Nehmen uns Migranten Arbeitsplätze weg?
Ob Migrant oder Asylant: Ausländische Arbeitskräfte stärken unsere Wirtschaft. Vor allem, wenn sie rasch integriert werden. Schweizer und Ausländer ergänzen sich auf dem Markt; die Angst vor weniger Arbeitsplätzen ist also unbegründet.
Die Zuwanderung und ihre möglichen Folgen verunsichern die Bevölkerung. Kein Wunder: Neuerdings drohen Grosskonzerne wie Google offen mit Abwanderung, wenn beim Einstellen von ausländischen Fachkräften mehr bürokratische Hürden zu überwinden sind. Gleichzeitig sehen wir beinahe täglich Bilder über den endlosen Flüchtlingsstrom in die EU. Beides löst Fragen aus: Nehmen Zuwanderer den Schweizern Arbeitsplätze weg? Und sinkt damit gar das Lohnniveau der Schweiz?
Hier haben einfache populistische Antworten Hochkonjunktur. Aber nur mit dem Werkzeugkasten der Ökonomie lässt sich dieses heisse Eisen seriös untersuchen. Ob Zuwanderung zu mehr Arbeitslosen führt und Löhne drückt, wurde volkswirtschaftlich umfassend untersucht. Auf den ersten Blick schien klar: Jeder Migrant ist eine zusätzliche Arbeitskraft – das Lohnniveau sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt. Zahlreiche Studien beweisen jedoch das Gegenteil.
Statistisch belegt: Schweizer und Zugewanderte ergänzen sich
Die Ökonomen waren ratlos. Warum beeinflusst ein grosser Zustrom von Migranten den Arbeitsmarkt nicht? Eine erste Antwort ergab sich, als die Forscher zwischen Inländern und Ausländern unterschieden. Mehr Einwanderer beeinflussen weder den Lohn noch den Beschäftigungsgrad von Schweizer Arbeitskräften. Anders bei den einheimischen Ausländern: Ihr Lohn sank und die Arbeitslosigkeit nahm zu. Demnach konkurrieren Zugezogene auf dem Arbeitsmarkt bereits ansässige Ausländer. Ein direkter Wettbewerb zwischen Schweizern und Zugewanderten hingegen besteht nicht. Beide Gruppen scheinen sich auf dem Arbeitsmarkt zu ergänzen – aufgrund von unterschiedlicher Berufswahl oder unterschiedlichen Qualifikationen im gleichen Berufsfeld.
Migranten machen in der Wirtschaft vieles möglich
Der Lohn- und Beschäftigungsrückgang bei Ausländern ist weit weniger hoch, als es die Zahl der Migranten erwarten liesse. Zuwanderung ist also kein Nullsummenspiel. Dies aus drei Gründen: Erstens schliessen Zuwanderer wichtige Lücken auf dem Arbeitsmarkt. So kann die Wirtschaft Projekte realisieren, die ohne Zuwanderung gar nicht möglich gewesen wären. Das zeigt sich auch in unserer Branche: 2014 kamen 34 000 Temporärarbeitende als Kurzaufenthalter ins Land. Während ihres dreimonatigen Aufenthalts waren sie dank ihren Qualifikationen Öl im Getriebe der Schweizer Wirtschaft, der Arbeitsmarkt konnte durchstarten.
Ein weiteres Plus: Mehr Nachfrage, mehr Innovation
Zweitens steigern Migranten die Nachfrage stark, was in der ganzen Wirtschaft Arbeitsplätze schafft – vom Einzelhandel bis hin zum Gesundheitswesen. Bei heute knapp zwei Millionen Ausländern in der Schweiz darf man sich fragen, wie viele Unternehmen und Stellen an dieser Nachfrage hängen. Befürworter der Masseneinwanderungsinitiative entgegnen oft, die öffentliche Infrastruktur werde durch den Zuzug überlastet. Tatsächlich wird die staatliche Infrastruktur nicht voll genutzt, zudem ist sie defizitär. Zuwanderer helfen, öffentliche Dienstleistungen zu erhalten – zum Beispiel durch geleistete Abgaben, durch die Nutzung von Schulen, Schwimmbädern oder Regionalspitälern. Drittens zieht die Schweiz hochqualifizierte Fachkräfte nahezu magisch an. Gemäss KOF brachten 2011 über 50 Prozent der Neuzuzüger einen tertiären Bildungsabschluss mit, einige von ihnen sind hoch innovative Köpfe. US-Studien belegen: Steigt der Anteil der Zuwanderer mit tertiärem Bildungsabschluss nur um ein Prozent, nimmt die Patentdichte um sechs Prozent zu.
Fördern bringt mehr als hemmen – uns allen
Migration hat ökonomisch kaum negative Folgen. Für ihren wirtschaftlichen Erfolg ist die Schweiz auf die Exportmärkte der EU und auf Talente angewiesen – auch aus dem Ausland. Um eine robuste Konjunkturentwicklung einzuleiten, müssen die bilateralen Verträge erhalten und die Masseneinwanderungsinitiative liberal umgesetzt werden. Ein erster Schritt dazu wäre die Einführung eines Meldeverfahrens für Asylsuchende. Denn eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt ist wirtschaftlich wie gesellschaftlich ein Steilpass.