Leadership

Mittelmass oder Spitze?

Warum sind manche Unternehmen mittelmässig und andere Spitze? Zum Beispiel bei Umsatz oder Ertrag? Oder beim Service oder im Bereich Innovation? Liegts an der Strategie? Meist nicht! In der Regel liegt es an der Unternehmens- und Führungskultur.

Dass die Strategie stimmt, ist für den Erfolg eines Unternehmens zwar wichtig. Doch entscheidend ist ein anderer Faktor: die Unternehmens- und Führungskultur. Denn faktisch sind die strategischen Optionen der Unternehmen meist begrenzt. Schliesslich haben sie eine gewachsene Kultur, Struktur und Kompetenz. Zudem bewegen sie sich im selben Marktumfeld wie ihre Mitbewerber. Entsprechend gleichlautend klingen oft ihre strategischen Grundaussagen.

Erfolgsfaktor (Führungs-)Kultur

Die Unternehmen unterscheiden sich aber darin, wie schnell sie aus Erkenntnissen die erforderlichen Schlüsse ziehen und wie konsequent sie diese umsetzen. Und dies ist eine Frage der Unternehmens- und Führungskultur.
Häufig beobachtet man in Unternehmen, dass deren oberste Führung strategische Ziele definiert. Zum Beispiel: Wir wollen in drei Jahren ein Drittel unseres Umsatzes mit Serviceleistungen erzielen. Daraufhin ermitteln die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern, was dies für deren Arbeit bedeutet. Zudem vereinbaren sie mit ihnen, was es zu tun gilt, damit ihr Bereich den nötigen Beitrag zum Erreichen der Ziele leistet. Doch dann kehren die Beteiligten zur Alltagsarbeit zurück und wenige Tage später sind die Vereinbarungen vergessen.

«Tolerierte Mittelmässigkeit» bekämpfen

Dieses Phänomen beobachtet man in vielen Unternehmen, unter anderem, weil Mitarbeitende im Alltag die Erfahrung sammeln: «Nichts wird so heiss gegessen wie es gekocht wird.» Deshalb hat sich in ihnen eine Kultur der Inkonsequenz und «tolerierten Mittelmässigkeit» entwickelt. Das heisst, die Organisation erbringt keine Top-Leistungen mehr, sondern versinkt im Mittelmass.

Der Aufbau einer Kultur der Konsequenz in Unternehmen setzt in der Regel ein Umdenken der Führungskräfte voraus. Ihr Handeln muss sich stärker orientieren an Zielen und Vereinbarungen und an der Maxime: Getroffene Entscheidungen werden umgesetzt.

Oft verkünden Führungskräfte Ziele wie «Wir wollen Innovationsführer werden.» Wenn daraus im Arbeitsalltag aber die nötigen Schlüsse gezogen werden müssten, definieren sie die Prioritäten neu: «Ja, es stimmt, wir möchten dieses Ziel erreichen. Doch jetzt sind andere Dinge dringender ...» Ihre Mitarbeitenden verhalten sich entsprechend. Prüfen Sie deshalb als Führungskraft regelmässig: Spiegeln sich in meinem Alltagshandeln und in meinen alltäglichen Entscheidungen die übergeordneten Ziele wieder?

Die Mitarbeitenden zum Erfolg führen

Zu den Kernaufgaben von Führung zählt es auch, mit den Mitarbeitern aus den übergeordneten Zielen abzuleiten, was diese für deren Verhalten im Alltag bedeuten. Zum Beispiel: Wie sollen künftig Angebote gestaltet und nachgefasst werden? Oder: Was tun wir, wenn wir einen Termin nicht halten können? Ausserdem ist es eine Kernaufgabe von Führung, mit den Mitarbeitern Meilensteine zu definieren, die es auf dem Weg zum grossen Ziel zu erreichen gilt; des Weiteren regelmässig zu kontrollieren, ob sich ihr Bereich noch auf dem rechten Weg befindet. Sonst können sie letztlich nur das (Nicht-)Erreichen der Ziele konstatieren.

Spricht man mit Führungskräften hierüber, zeigt sich oft, dass sich ihr Führungshandeln auf folgende Mitarbeitergruppen konzentriert: die Low-Performer – also die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhalten und -einstellung nicht den Erwartungen entspricht, und die High-Performer – also die Mitarbeiter, die fachlich fit und hochmotiviert sind und wenn nötig auch eigenständig neue Problemlösungen erarbeiten.

Den «fleissigen Bienen» mehr Beachtung schenken

Wenig Beachtung schenken die Führungskräfte jedoch meist den Mitarbeitenden die kompetent und ausdauernd und ohne grosse Forderungen, ihre Arbeit verrichten. Warum sich mit ihnen befassen? Sie funktionieren ja. Tatsächlich bestünde hierzu durchaus Anlass. Denn «fleissigen Bienen» machen in der Regel circa zwei Drittel der Beschäftigten aus. Sie sind das Rückgrat jedes Unternehmens. Und sie leisten aufgrund ihrer Zahl und Zuverlässigkeit den grössten Beitrag zum Erfolg jeder Organisation. Also sollten Führungskräfte diesen Mitarbeitern auch die verdiente Beachtung schenken – auch wenn es darum geht, die Leistung ihres Bereichs zu steigern.
Zum Steigern ihrer Leistung sind die «fleissigen Bienen» in der Regel fähig und bereit. Unter drei Voraussetzungen: Sie nehmen als Führungskraft die (Leistung der) «fleissigen Bienen» überhaupt wahr, Sie suchen den Dialog mit ihnen und Ihre Anforderungen sind realistisch.

Die nötigen Rahmenbedingungen schaffen

Wenn Sie sich als Führungskraft mit einer solchen «fleissigen Biene» zusammensetzen und sagen: «Frau Maier, Sie haben bisher von 100 Angeboten im Schnitt 18 in Aufträge umgewandelt. Eine gute Quote. Erachten Sie es unter gewissen Umständen als möglich, im Schnitt 20 von 100 Angeboten in Aufträge umzuwandeln?» Dann antwortet jeder gute Mitarbeitende «unter gewissen Umständen Ja».

Also stehen Sie als Führungskraft nur noch vor der Herausforderung, mit dem Mitarbeiter herauszuarbeiten, was die «gewissen Umstände» sind. Dies können die unterschiedlichsten Dinge sein. Ihr Job als Führungskraft ist es, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Tun Sie dies, können Sie sich auf die «fleissigen Bienen» verlassen.

Ungeachtet dessen sollten Sie regelmässig nachfragen, wie es läuft. Und wenn Sie das Signal «Na ja» bekommen, dem Mitarbeiter das Angebot unterbreiten «Lassen Sie uns noch mal zusammensetzen und ...». Dies ist wichtig! Denn selbst wenn die vereinbarten Ziele realistisch sind, dann setzen diese bei dem Mitarbeitenden doch ein teilweise verändertes Verhalten voraus. Das heisst, Sie reissen ihn punktuell aus seiner «Komfortzone». Und diese zu verlassen, fällt vielen «fleissigen Bienen» schwer. Also benötigen sie eine Unterstützung.

Die High-Performer stärker einbinden

Und hier liegt in der Regel das Problem. Spricht man mit Führungskräften hierüber, dann erwidern sie meist: «Zu einem so intensiven Betreuen so vieler Mitarbeiter fehlt mir die Zeit.» Teilweise lässt sich dieses Problem lösen, indem man den Führungskräften vermittelt: Auch ihr müsst mehr Selbstdisziplin im Arbeitsalltag zeigen. Denn noch immer gilt: Viele Führungskräfte delegieren (anspruchsvolle) Fachaufgaben nicht konsequent genug. Die Folge: Führungsaufgaben bleiben liegen.

Dabei gäbe es Mitarbeiter, an die sie die Fachaufgaben delegieren könnten: die High-Performer. Hierdurch würden die Führungskräfte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – sich selbst entlasten und den High-Performern, die sich herausfordernde Aufgaben wünschen, eine Chance geben, sich zu bewähren und weiter zu profilieren. Teilweise kann zudem das Betreuen und Anleiten der «fleissigen Bienen» den High-Performern übertragen werden – zum Beispiel, indem Führungskräfte gezielt aus einem High-Performer und zwei, drei «fleissigen Bienen» ein Arbeitsteam bilden.

Eine Aufwärtsspirale in Gang setzen

Auch diese Möglichkeit nutzen Führungskräfte zu selten, um die Mehrzahl der Mitarbeiter in Bewegung zu versetzen und die Mehrleistung zu erzielen, die dazu führt, dass ein Unternehmen zu den Top-Performern im Markt zählt. Dabei müsste dies das Ziel von Führung sein, denn hierdurch setzt sich eine Spirale nach oben in Gang.

Wenn eine Organisation zu den Top-Performern zählt, erwirbt sie sich mit der Zeit einen entsprechenden Ruf – in der Branche und im (Arbeits-)Markt. Das heisst, ihr haftet das Image «Die sind gut» an. Dadurch wird die Organisation attraktiver für gute Bewerber. Also kann sie höhere Massstäbe an neue Mitarbeiter stellen, wodurch sich das Leistungsniveau Schritt für Schritt nach oben verschiebt. Diese Spirale in Gang zu setzen, ist gerade in Zeiten, in denen gute Fach- und Führungskräfte rar sind, wichtig. Denn Hand auf Herz: Für wen würden Sie als Bewerber sich entscheiden, wenn Sie die Wahl hätten – für den Champion im Markt oder für ein Unternehmen, das zur grauen Masse zählt?

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer der international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede. www.mticonsultancy.com

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