Personal Swiss 2015

Mindfulness – oder von der 
Balance des «inneren Teams»

Achtsamkeit für den inneren Dialog zwischen Körper und Emotion ist vielen leistungsorientierten Menschen fremd. 
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass Leistungs- und Lernfähigkeit im Zustand der «Mindfulness» erhöht sind und 
Blutdruck sowie Cholesterinspiegel sinken. Zudem sollen «Mindful People» in ihrer Kommunikation überzeugender sein.

Glück als Dauerzustand ist in Mitteleuropa ein eher seltenes Phänomen. Warum? Weil wir nicht genug bekommen: von Erfolg, von Anerkennung, vom Geld auf dem Konto oder von Aufträgen. Viele von uns sind dauerhaft süchtig nach immer mehr von all dem. Frei nach der Maslowschen Bedürfnispyramide argumentiert, streben wir nach einem aufgeblasenen Ego-Status mit immer mehr Prestige und sind getrieben von extrinsischen Motiven. Einige Menschen bleiben in diesem Stadium hängen, fühlen sich unerfüllt mit dem Erreichten und fragen sich derweil selber, was ihnen zum vollkommenen Glück fehlt. Sie bleiben kurz vor der Maslowschen Spitze nach oben stecken, genau da, wo die Selbsterfüllung der inneren Bedürfnisse zur menschlichen Transzendenz zum «absoluten» Glückszustand führt.

Die meisten Menschen denken bei dieser Beschreibung an Mönche oder den Dalai Lama und haken deshalb dieses Ziel für sich ab. Andere fordern sich über alle Massen selber heraus, indem sie die sieben höchsten Gipfel der Welt bezwingen oder den Atlantik im Ruderboot überqueren, um sich selbst zu spüren und dazu die Dankbarkeit, einfach nur leben zu dürfen. Und dann gibt es wieder andere, die sich unfreiwillig selbst zu spüren bekommen, nachdem sie ein Burnout, einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder andere lebensbedrohliche Krankheiten überlebt haben, die oftmals auf zu hohe langanhaltende Stressbelastungen zurückzuführen sind. Die Menschen, die den Glückszustand erreicht haben, haben eines gemeinsam: Sie haben auf ihre Weise gelernt, ihr vorhandenes Glück wertzuschätzen und eine dauerhaft präsente Dankbarkeit für das zu empfinden, was sie haben – egal um wie viel Status, Eigentum oder Prestige es geht. Viele dieser Menschen tragen diese Dankbarkeit im Gesicht – nicht selten sind sie danach sichtlich entspannt erfolgreich.

Wenn nur das Hier und Jetzt zählt

Es gibt Wege, um ohne Krankheit oder Extremleistung zu diesem «Gipfel der glücklichen Transzendenz» zu 
gelangen. Der Schlüssel liegt im so genannten Inneren Team – der Dreiecksbeziehung zwischen rationalem 
Denken, den Emotionen und dem ganzen Körper. Wir wissen eher selten, wann die Kommunikation zwischen Emotion und Körper intakt ist. Wahrnehmbar wird sie in Situationen wie beim Yoga, wenn wir uns mithilfe purer Atemtechnik zur eigenen Überraschung plötzlich in Positionen wiederfinden, die wir vorher mit dem «Ich will, also werde ich»-Ansatz nicht schmerzfrei hinbekommen haben. Das heisst: Erst das Kappen der Kommunikation zwischen Kopf und Körper lässt die Kommunikation zwischen Gefühl und Körper zur sichtbaren Entfaltung kommen. Das ist ein Weg zur Achtsamkeit, auch «Mindfulness» genannt, ein Zustand vollkommener innerer Präsenz, bei der nur das Hier und Jetzt zählt. Wer diesen Zustand als Norm für sich erlangt, spricht bewusster, langsamer, überzeugender, da die Worte aus einem ausbalancierten «inneren Team» entspringen.

«Depressiv» und «fröhlich» laufen

Nicht jeder Mensch macht Yoga. Also betrachten wir doch etwas, was alle täglich tun: zu Fuss gehen – und zwar im Zusammenhang zum emotionalen Zustand. Prof. Dr. Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke erforschte mit Kollegen aus Kanada den Zusammenhang von Gang und emotionalem Gedächtnis. Folgendes kam in ihrer aktuellen Studie aus dem Jahr 2015 heraus: Probanden, die «depressiv» gelaufen sind, haben mehr negative Wörter behalten (ein Muster, das auch immer wieder bei Depressiven gefunden wird), während Probanden, die «fröhlich» gelaufen sind, sich mehr positive Wörter gemerkt haben. «Das zeigt uns, dass unsere Art sich zu bewegen Auswirkung darauf hat, ob wir eher positive oder negative Informationen verarbeiten. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen dem Körper, hier der Gangart, und der Psyche, hier der Art, welche Informationen wir uns merken», erklärt Michalak.

Auch wenn man argumentieren könnte, dass in dieser Studie die Ratio im Spiel ist, geschieht die Auswahl dessen, was wir uns merken, unbewusst, also auf Basis emotionaler Impulse. Wer seinen Gang bewusst beobachtet, wird realisieren, dass er die eigene Stimmung widerspiegelt, mal selbstbewusst auftretend, mal leiser, mal schnell, mal langsamer.

Wer nicht hören will, muss fühlen

Genug der Beweise des inneren Dialogs zwischen Körper und Gefühl. Um sie auf ein HR-Thema zu übertragen, betrachten wir folgende Situation: Wenn wir uns morgens überhaupt nicht gut fühlen, seit Tagen gesundheitlich angeschlagen sind und wir am Arbeitsplatz zugleich eine extrem wichtige Phase durchmachen, lassen wir den Kopf walten. Die besonders zähen und ehrgeizigen Menschen unter uns sagen sich: «Augen zu und durch», was bedeutet, den Körper zu ignorieren. Hätten die Emotionen hier die Führung in der Kommunikation übernommen, würde man seinen Körper eher pflegen. Der Druck in unserer Arbeitswelt unterdrückt diesen Dialog zwischen Herz und Körper. Wenn dieser Zustand lange 
anhält, übernimmt eben der Körper irgendwann die Führung im inneren Team. Im 
Notfall äusserst sich das in der Sprache des Körpers, meist in einem Zusammenbruch, etwa so: «Du gabst mir keine Wahl, jetzt kann ich nicht mehr.»

Im Klartext des Absenzen-Managements mit langfristigen Mitarbeiterzielen wäre deshalb ein Drucknachlass vorteilhaft. Manager erlauben ihren Mitarbeitenden bereits flexiblere Arbeitszeiten mit längeren Pausen, um zu joggen oder die hauseigenen Fitnessräume zu nutzen. All das macht den Körper fit, sehr häufig aber bringen wir Sport und Fitness in Verbindung mit Leistungszielen. Und genau darum soll es eben nicht gehen. Die Verbindung Gefühl-Körper wird mit sportlichem Ehrgeiz und Kräftemessen bei den meisten nicht hergestellt. Im Gegenteil: Der Druck erhöht sich noch weiter und unsere Achtsamkeit für den Dialog «Körper mit Herz» wird weiter verdrängt. Übertragen auf die Studienergebnisse von Professor Michalak erhöhen wir beim Sport vermutlich sogar noch den Tempodruck auf das Unbewusste, das emotionale Gedächtnis.

Täglich duschen wir, putzen uns die Zähne und kümmern uns um die Ästhestik unseres Körpers. Weshalb kümmern wir uns nicht auch um den vollständigen Dialog des inneren Teams – mit bewusster Beobachtung des Gangs und bewusster Atmung? Da reichen täglich 15 Minuten Atemübungen. Sind wir gelassen und innerlich ruhig genug, um überzeugend nach aussen zu kommunizieren? Vielleicht wirken wir auch depressiv, ohne es zu merken? Für Führungspersonen ist eine ehrliche Körpersprache jedenfalls Gold wert.

Live an der Personal Swiss

Connie Voigt referiert als Keynote-Speaker auf Englisch zum Thema «Mindfulness – Finding the Key to your Power of Presence». Mittwoch, 15. April 2015, 
13.05 – 13.35 Uhr, Praxisforum 1

 

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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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