Ralf Metz
Auf den ersten Blick haben Clean Desk Policies nichts mit dem Thema Zusammenarbeit, Potenzialentfaltung und nachhaltige Teamentwicklung zu tun. Auf den zweiten aber schon. Grundsätzlich sehe ich zwei verschiedene Arten von Clean Desk Policies: solche, die durch externe, regulatorische Anforderungen vorgegeben sind und den Umgang mit Kundeninformationen regeln, und andere, welche die internen Regelungen von Firmen betreffen: beispielsweise, wie ein Arbeitsplatz im Kundenbereich aussehen soll.
Zunehmend werden Clean Desk Policies aber auch zur Regelung von Desksharing eingesetzt. Was also spricht gegen eine Clean Desk Policy? Der Chef des Learning Campus von Adidas bringt es im Film «Augenhöhe» auf den Punkt: «Unternehmen suchen die besten Talente, um diese später wie kleine Kinder zu behandeln.» Denn genau das sind für mich Policies: Sie spiegeln das «Befehl-Kontroll-Denken».
Die Idee scheint verlockend: Mit minimalem Aufwand kann ich mit Befehlen Mitarbeitende anweisen, ihr Verhalten zu ändern und die Umsetzung zu kontrollieren. Verstösse werden geahndet. «One size fits all» ist nicht mehr zeitgemäss, denn wir Menschen sind unterschiedlich. Daher braucht es individuelle Lösungen, die diese Unterschiedlichkeit berücksichtigen. Und dies kann ein Unternehmen nicht ohne Einbezug seiner Mitarbeitenden erreichen. Denn woher sollen die Geschäftsführer wissen, was jeder einzelne Mitarbeitende braucht? Glauben wir wirklich, dass Menschen überall Regelungen benötigen? Oder wollen wir uns einfach nicht miteinander beschäftigen? Glauben wir, besser zu wissen, wie der Mitarbeitende effizienter und effektiver arbeitet? Was also würde passieren, wenn wir, anstatt alles regeln zu wollen, die Themen künftig gemeinsam angehen?
Die Neurowissenschaft hat hier in den letzten Jahren sehr klare Ergebnisse geliefert: Werden Mitarbeitende miteinbezogen und können sie Themen mitgestalten, gewichten sie diese deutlich höher. Zudem erhöht sich auch das Zugehörigkeitsgefühl, das für jeden Menschen bedeutend ist. Aus Betroffenen Beteiligte zu machen, heisst es ja so schön. Aber können wir sicher sein, dass dies mit einer Policy funktioniert? Was wäre, wenn Unternehmen Fragestellungen wie etwa: «Wie können wir Raumkosten sparen?» an ihre Mitarbeitenden weitergäben? Welche Lösungen würden hieraus entstehen? Diese könnten in den einzelnen Bereichen eines Unternehmens durchaus deutlich unterschiedlich ausfallen. Sie wären jedoch damit an die jeweiligen Anforderungen der Organisation und der Mitarbeitenden angepasst.
Um ein solches Arbeitsmodell zu leben, braucht es jedoch eine Kultur, die stärker auf Vertrauen, Kommunikation und Anerkennung setzt. Natürlich können Firmen Clean Desk Policies auch dazu verwenden, um einen Kurs vorzugeben. Und damit die Mitarbeitenden auszusondern, die davon nichts halten.