Mitarbeiterbefragung

Mit Mitarbeiterbefragungen Wirkung erzielen

Mitarbeiterbefragungen gehören zu den mächtigsten Instrumenten, um Unternehmen zu steuern. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn Unternehmen die fünf typischen Fallen kontraproduktiver Mitarbeiterbefragungen vermeiden.

Falle 1: Mitarbeiterbefragung als reine HR-Massnahme statt als strategisches Steuerungsinstrument ausrichten

Werden Mitarbeiterbefragungen als reines HR-Instrument angesehen, sind sie als Steuerungsinstrument für Unternehmen nicht nutzbar.  Eine Mitarbeiterbefragung wird dann auf die Ermittlung der Stimmung und Zufriedenheit der Mitarbeiter reduziert. Das Unternehmen lässt sich «einfach von den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung überraschen».

Eine Mitarbeiterbefragung als strategisches Entwicklungsinstrument unterstützt hingegen gezielt und systematisch die Führungskräfte-, Kulturentwicklung und die Strategieumsetzung. Gerade in Change-Prozessen kann ein systematisches und kontinuierliches Feedback «von unten» zur effektiven Gestaltung von Veränderungsinitiativen eingesetzt werden. Mitarbeiterbefragungen liefern Soft Facts wie Informationen über das Strategieverständnis, das Führungsklima oder die Kündigungsabsicht der Mitarbeiter. Wichtige Kennzahlen also, die eine Basis von strategischen Entscheidungen bilden. Die Befragungsziele sollten deshalb vorab klar definiert sein. Im Vordergrund steht dabei die Ermittlung von Verbesserungspotenzialen. Besonders wichtig ist hierfür auch ein Benchmarking. Kein Befragungswert ist per se aussagekräftig. Vielmehr erhalten die Ergebnisse ihre Bedeutung für das Unternehmen, die Abteilung oder die jeweilige Führungskraft erst im Vergleich. Für eine gezielte Organisations- und Kulturentwicklung ist ein internes Benchmarking zentral. Es dient einerseits dazu, sich innerhalb des Unternehmens zu vergleichen. Andererseits dient es auch dazu, sich mit sich selbst über bestimmte Zeitperioden hinweg zu vergleichen und damit Lernfortschritte und -rückschritte sichtbar zu machen.

Falle 2: Mitarbeiter nach ihrer Zufriedenheit statt nach ihrem Commitment und der Energie im Team befragen

Unternehmen gehen oft davon aus, dass zufriedene Mitarbeiter auch leistungsfähig sind. Daher werden die Mitarbeiter in 70 Prozent der Mitarbeiterbefragungen nach ihrer Zufriedenheit befragt. Die Forschung stützt diese Sichtweise jedoch nicht. Agnes Bruggemann hat bereits 1974 die sehr wichtige Unterscheidung zwischen sechs verschiedenen Zufriedenheitstypen gemacht. Das Spannende daran ist: Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit braucht ein Unternehmen konstruktiv unzufriedene Mitarbeiter und keine resignativ zufriedenen. Statt Zufriedenheit sollte ein Unternehmen Konzepte mit wissenschaftlich nachgewiesener Erfolgswirksamkeit verwenden. Die Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitarbeiters kann zuverlässig über sein Commitment vorhergesagt werden, die Leistungsfähigkeit von Gruppen, das heisst Teams, Abteilungen oder der gesamten Organisation, über die organisationale Energie. Organisationale Energie ist die Kraft, mit der eine Organisation zielgerichtet Dinge bewegt (Bruch & Vogel, 2009). Anhand der beiden Dimensionen Intensität und Qualität können vier verschiedene 
Energiezustände in einer Organisation identifiziert werden (Box): produktive Energie, angenehme Energie, korrosive Energie und resignative Trägheit.

Mitarbeiter von Organisationen mit hoher produktiver Energie sind aktiv, begeistert und strengen sich an, um die Unternehmensziele zu erreichen. Mitarbeiter einer Organisation mit hoher angenehmer Energie sind zufrieden mit dem Status quo und effizient in den Geschäftsabläufen, haben aber ein allgemein tiefes Aktivitätsniveau. In Organisationen mit hoher korrosiver Energie herrscht ein hohes Aktivitätsniveau vor, jedoch wird die aktivierte Energie destruktiv genutzt, zum Beispiel für interne Machtkämpfe. Organisationen mit hoher resignativer Trägheit haben Schwierigkeiten, ihr Potenzial zu mobilisieren, und die Mitarbeiter fühlen sich enttäuscht und frustriert. In gesunden und erfolgreichen Unternehmen sind angenehme und produktive Energie gleichermassen hoch, korrosive Energie und resignative Trägheit sehr gering ausgeprägt.

Neben seiner wissenschaftlich nachgewiesenen Erfolgswirksamkeit ist organisationale Energie ein Konzept, das die Clusterung von Ergebnissen einer Befragung ermöglicht und damit einen schnellen Überblick über die Handlungsrelevanz der Ergebnisse gibt. Eine sinnvolle Clusterung ist wichtig, da in der Praxis Unternehmen oft einen sehr ausführlichen Bericht der Befragungsergebnisse erhalten, der aber nicht fokussiert und damit nicht handlungsleitend ist.

Falle 3: Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung mangelhaft kommunizieren statt durch ein Kommunikationskonzept flankieren

Vielen Mitarbeiterbefragungen fehlt das Commitment, da sie keine Antworten auf die Fragen «Warum?» und «Was geschieht mit den Ergebnissen?» liefern. Oder es kommt vor, dass sich ein Unternehmen spontan für eine Mitarbeiterbefragung entscheidet und sofort mit der Feldphase starten will. Eine lange Kommunikation im Vorfeld ist aus Sicht des Unternehmens zu zeitintensiv. Der Flurfunk tut sein Übriges, um die Mitarbeiterbefragung doch noch durch Kommunikation zu flankieren.

Die Kommunikation im Vorfeld und im Nachgang einer Mitarbeiterbefragung ist jedoch erfolgskritisch. Nicht nur die Rücklaufquote kann dadurch gezielt erhöht werden, sondern das Verantwortungsgefühl und Engagement der Mitarbeiter werden stark aktiviert. Die Mitarbeiter werden von Betroffenen zu Beteiligten und leisten ihren Beitrag für ein aussagekräftiges Stimmungsbild im Unternehmen. Einige Unternehmen lenken die Aufmerksamkeit ihrer Mitarbeiter auf die Bedeutung der Mitarbeiterbefragung durch ein begleitendes Marketing: Die Mitarbeiterbefragung erhält ein Logo, ein Motto, ein Rundschreiben informiert die Mitarbeiter, Plakate werden ausgehängt, Flyer, Aufkleber oder Badges verteilt. Wichtig ist hier, Mass zu halten: Zu wenig Aufwand führt zu der Annahme, die Mitarbeiterbefragung sei unwichtig, zu viel Aufwand wirkt verschwenderisch und übertrieben.

Falle 4: Massnahmenflut oder Alibiaktionen statt gezielte zentrale und dezentrale Massnahmen erarbeiten

Fehler werden in der Praxis insbesondere in der Phase «Was folgt auf die Rückmeldung der Befragungsergebnisse?» gemacht. Zum einen gibt es Unternehmen, die viel Zeit und Engagement in  eine gute Diagnostik investieren – doch dann wird nach Rückmeldung der Befragungsergebnisse nichts unternommen, um Stärken auszubauen und Handlungsfelder zu adressieren. Zum anderen gibt es Unternehmen, die viele Massnahmenworkshops planen, zahlreiche Massnahmen darin erarbeiten und schliesslich möglichst viele umsetzen möchten. Statt fokussierter Massnahmenplanung erleben die Mitarbeiter einen unbedachten Aktionismus, der sie überfordert. Oder die Mitarbeiter fühlen sich gelähmt, da sie das Gefühl haben, es wird nicht an den richtigen Stellschrauben gedreht. Sogenannte Alibiaktionen zeigen zwar, dass äusserlich etwas geschieht, interne Missstände existieren jedoch davon unbetroffen weiter.

Eine gute Massnahmenumsetzung wird von den Mitarbeitern nicht als Zusatzbelastung, sondern als sinnvoll erlebt. Im ersten Schritt ist es hilfreich, offen und kreativ bei der Massnahmenentwicklung zu sein. Im zweiten Schritt müssen Massnahmen priorisiert und erfolgswirksame Massnahmen bestimmt werden, die das Business voranbringen und nicht neben dem Business stehen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen zentralen und dezentralen Massnahmen. Zentrale Massnahmen involvieren das Top-Management und zentrale Funktionen wie das HR oder betriebliche Gesundheitsmanagement, während dezentrale Massnahmen die Führungskräfte in der Linie oder einzelne Abteilungen betreffen. Bei der Massnahmenplanung sollte ein Unternehmen Etappenziele setzen. Etappenziele bilden sehr gut aufeinander aufbauende Veränderungen ab, ermöglichen es, auch kleine Erfolge zu feiern, und stärken dadurch Stolz und Selbstvertrauen der Mitarbeiter. Unternehmen, die nicht bereit sind, im Nachgang einer Mitarbeiterbefragung Massnahmen zu planen und umzusetzen, sollten ihre Mitarbeiter gar nicht erst befragen, um sich und ihren Mitarbeitern Unmut und Frustration zu ersparen.

Falle 5: Mitarbeiter in Konsumhaltung bringen statt in die Massnahmenerarbeitung und -umsetzung einbinden

Viele Unternehmen bemühen sich während der Befragungsphase sehr, ihre Mitarbeiter zu mobilisieren, um eine hohe Rücklaufquote zu erreichen. Bei der Planung und Umsetzung von Massnahmen bemühen sie sich hingegen viel weniger um das aktive Mitwirken der Mitarbeiter. Stattdessen wird den Mitarbeitern oft indirekt vermittelt, dass sie erst einmal abwar
ten sollen, welche Lösungen das Unternehmen ihnen präsentieren wird.

Doch Mitarbeiter sind zu jedem Zeitpunkt einer Mitarbeiterbefragung gefordert und sollten entsprechend motiviert und eingebunden werden. In der Vorphase der Befragung, indem sie Befragungsbotschafter werden und die Wichtigkeit der Teilnahme an der Befragung im Unternehmen kommunizieren, ebenso wie in der Phase der Massnahmenerarbeitung und -umsetzung. Gerade diese beiden letzten Phasen sind für den Erfolg einer Befragung besonders entscheidend. Eine aktive Beteiligung von Seiten der Mitarbeiter bei der Massnahmenerarbeitung fördert Akzeptanz, bringt neue Sichtweisen zu Tage und erhöht schliesslich die wirkungsvolle Umsetzung der Massnahmen.

Fazit

Zusammenfassend sind fünf Punkte besonders entscheidend, damit Unternehmen mit ihrer Mitarbeiterbefragung Wirkung erzielen und sich Fallen kontraproduktiver Mitarbeiterbefragungen umgehen lassen:

  1. 
Eine Mitarbeiterbefragung sollte als strategisches Steuerungsinstrument ausgerichtet werden.
  2. 
Statt nach Zufriedenheit sollten Mitarbeiter nach ihrem Commitment und der Energie in ihrem Team befragt werden.
  3. 
Eine Mitarbeiterbefragung sollte im Vorfeld und im Nachgang durch ein Kommunikationskonzept flankiert werden.
  4. 
Massnahmen sollten gezielt abgeleitet und als zentrale und dezentrale Massnahmen das Business voranbringen.
  5. 
Mitarbeiter sollten nicht nur während der Befragungsphase, sondern insbesondere auch bei der Massnahmenentwicklung und -umsetzung aktiviert und eingebunden werden.

Case: Change Monitor der BMW Group

Effektive Mitarbeiterbefragung als Change Monitoring – der Change Monitor der BMW Group (Körner, Bruch & Stephany, 2012)

Für die BMW Group wurde von uns in den Jahren 2008–2010 eine spezifische Form der Befragung, der sogenannte Change Monitor, durchgeführt, um den Implementierungsprozess ihrer Strategie «Number One» zu  überprüfen und gezielt zu unterstützen. Diese Befragung ermittelte über den Zeitverlauf, wie sich das Strategieverständnis, das Commitment und die Energie in der BMW Group veränderten. Ziel der Befragung war es, die folgenden Fragen zu beantworten: Ist die Strategie auf allen Ebenen angekommen? Gelingt es, eine Aufbruchsstimmung herzustellen? Stehen Führungskräfte voll hinter der Strategie und leben sie diese auch vor?

Der Zweck war es letztendlich, über eine Standortbestimmung wirkungsvolle Verbesserungsmassnahmen einzuleiten, um den Erfolg der BMW-Strategieimplementierung zu sichern. Die Ergebnisse des ersten Change Monitors zeigten, dass die neue Strategie noch nicht das gewünschte Mass an Aufbruchsstimmung in der Organisation ausgelöst hatte. Ein grosser Abstand in der Energie und im Strategieverständnis zeigte sich insbesondere zwischen oberem und mittlerem 
Management, da auf den mittleren und 
unteren Hierarchie-Ebenen noch keine gezielten Aktivitäten zu den Inhalten der Strategie durchgeführt worden waren. Als Antwort darauf traten 7000 Führungskräfte in 72 eintägigen internen Workshops in einen offenen und hierarchieübergreifenden Dialog miteinander und wurden mit der Strategie vertraut gemacht. Die Ergebnisse des zweiten Change Monitors zeigten, dass sich bei allen, die in die internen Workshops involviert waren, Vertrauen, Energie und Führung massgeblich verbessert hatten.

Quellen

  • Bruch, H., und Vogel, B. (2009). Organisationale Energie – Wie Sie das Potenzial Ihres Unternehmens ausschöpfen. 
2. Auflage, Wiesbaden: Gabler.
  • Bruggemann, A. (1974). Zur Unterscheidung verschiedener Formen von Arbeitszufriedenheit. In Arbeit und Leistung 28, S. 281.
  • Körner, S., Bruch, H., und Stephany, U. (2012). Mit Energie und Vertrauen voran. Der BMW Group Change Monitor. OrganisationsEntwicklung, 1, S. 32–34.
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Prof. Dr. Heike Bruch, Direktorin am Institut für Führung und Personalmanagement (I.FPM) der Universität 
St.Gallen.

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Sandra Kowalevski ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin 
am IFPM und Consultant der «energy factory 
St. Gallen AG».

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