Angelo Ciaramella
Der Wertewandel, die soziokulturellen Ansichten, die wirtschaftliche Situation und der eigene Erfahrungshintergrund widerspiegeln im Recruiting oft die Herangehensweise bei der Selektion. Dabei gibt es klare Unterschiede zwischen den Generationen. Ich werde mich hüten zu sagen, dass Personen ab 40 keine passablen Recruiter sind, im Gegenteil, gerade die Lebenserfahrung ist in dieser Tätigkeit von zentraler Bedeutung. Jedoch bin ich überzeugt, dass in einigen Branchen die Priorisierung der Anforderungsprofile stark vom Recruiter abhängig sind.
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Klassisches Recruiting und Talent Acquisition sind zwei Paar Schuhe und bedingen andere Anforderungsprofile, wobei das Alter des Recruiters eine Rolle spielt. So schlägt sich beispielsweise die Affinität zur digitalen Welt in wandelnden Recruiting-Aktivitäten nieder. Einige Beispiele: Ich halte es für selbstverständlich, dass man nicht mehr abwirbt, sondern als Firmenvertreter für eigene Positionen wirbt. Ein lockerer und gewiefter Umgang mit Social Media kommt dazu. Zudem bin ich geprägt von der Generation-Y-Haltung: Sehe ich die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit und Firma, bin ich engagiert und authentisch.
Als Talent Scouter ist mir dies auch bei Kandidaten enorm wichtig und ich kann die Selektion beeinflussen. Diese Selbstverständlichkeiten habe ich bis heute bei wenigen Recruitern der Babyboomer-Generation bemerkt. Auch die Auswahlkriterien haben sich verändert: etwa bei der Firmenzugehörigkeitsdauer oder der Betrachtung von weniger stringenten und versatilen Karrierewegen. Gerade bei solchen Fragestellungen unterscheidet sich das individualisierte und schnell wandelnde Unternehmertum mit dem auf Sicherheit ausgerichteten Blickwinkel der Babyboomer. Und ebensolche Haltungsfragen veranlassen zu anderen Entscheiden in der Selektion. Gut ersichtlich wird dies in der digitalen Branche.
Müsste ich einen Recruiter zur Rekrutierung von Digital Natives anstellen, würde ich wissen wollen, wie digital affin er ist. Je älter jemand ist, umso weniger selbstverständlich ist dies. Bei einer IT-Agentur mit Start-up-Flair, Profilen von jungen Menschen und entsprechender Lebensformen bedingt dies, dass die HR-Person den Zeitgeist selber lebt und damit anders sucht und selektiert als ein Babyboomer. Dass der digitale Wandel keine Phase ist, sondern unaufhaltsam fortschreitet, ist ein Fakt, was ältere Generationen jedoch weniger nachempfinden oder «leben». Genauso wenig kann sich eine jüngere Person in jemanden hineinversetzen, der 20 Jahre älter ist und andere Werte vertritt.
Wird beispielsweise ein jüngerer Stellenloser von einem älteren Personaler bewertet, fällt dies wohl negativer ins Gewicht, als wenn dies jemand der gleichen Generation tut. Letztlich ist die Rekrutierung keine Frage des Alters, sondern der Wertehaltung. Durch die schnell wandelnde Zeit und Werteverschiebung resultiert, dass ältere Recruiter anders ticken als jüngere und somit für die Rekrutierung in gewissen Branchen und Funktionen nicht passen.