um zentrale Rollenträger zu ersetzen. Zur strategischen Personalplanung gehört unbedingt auch die Überlegung, welche Rollen in Zukunft wichtig werden könnten.
Wie kann man kurzfristige Personalausfälle überbrücken?
Wird kurzfristig mehr Personal benötigt, so ist das insbesondere bei Fachkräften sehr schwierig. Hilfreich ist eine Flexibilisierung der Anstellungsbedingungen; hin zu mehr flexiblen und weg von fixen Belegschaften. Unternehmen stellen statt Festangestellte vermehrt Teilzeitkräfte ein oder so genannte Contingent Workers – zum Beispiel Selbständige, die für ein bestimmtes Projekt arbeiten und für dieses angestellt werden. Eine andere Möglichkeit ist Outsourcing von gewissen Aufgaben oder Partnerschaften mit anderen Firmen.
Strategische Personalplanung
Eine strategische Personalplanung (Strategic Workforce Planning, SWP) ist ein zukunftsgerichtetes Führungsinstrument, das sicherstellt, dass die Unternehmensstrategie durch ein zielgerichtetes Personalmanagement umgesetzt wird. Sie will Transparenz innerhalb der Mitarbeiterstruktur schaffen. Dadurch werden das HR und die Geschäftsführung bei der Wahl der richtigen Handlungsoptionen unterstützt. Die Massnahmen sollen dazu beitragen, das Unternehmensziel innert drei bis fünf Jahren zu erreichen. SWP hilft, kritische Rollen und Fähigkeiten zu identifizieren und genau zu bestimmen, wo besondere Herausforderungen zu erwarten sind. SWP ist somit ein wirksames Instrument gegen den Talentengpass.
Die Grundlage strategischer Personalplanung und der darauf basierenden Personalmassnahmen besteht in einer umfassenden Gap-Analyse. Diese vergleicht die mittel- und langfristigen Personalanforderungen mit dem internen und externen Personalangebot. Anschliessend werden unterschiedliche Zukunftsszenarien entworfen.
Gelten diese Aussagen auch für KMU?
Ja, sie müssen die gleichen Überlegungen anstellen. Weil sie aber wegen der kleineren Unternehmensgrösse meist eine bessere Übersicht über ihre gesamte Belegschaft haben, können sie bei der Planung weniger stark ins Detail gehen. Arbeiten nur 20 bis 30 Leute in einem KMU, so ist – aus meiner Sicht – keine Strategie nötig. Doch gerade bei international tätigen mittelständischen Unternehmen, in denen wenig Transparenz herrscht, sehen die einzelnen Abteilungen zwar oft einen Personalengpass auf sich zukommen, doch die Chefetage bekommt das nicht mit. Darum ist auch für diese Unternehmen eine Personalbedarfsplanung nötig.
Wie langfristig sollte die Personalbedarfsplanung sein?
Realistisch ist eine Perspektive von drei bis fünf Jahren. Allerdings ist der Zeithorizont auch von der Branche abhängig. Generell sollten die Strategic Workforce Plans jährlich überarbeitet werden. Plant das Unternehmen gerade eine Übernahme oder Abspaltung einer Sparte, ist es sinnvoll, die Personalbedarfsplanung unterjährig anzupassen.
Wer ist idealerweise für die Personalbedarfsplanung zuständig?
Die Planung muss von der obersten Firmenleitung getragen werden, sonst bleibt sie eine akademische Fingerübung. Die Treiber sind im HR: Der Personalleiter arbeitet die strategische Personalplanung in enger Kooperation mit der Finanz- sowie der Abteilung für Unternehmensentwicklung aus. Für die Umsetzung sind HR und Linie gemeinsam verantwortlich.
Studie von PwC: «Unternehmenserfolg nachhaltig sichern durch strategische Personalplanung», Mai 2012.