Personalbedarfsplanung

Mitarbeitende 50+ 
entwickeln statt entlassen

Das Alter der Belegschaften steigt, mit grossen 
Auswirkungen auf die Unternehmen selbst. Doch noch 
immer sieht die Wirtschaftswelt bei Mitarbeitenden 
über 50 vor allem deren Defizite. Zu Unrecht. Es lohnt 
sich, auch in die ältere Generation zu investieren.

Es stimmt: Ältere Mitarbeiter arbeiten langsamer, sind weniger flexibel und auch körperlich nicht mehr so fit. Sie aber deswegen als arbeitsunfähig abzustempeln und auf die Strasse zu stellen, wäre aus verschiedenen Gründen falsch. Die Bevölkerung wird immer älter, daran ändert auch die Zuwanderung nicht viel. Es herrscht jetzt schon ein Nachwuchsmangel, und bald werden Junge massiv fehlen. In den nächsten 15 Jahren gehen die Babyboomer in Pension, damit fällt ein grosser Teil der heutigen Belegschaft aus. Unternehmen können es sich also nicht leisten, auf Mitarbeitende über 50 Jahre zu verzichten.

Sind ältere Mitarbeiter zu teuer?

Ältere Mitarbeiter haben viel Erfahrungswissen. Das hilft ihnen, in Krisen besser zu reagieren als Junge. Aufgrund dieser Erfahrung können sie oft auch besser einschätzen, was realistisch und machbar ist und was nicht. «Sie haben schon sehr viel erlebt und deshalb eine bessere Urteilsfähigkeit», sagt Christoph Hasler, Head of Social Services bei der Alstom. Die sozialen Fähigkeiten werden mit zunehmendem Alter ausgeprägter, diese Altersgruppe hat mehr Erfahrung mit Menschen. Zudem hat sie oftmals ein sehr gutes Netzwerk, vor allem wenn sie verschiedene Stellen hatten. Davon können Firmen profitieren.

Ein grosses Thema sind die Kosten: Immer wieder hört man, ältere Mitarbeiter sind zu teuer. «Der Kostenfaktor ist vorhanden», bestätigt Stefanie Seiz, CEO des Beratungsunternehmens cm- p AG. «Die Frage ist deshalb: Wo setzt man Leute über 50 ein, wo generieren sie einen höheren Wert?» Repetitive Arbeit sei da nicht sinnvoll. Dafür könnten sie in Bereichen eingesetzt werden, wo Genauigkeit gefragt ist.

Die Kosten dürfen nicht isoliert betrachtet werden, findet Christoph Hasler von Alstom. «Mitarbeitende ab 50 Jahren sind loyaler, sie bleiben länger im Unternehmen, was zu geringeren Fluktuationskosten führt.» Wenn Studienabgänger nach vier Jahren bei Alstom das Unternehmen wieder verlassen, bedeutet dies einen hohen Investitionsverlust. Auch dass Ältere langsamer arbeiten, sei durchaus richtig. «Aber sie machen dafür weniger Fehler. Jüngere sind schneller, arbeiten dafür ungenauer», sagt Stefanie Seiz. Studien hätten gezeigt, dass beide Gruppen schlussendlich genau die gleiche Produktivität an den Tag legten. Vor allem auch, weil Jüngere mehr Sachen nebenbei machen, etwa rasch ihre Mails checken oder Ähnliches.

Auch wenn klassische Vorlesungen nicht das richtige Instrument sind, um ältere Angestellte weiterzubilden, so sind sie durchaus sehr lernfähig. «Sie brauchen mehr Interaktion und konkreten Praxisbezug», sagt Stefanie Seiz. Zudem lernen sie besser in kurzen Sessionen von einem halben bis einem ganzen Tag und in ihrem eigenen Tempo.

Man kann ältere Mitarbeiter aber nicht alle in den gleichen Topf werfen. Manche wirken alt und verbraucht, andere sind topfit, über die neusten Trends informiert, interessiert. Manche waren 20, 30 Jahre in der gleichen Firma tätig, stiegen die Karriereleiter hoch, verpassten es aber, externe Weiterbildungen zu machen und ihr Wissen mit anderen zu 
vergleichen. Erhalten sie die Kündigung, finden sie ohne ein Netzwerk kaum einen Job. Sie haben zwar das nötige Wissen, aber keinen Nachweis in Form eines Zertifikats dafür.

Deswegen sieht Stefanie Seiz die Arbeitgeber in der Pflicht, die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu erhalten. «Firmen können nur optimal im Markt agieren, wenn ihre Angestellten arbeitsmarktfähig sind.» Es liege deshalb im Interesse der Unternehmen, dieses Wissen für ihren Erfolg zu generieren. Da lohnt sich auch die Investition in einen über 50-Jährigen, denn wie bereits erwähnt bleiben ältere Mitarbeiter länger im Unternehmen als Jüngere, womit teure Rekrutierungskosten wegfallen. «Unternehmen können es sich nicht leisten, nur Junge weiterzubilden. Ihnen fehlt sonst das Wissen in der Organisation», sagt Stefanie Seiz.

Die Generationen mischen

Gute Erfahrung mit der Weiterentwicklung von über 50-Jährigen macht der Technologie-Konzern Alstom. «Ein Viertel unserer 6400 Mitarbeitenden sind über 50. Sie sind geschätzte Leistungsträger mit sehr viel Erfahrung», betont Christoph Hasler. Er stellt fest, dass Mitarbeitende 50+ sehr engagiert und motiviert sind und sich auch gerne weiterbilden. In den letzten 20 bis 30 Jahren hätten sich viele Fachkräfte stark spezialisiert, in Bezug auf die Arbeitsmarktfähigkeit fast zu sehr. «Wichtig ist die Breite von Erfahrungen und Einsätzen», sagt Hasler. Deshalb würden bei Alstom auch viele Fachkräfte intern den Job wechseln. So werde das Risiko minimiert, dass ihr Wissen zu spezifisch ist, und zudem gehe ihr Know-how nicht verloren.

Junge und ältere Mitarbeiter sollten gemischt werden, findet Stefanie Seiz. Das sei eine Herausforderung und bedinge vor allem eines: Neugier, auf beiden Seiten. Jeder brauche ein realistisches Bild von sich selbst und das Bewusstsein, dass das eigene Wissen begrenzt ist. Damit die Zusammenarbeit gelingt, sind die Chefs gefragt: «Sie müssen die Teams mischen und ihnen gemeinsame Projekte geben sowie aufzeigen, dass sie das Projekt nur gemeinsam bewältigen können.» Denn die Jüngeren können nicht nur von den Älteren lernen, sondern auch umgekehrt, zum Beispiel, was neue Technologien betrifft oder den aktuellen Stand der Forschung. Auch müssen die Führungskräfte im Umgang mit älteren Mitarbeitern geschult werden.

Prioritäten ändern sich

Zu berücksichtigen sei, dass ältere Mitarbeiter ganz andere Ambitionen und Prioritäten hätten als jüngere. Während Jüngere vor allem Karriere machen wollen, ist Älteren die Tätigkeit an sich wichtiger. Sie bevorzugen eine Fachkarriere mit spannenden Aufgaben. Hasler bringt es auf den Punkt: «Jüngere wollen Erfahrungen sammeln, Ältere ihre Erfahrungen einbringen.»

Stefanie Seiz schlägt deshalb neue Laufbahnmodelle vor: Mitarbeiter kurz vor der Pensionierung sollten die Möglichkeit haben, sich aus der Führungsverantwortung zurückzuziehen. Viele seien durchaus bereit, dafür auch finanzielle Einbussen hinzunehmen, denn statt zu führen, bevorzugen sie es, nochmals spannende Aufgaben zu haben und ihr Wissen weiterzugeben. Bei Alstom ist dies bereits gang und gäbe: Das obere Management geht mit 60 in die Teilpension, die Führungskräfte können aber weiterhin als Berater für die Firma tätig sein, was auch rege genutzt wird. Einerseits findet so ein Know-how-Transfer statt, andererseits hat die Person nicht mehr ganz so viel Verantwortung, dafür interessante Mandate. Zudem ist der Übergang in die Pension weniger radikal, und jüngere Talente können früher nachrücken.

Allerdings sieht Stefanie Seiz auch Hindernisse, denn häufig werde eine Führungsabgabe als Image-Verlust und Defizit interpretiert. Es sei daher wichtig, in der Organisation offen über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu reden. Das sieht auch Hasler so: «Der Dialog mit diesen Mitarbeitenden ist uns wichtig.» In den Gesprächen werden Entwicklungsmöglichkeiten besprochen.

Ein Hindernis ist auch das negative Image, das älteren Mitarbeitern anhaftet. Dieses gilt es laut Stefanie Seiz anzupassen, insbesondere bei der Generation 50+. Viele Stellensuchende über 50 sind der Meinung, sie hätten ja eh keine Chance. Ihnen müsse man Ressourcen aufzeigen und schauen, was sie heute besser können als früher, sagt Stefanie Seiz. Auch Christoph Hasler sieht das – zu Unrecht – schlechte Image der über 50-Jährigen als Problem. «Unsere Mitarbeitenden 50+ sind motiviert, lernfähig, erfahren und loyal», betont er. Zudem würden diese positiv über Alstom sprechen, was die beste Werbung für das Unternehmen sei. Es brauche ein Umdenken, bei den über 50-Jährigen selbst, aber auch bei den Entscheidungsträgern in der Linie und der Rekrutierungsabteilung.

Impulssseminar

Am 27. November 2013 organisiert das SIB Schweizerische Institut für Betriebsökonomie ein Impulsseminar zum Thema «Mitarbeitende 50+. Entlassen oder Entwickeln?». Stefanie Seiz (Foto links), CEO der cm- p AG, und Christoph Hasler (Foto rechts), Head of Social Services bei Alstom, halten Impuls-Vorträge zum Thema, zudem gibt es eine transferorientierte Gruppendiskussion.
 

 

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